Sauerland. Profiligen pausieren, die Fußball-EM wurde verlegt – und Schachprofis spielen trotz des Coronavirus’ ein Großturnier. Vereine im HSK ärgert das.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ nennt die Veranstaltung „das wohl seltsamste Schachturnier der Geschichte“: Derzeit läuft in Jekaterinburg am Uralgebirge in Russland, der viertgrößten Stadt des Landes, das große Kandidatenturnier für die Schach-Weltmeisterschaft. Ermittelt wird unter acht Spielern noch bis Sonntag, 5. April, ein Sieger, der dann den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen Ende des Jahres in Dubai um den nächsten WM-Titel herausfordert.

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Zuschauer sind nicht zugelassen, es gibt aufgrund der Coronakrise viele Vorsichtsmaßnahmen – doch das Turnier findet statt. Diese Zeitung hat Akteure heimischer Schachvereine – deren Spielbetrieb ist aktuell ausgesetzt und die Frage, wie es mit der Saison weitergeht, ungeklärt – um ihre Meinung zur Austragung gebeten und gefragt, wie sie in der aktuellen Lage reagieren.

Coronavirus: Schach-Spielbetrieb in NRW ausgesetzt

Während weltweit so gut wie alle großen Sportveranstaltungen abgesagt oder ausgesetzt werden – die Profiligen im Fußball, Handball oder Volleyball pausieren, die Fußball-EM wird von 2020 auf 2021 verschoben und den Olympischen Sommerspielen in Tokio droht ebenfalls eine Verlegung –, wird nahe der sibirischen Grenze eines der größten Schachturniere des Jahres ausgetragen. Dass die Partien der Profis im Hyatt Regency Hotel in Jekaterinburg aktuell stattfinden, verteidigte Arkadi Dvorkowitsch, Präsident des Weltschachverbandes Fide, bei der Eröffnung des Events: „Das Kandidatenturnier ist kein Massenevent, und Zuschauer sind ja nicht zugelassen.“

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Bei heimischen Schachspielern, die im Schachbezirk Hochsauerland organisiert sind, sorgt die Austragung für Unverständnis. Zumal sich die Basis bereits am Freitag, 13. März, dazu entschieden hatte, den laufenden Spielbetrieb wegen der rasanten Verbreitung des Coronavirus’ auszusetzen. „Das halte ich auch nach wie vor für absolut richtig. Auf kompletter NRW-Ebene findet aktuell kein Spielbetrieb statt“, sagt Christof Dinter, Vorsitzender des Schachbezirks Hochsauerland und Spieler des SV Sundern.

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Dass die acht Großmeister unterdessen in Jekaterinburg den Carlsen-Gegner ausspielen, kann er nicht nachvollziehen. „Für mich ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Das geht einfach nicht und wirft auch kein gutes Licht auf unseren Schachsport“, betont er.

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Was viele Sportinteressierte wohl gar nicht wissen: Schach ist eine Kontaktsportart. So werden bei eigenen Zügen mitunter auch die Figuren des Gegners angefasst, zudem greifen sich Spieler immer wieder in das Gesicht: beispielsweise an die Nase, die Ohren oder das Kinn. Diese Handlungen sind normalerweise kein Problem – in Zeiten der großen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus indes schon.

Alternativen in schwierigen Zeiten

Auch das trage aktuell dazu bei, dass die Austragung des Turniers viel Kritik einsteckt, sagt Christof Dinter. Bei seinem Verein, dem SV Sundern, dessen erste Herrenmannschaft in der NRW-Klasse spielt, seien viele Akteure noch mehr als sonst auf Schach im Internet umgestiegen. „Auf Onlineportalen wie chess.com kann man gegeneinander spielen, etwa Fern- oder Blitzschach. Das ist natürlich nicht so toll, als wenn man sich persönlich gegenübersitzt, doch es ist eine gute Alternative“, findet er.

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Die empfiehlt auch Dieter Senff, Vorsitzender des Schachvereins Meschede, den Mitgliedern – vor allem den jungen. „Wir haben jetzt erst mal eine Pause. Wie es weitergeht, weiß niemand“, bekräftigt er.

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Auch beim Schachverein Brilon müssen neben den Ligaspielen ebenso die vereinsinternen Spielabende ausfallen. Dasselbe Szenario lähmt gerade den Betrieb der Schachfreunde des Josefheims in Bigge merklich ein. Der einzige Schachverein im Stadtgebiet Olsberg mit etwa 40 Mitgliedern existiert seit 1949. „So eine Situation haben wir noch nie erlebt“, so Vereinschef Horst Jerzembek.

„Einige haben Dollarzeichen in den Augen“

Auch im Hinblick auf die jungen Mitglieder und ebenso das Josefsheim Bigge, in dem unter anderem Menschen mit geistigen Behinderungen leben und das gestern aufgrund der Lage ein Besuchsverbot aussprach, „tragen wir als Verein eine Verantwortung“, sagt er.

Dass derweil die Schachprofis in Jekaterinburg um das Spiel gegen Magnus Carlsen und für ihren Sieg in Russland um satte 500.000 Euro Preisgeld kämpfen – für den Vorsitzenden der Schachfreunde aus Bigge ein Unding.

Horst Jerzembek: „Für mich ist dieses Turnier einfach nicht nötig. Man sitzt beim Schach nah beieinander und wenn der Zug des Gegners einen bis ins Mark trifft, dann ärgert man sich und prustet auch mal los. Die Ansteckungsgefahr ist aus meiner Sicht daher wirklich hoch. Wenn alle Sportarten die Notbremse ziehen und Turniere absagen, verlange ich das auch von den Entscheidern im Schach. Doch wenn einige die Dollarzeichen in den Augen haben, setzt der Verstand aus.“