Sauerland. Das Coronavirus breitet sich aus – und bringt auch für die Reitsportszene im Sauerland große Probleme mit sich. Was Vereine und Reiter bewegt.

Die Turnhallen sind abgeschlossen, die Bälle liegen im Spind und das restliche Material ist im Geräteraum verstaut. Die Vorgaben der NRW-Landesregierung zur Schließung von Sporteinrichtungen als Reaktion auf die Ausbreitung des Coronavirus’ sind nicht schwierig umzusetzen und stoßen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auf Verständnis. Komplizierter stellt sich die Situation für Reitvereine und -betriebe dar, da sich das „Sportgerät“ nicht einfach stilllegen lässt. Es gilt, gleichzeitig die Gesundheit von Menschen und Tieren sicherzustellen – ein Ritt auf einem schmalen Grat.

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In Meinolf Böhmers Stimme schwingen Sorgen mit, als er über die derzeitige Lage spricht. Die Auswirkungen des Coronavirus’ treffen den Reiterverein Hellefeld mit voller Wucht, auch, wenn das neuartige Virus keine Infektionsgefahr für Pferde in sich trägt. Der Klub aus der Sunderner Ortschaft kämpft indes mit fehlenden Einnahmen, weil unter anderem der Reitunterricht weggebrochen ist. Böhmer: „Die Kosten für unsere fünf Schulpferde laufen weiter. Es geht pro Pferd um etwa 250 Euro im Monat.“

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In der Coronakrise wird der Hygiene noch mehr Aufmerksamkeit beigemessen, als bereits zuvor. Hände waschen, Abstand voneinander halten, keine Fremden und Besucher und ohnehin nur die wirklich benötigten Kräfte zu den Pferden lassen – all das wird berücksichtigt.

Coronakrise: Reitsportszene setzt diese Maßnahmen um

Laut Empfehlungen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) sollen sich in einer 800 Quadratmeter (20 mal 40 Meter) großen Halle maximal vier Personen gleichzeitig aufhalten. Zwischen diesen soll zudem ein gewisser Abstand von bis zu zwei Metern gegeben sein. „Ein Pferd kann man eben nicht einfach in die Ecke stellen, sondern man muss es versorgen, füttern und bewegen“, betont Böhmer.

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Die FN rät Pferdehaltern dazu, sich untereinander noch mehr zu vernetzen, um so für mögliche Quarantänezeiten vorbereitet zu sein. „In den Pensionsställen, in denen unsere Pferde stehen, gibt es bereits Schichtpläne zur Versorgung der Tiere. Wenn jemand in Quarantäne muss, übernimmt dann ein Ersatz“, sagt Eckhard Lohmann, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Brilon und Umgebung (RFV Brilon u. U.) und Geschäftsführer des Kreisverbandes Pferdesport im Sauerland.

Unterdessen setzen Meinolf Böhmer große Sorgen zu: Das traditionelle Spring- und Dressurturnier des RV Hellefeld, das zu den größten Reitturnieren im Sauerland zählt, droht ebenfalls aufgrund von Corona abgesagt zu werden. Eigentlich soll Ende Mai die 80. Ausgabe der renommierten Großveranstaltung ausgerichtet werden. Eigentlich. „Nach Ostern müssen wir als Verein entscheiden, ob das Turnier ausfallen muss. Ansonsten bleibt nicht genügend Zeit für die Organisation“, bekräftigt Meinolf Böhmer.

Die Situation in Bestwig-Berlar

So viel ist sicher: Eine Absage – die aktuell wahrscheinlicher als das Durchführen der Veranstaltung ist – würde den RV Hellefeld vor große Probleme stellen. Böhmer: „Wenn unser Turnier nicht stattfindet, laufen uns die Kosten davon. Ob wir dann noch unseren Unterricht mit den Schulpferden anbieten können, ist fraglich.“

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Existenzsorgen treiben derweil Jolly Schrenk um. In Bestwig-Berlar ist die Berufsreiterin in der Reitschule Berger für den Beritt und die Pensionspferde zuständig. Schrenk, Weltmeisterin bei Turnieren mit Islandpferden, arbeitet ebenfalls im in Berlar ansässigen Islandpferde-Zentrum Sauerland.

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Im Hotel, das in die Reitschule integriert ist, fallen die Buchungen weg. Auch Reitstunden dürfen nicht erteilt werden, und ebenso fallen Veranstaltungen mit Islandpferden aus. „Immerhin dürfen wir mit unseren Tieren raus“, nennt Schrenk einen positiven Aspekt. „Wenn sich Pferde nicht bewegen, bekommen sie gesundheitliche Probleme mit dem Magen, der Verdauung und entwickeln ein unnatürliches Verhalten“, erklärt sie. Wie es jetzt weitergeht, wisse niemand. „Auch das sorgt bei den Reitern für Unsicherheit“, sagt Meinolf Böhmer.

Keine Patienten – keine Gelder

Reitheilpädagogin Birgit Kraft aus Arnsberg hat Sorgen um ihre Existenz. „Ich habe aktuell keine Einnahmen mehr.“ Allein diese sechs Worte lassen erahnen, welch schwere Zeit die Reitheilpädagogin Birgit Kraft aktuell durchlebt.

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Die gebürtige Hamburgerin und mittlerweile in Arnsberg lebende Heilpädagogin betreibt ein Heilpädagogisches Reit- und Psychomotorikzentrum. In Meschede-Stockhausen bietet Kraft, die selbst sieben Pferde besitzt, Therapien in unterschiedlichen Gebieten an. Zu ihr kommen Kinder mit ADHS, mit verschiedenen Lähmungen, Behinderungen oder Ängsten, doch ebenso auch Erwachsene, die beispielsweise berufsbedingt einen Burn-Out erlitten haben.

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Von den Behörden sei den Reitheilpädagogen aufgrund der Coronakrise ein Berufsverbot ausgesprochen worden, sagt Kraft. Die Kunden blieben derzeit komplett weg, und daher fehlten auch die Einnahmen, die sie unter anderem benötige, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen. „Wir alle hoffen darauf, dass bald Hilfen für Kleinunternehmer realisiert werden“, sagt sie.

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Laufende Kosten, wie etwa die Bezahlung des Hufschmiedes, hätte sie weiter zunächst selbst zu tragen. Sollte auf ihrem Hof eine Quarantäne verhängt werden, „haben wir eine Sondergenehmigung, um die Tiere weiterhin versorgen zu können. Dann darf es aber nur eine Person sein, die am Stall arbeitet“.

Ein Kommentar von Philipp Bülter

Jeder muss sich in Geduld üben

Diese Ungewissheit, Unsicherheit und mitunter gar Existenzangst – sie ist in allen Gesprächen mit Akteuren aus der Reitsportszene im Hochsauerlandkreis deutlich zu spüren. Und natürlich sind diese Gefühle angesichts der Coronagefahr nachvollziehbar.

Denn die wegbrechenden Einnahmen, die Turniere, die abgesagt werden müssen, und die fragile Zukunft machen den Reitvereinen, -betrieben, -höfen und ebenso Privatleuten schwer zu schaffen.

In einem offenen Brief bittet FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau alle Pferdesportler und Pferdezüchter, ihren Beitrag zu einer schnelle Beendigung der Krise zu leisten. „Wir Pferdeleute müssen zusammenhalten, gerade jetzt. Paradoxerweise bedeutet dies, Abstand zu halten. Ich bitte Sie dabei um etwas Geduld“, schreibt er.

Auch, wenn das schwer fällt: Alternativen gibt es zurzeit nicht.