Dortmund. Erst stark, dann wie viele andere in Dortmund abgebaut: Emre Can ist das Spiegelbild des BVB-Jahres. Die Rückrunde wird für ihn richtungsweisend.
An einem Montagabend im März dieses Jahres gab Emre Can in London eine bemerkenswert offene Pressekonferenz. Der 29-Jährige von Borussia Dortmund ließ vor dem Champions-League-Achtelfinale beim FC Chelsea einen Blick in seine Gedankenwelt zu. „Ich habe zu sehr über Dinge gemeckert, die ich nicht ändern kann, ich habe mich davon runterziehen lassen und auf andere gezeigt, die Schuld bei ihnen gesucht“, meinte Can. Er hatte viel Zeit gehabt, zu reflektieren, für die Weltmeisterschaft in Katar war er ja nicht berücksichtigt worden. Viele Gespräche mit der Familie und Freunden hätten ihm geholfen, diese Dinge auszublenden, bei sich zu bleiben.
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Seit dem ist viel passiert, und vielleicht hat Emre Can über die Feiertage noch einmal Zeit gefunden, zu reflektieren. Zu Jahresbeginn, rund um die Chelsea-Spiele, befand sich der Mittelfeld-Abräumer in bestechender Form. Zum ersten Mal seit seinem Wechsel nach Dortmund im Januar 2020. Er arbeitete sich zurück in die Nationalmannschaft als Teil einer vermeintlichen Königslösung neben Ilkay Gündogan. Er, lange Abgangskandidat, verlängerte daher sogar seinen Vertrag im Ruhrgebiet. Seit Sommer darf sich Can als Nachfolger von Marco Reus, 34, die Kapitänsbinde überstülpen. Der Wagon mit Can war am höchsten Punkt der Achterbahnfahrt angelangt.
BVB verzichtete für Emre Can auf Edson Alvarez
So schnell es für Can bergauf ging, rauschte er wieder hinunter. Ein wenig überzeugender Start in die Saison, Verlust des unumstrittenen Stammplatzes im Dortmunder Mittelfeld, Nichtberücksichtigung durch den neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann für die DFB-Elf. Can konnte die hohen Erwartungshaltungen, die das BVB-Management auf Wunsch von Trainer Edin Terzic im Sommer letztlich sogar dazu verleiteten, auf den Mexikaner Edson Alvarez als mögliche Verstärkung zu verzichten, nicht erfüllen – und ist so etwas wie das Spiegelbild der schwankenden schwarz-gelben Auftritte.
Dabei schien Can endlich in Dortmund angekommen, weil er sich auf seine Stärken besann: Zweikämpfe führen und möglichst gewinnen, einfache und saubere Pässe spielen, überflüssige Fouls vermeiden, sich nicht selbstüberschätzen, indem er ins Dribbling geht. Genau ins Gegenteil, in seine alten Muster aber ist Can in der Hinrunde verfallen, weshalb Salih Özcan (25) im Verlauf des Jahres plötzlich die Nase vorne hatte. Weil Can nicht regelmäßig spielte, wirkte Torwart Gregor Kobel (26) als sein Stellvertreter immer mehr wie der eigentliche Kapitän des Klubs.
BVB-Profi Emre Can will zur Heim-EM
Von Can wird wie vielen anderen im Kader im neuen Jahr eine deutliche Leistungssteigerung erwartet, fehlt es doch gerade im Zentrum, Cans Arbeitsbereich, dem BVB an Struktur im Spielaufbau. Auch der Profi selbst wird diesen Anspruch haben, um sich seinen Traum von einer Teilnahme an der Heim-Europameisterschaft zu erfüllen. Auf jener Pressekonferenz in London sagte Can auch, er hoffe, „dass es nicht nur eine Phase ist, sondern dass ich diese Leistungen konstant zeigen kann“. Diesen Beweis ist er nun schuldiger denn je.