Winterberg. Ein Baby-Boom bei den Rennrodlerinnen verschafft Cheyenne Rosenthal eine unerwartete Chance. Mit welchem Problem sie ausgerechnet jetzt kämpft.
Jahrelang litt Corinna Martini unter ihnen. Wie schnell die Rennrodlerin des BSC Winterberg auch durch die Eisbahnen dieser Welt raste: Tatjana Hüfner oder Natalie Geisenberger waren schneller. Nur einmal brach die Sauerländerin deren Dominanz – und gewann im Januar 2012 ausgerechnet ihren Heimweltcup vor dem Duo.
Geueke/Gamm Dritter
Nach der verkorksten vergangenen Saison will sich der Doppelsitzer Robin Geueke/David Gamm vom BSC Winterberg erneut für den Weltcup qualifizieren. „Bei dem Wetter ist es ein anderes Eis, mit dem man erstmal zurecht kommen muss“, sagte Gamm nach Rang drei im ersten Qualirennen in Oberhof. Wie üblich vorne: Wendl/Arlt und Eggert/Benecken.
Bei den Herren siegte Johannes Ludwig, der gesetzte Felix Loch belegte vor dem Sauerländer Christian Paffe Rang sieben.
In diesem Winter werden weder Hüfner noch Geisenberger noch Dajana Eitberger auf irgendeinem Podest stehen. Hüfner beendete ihre Karriere, Geisenberger und Eitberger pausieren, weil sie schwanger sind. Eine profitiert vom plötzlichen Baby-Boom im deutschen Damenteam allerdings nicht: Corinna Martini – denn sie ist bereits seit 2013 ehemalige Rennrodlerin.
Rosenthal: Hoffe, dass alles klappt
Einer anderen Sauerländerin spielen die glücklichen Umstände, in denen sich die unter anderem zweifache Doppel-Olympiasiegerin Geisenberger und Eitberger, die bei den Olympischen Winterspielen 2018 Silber gewann, befinden, sehr wohl in die Karten: Cheyenne Rosenthal, 19-jähriges Talent und amtierende Junioren-Weltmeisterin des BSC Winterberg, steht früher als erwartet vor der Weltcup-Premiere.
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„Ich freue mich natürlich für Natalie und Dajana, wünsche ihnen alles Gute und hoffe, dass in den Schwangerschaften und nach den Geburten alles so klappt, wie sie es sich vorgenommen haben“, erzählt Rosenthal im Gespräch mit dieser Zeitung. „Für mich ergibt sich plötzlich eine Riesenchance, in den Weltcup hineinzuschnuppern oder mich sogar für die gesamte Saison im Weltcup zu qualifizieren.“
Ausgerechnet jetzt verletzt
Doch obwohl Chef-Bundestrainer Norbert Loch für die vier zu vergebenen Weltcup-Plätze realistisch betrachtet mit der amtierenden Vize-Weltmeisterin Julia Taubitz (23), Jessica Tiebel (20), Anna Berreiter (20) und Rosenthal lediglich vier Athletinnen zur Verfügung stehen, erwartet der Rennrodel-Boss in den aktuell zu absolvierenden Qualifikationsrennen Top-Zeiten. „Die Nominierung muss mit Leistung untermauert werden, wir wollen nicht einfach nur den Bus vollmachen“, sagt der 57-Jährige.
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Eine, die Rosenthal den nächsten Entwicklungsschritt zutraut, ist Diane Koch, Sportwartin Rennrodeln beim BSC Winterberg – und Schwester von Corinna Martini. „Cheyenne muss jetzt einfach die Fahrleistung aus dem vergangenen Jahr wiederholen und am Start zulegen“, sagt Koch. Mindestens den dritten Platz sollte Rosenthal in den Qualifikationsrennen anstreben, „dann wäre ihr Weltcup-Platz abgesichert und das würde ihr weiteres Selbstvertrauen geben“.
Exakt diese Platzierung gelang der Sportsoldatin in Oberhof hinter Tiebel, Berreiter und vor der bereits für den Weltcup gesetzten Taubitz. „Die Läufe waren gut, aber ausbaufähig“, erklärt Rosenthal. Allerdings plagt sie vor den zweiten Qualifikationsrennen in Altenberg am kommenden Samstag ein anderes, schwerwiegenderes Problem.
Die Sauerländerin zog sich einen Bänderriss im linken Fuß zu.
„Die Nominierung wird kein Selbstläufer und ich muss schauen, dass ich den Bänderriss trotz der drei Qualifikationsrennen gut auskuriere“, sagt sie. Am 23./24. November beginnt die neue Saison traditionell in Innsbruck-Igls. Die Weltmeisterschaften werden Mitte Februar in Sotschi/Russland ausgetragen, Rosenthals Heim-Weltcup in Winterberg als vorletzte Station der Serie am 22./23. Februar.
Norbert Loch warnt allerdings vor einer überzogenen Erwartungshaltung in diesem Winter. „Jeder kann sich selbst ausrechnen, was das bedeutet“, sagt der Chef-Bundestrainer: „Wenn drei gestandene Frauen aus dem Viererkader fehlen, dann müssen wir komplett neu aufbauen.“ Von den in der Vergangenheit so häufigen Doppel- und Dreifachsiegen solle bitte erstmal niemand mehr träumen: „Als erwartungsfrohe Rodelnation müssen wir jetzt mal demütig werden und kleinere Brötchen backen. Der Übergang wird nicht nahtlos funktionieren.“
Auch damals hilft Schwangerschaft
Läuft alles wie geplant, kehren die Erfolgsgaranten Natalie Geisenberger und Dajana Eitberger in der vor-olympischen Saison wieder zurück auf ihre Schlitten, so dass sich die jungen Damen um Cheyenne Rosenthal an ihrer Seite – und in ihrem Schatten – weiterentwickeln können. Es sei denn, eine nutzt bereits diesen Winter, um in die internationale Spitze vorzustoßen.
Ein Podestplatz beim ersten Start im Weltcup für zum Beispiel Cheyenne Rosenthal wäre übrigens gar nicht so überraschend. 2007 belegte eine damals 21-Jährige bei ihrer Weltcup-Premiere in Oberhof den dritten Platz. Ihr Name: Corinna Martini. Und in die Mannschaft gerutscht war sie, weil Sylke Otto zurückgetreten war – wegen einer Schwangerschaft.