Marbella. Dortmund hat die ersten Einheiten in Spanien hinter sich. Die Baustellen sind klar. Eine besondere Rolle nimmt Kapitän Emre Can ein.
Das große Warten ging auch am Freitag in Marbella weiter. In Südspanien hat Borussia Dortmund alles für die erwartete Ankunft von Jadon Sancho (23, Manchester United) vorbereitet, sogar ein Charterflug war offenbar für den Morgen gebucht, um den Engländer aus seiner Heimat nach Malaga zu fliegen. Die Verhandlungen mit dem Premier-League-Klub aber erweisen sich in Detailfragen über das geplante halbjährige Leihgeschäft doch noch zäher als zunächst erhofft – weshalb die Maschine vom Typ Embraer Phenom 300 schlussendlich wohl annulliert werden musste. Sie flog später für einen anderen Kunden nach Hannover.
Das Umfeld des Klubs und seine Fans bewegt die bevorstehende Rückholaktion. Sancho, auch wenn er zweieinhalb dunkle Jahre hinter sich hat, steht beim BVB noch immer für atemberaubende Dribblings, unbeschwerten Fußball und den letzten Titelgewinn, den DFB-Pokal im Jahr 2021.
BVB will die Gegentore reduzieren
Die Probleme aber, die den Verein im Januar 2024 beschäftigen, würde auch Sancho in Bestform nicht lösen können. Sie sind grundlegender, sie liegen vor allem im Zentrum, in der Defensive.
25 Gegentore hat der BVB in der laufenden Saison schon kassiert. Maximal 34, das hatte Trainer Edin Terzic zuvor als Ziel ausgegeben, sollen es im Mai sein. Ein Wert, den die Top-Teams quer durch Europa erreichen – und der die Wahrscheinlichkeit auf die Meisterschaft signifikant erhöht. Schon jetzt ist er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erreichen.
Ein Blick in die Expected-Goals-Daten zeigt, dass die Dortmunder auch gut und gerne mehr als 30 Gegentreffer schon in der Bilanz stehen haben könnten. Torwart Gregor Kobel bewahrte sie vor Schlimmeren.
1,4 Gegentore sind es dennoch im Schnitt pro Spiel. Terzics Vorgänger Marco Rose wurde mit einem Wert von 1,5 freigestellt. Obwohl Dortmunds Abwehrspieler ihre Zweikampfquote im Vergleich zu vergangenen Saison verbessert haben, kommen gegnerische Stürmer viel häufiger in gefährlichen Positionen zum Abschluss. Vor allem über die rechte Verteidigungsseite, auf der Marius Wolf (28) und Thomas Meunier (32) nur knapp jedes zweite Duell gewinnen.
BVB: Das Passspiel war eine große Schwäche in der Hinrunde
„Vieles hat nicht gepasst, das muss man ehrlich sagen“, meint Kapitän Emre Can. „Wir wollten weniger Gegentore kassieren, haben offensiv nicht immer den besten Fußball gespielt, den wir von uns selbst erwartet haben. Wir wissen: Das muss besser werden.“
Das Trainingscamp in Marbella lieferte bereits erste Erkenntnisse, wie dies in der verbleibenden Saison gelingen könnte: zurück zu den Basics, so die Devise.
Höchst akribisch wurden präzise Pässe geübt, denn oft brachte sich der BVB in den vergangenen Monaten durch unnötige Ballverluste in Bedrängnis. Assistenztrainer Nuri Sahin (35), der diesen Teil der Einheit leitete, legte großen Wert auf Details. Dass der Ball etwa mit dem Fuß angenommen wird, den der Gegner nicht erreichen kann. Im Laufe des Trainings wurde die Intensität höher, Pässe mussten schneller, härter gespielt werden. „Provoziert euch!“, rief Sahin. Anschließend übten die Profis das Aufbauspiel. Chefcoach Terzic und Sahin griffen immer wieder ein und korrigierten. Es geht um Abläufe, die dringend sitzen müssen bis zum 13. Januar, dem Liga-Wiederbeginn bei Darmstadt 98.
Can, 29, kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Seit dem Sommer trägt er die Kapitänsbinde, das sei „immer noch eine große Ehre“, wie er in Marbella betonte, aber eben auch eine Bürde. „Am Anfang dachte ich, dass ich die Welt retten muss. Ich habe mich zu wenig um mich selbst gekümmert.“ Und das sah man dem Mittelfeldabräumer, der das Zentrum dichthalten und die Verbindung zur Offensive herstellen soll, auch an.
BVB: Emre Can kämpft um einen Platz im EM-Kader
Der Nationalspieler leistete sich, wie viele andere auch, Ballverluste, gerade dann, wenn die Gegner aggressiv pressten. Das Passspiel, was in Marbella trainiert wird, war eine der großen Schwächen der Hinrunde. Viel zu oft führte einfache Ballverluste zu Großchancen vor dem eigenen Tor.
Can verkomplizierte Dinge, wie er es schon in seinen ersten Jahren beim BVB gemacht hatte, wo er nie den Führungsspieler gab, als den ihn der Ruhrgebiets-Klub 2020 von Juventus Turin verpflichtet hatte. Zwischendurch rückte Salih Özcan in der Hierarchie der defensiven Mittelfeldspieler an Can vorbei, auch um seinen Platz in der DFB-Elf und eine Nominierung für die Heim-EM muss Can in der Rückrunde kämpfen.
Vielleicht ja an der Seite von Jadon Sancho. „Er ist ein Unterschiedsspieler, zu 100 Prozent“, sagte Can, der sich über seine Rückkehr des Engländers freuen dürfte. Doch auch Can dürfte bewusst sein, dass es damit nicht getan ist.