Dortmund. Der Mittelfeldspieler ist noch lange nicht in Dortmund angekommen. Gute Ansätze zeigt er. Aber warum kommt da einfach nicht mehr?
Zwei Szenen voller Widersprüche, die Felix Nmechas Zeit bei Borussia Dortmund zusammenfassen.
Im letzten Vorbereitungsspiel gegen Ajax Amsterdam, als der BVB so gut spielte wie danach länger nicht mehr, schlägt Nmecha einen Pass, der so ansehnlich ist, dass man ihn in Öl auf eine Leinwand pinseln sollte. Der 22-Jährige bekommt an der Mittellinie des Dortmunder Stadions den Ball. Im Augenwinkel sieht er Donyell Malen auf die Gelbe Wand zu rennen. Nmecha schießt den Ball aus dem Stand, scharf und vertikal über 20, 30 Meter das Spielfeld entlang. Malen nimmt ihn in voller Geschwindigkeit auf und läuft allein aufs Tor der Niederländer zu.
Ein Spielzug eines Achters wie aus dem Lehrbuch.
BVB: Dicker Aussetzer von Felix Nmecha bei PSG
Im ersten Champions-League-Gruppenspiel bei Paris Saint-Germain am vergangenen Dienstagabend soll Nmecha Achraf Hakimis Tor zum 2:0 verhindern. Da bleibt er aber plötzlich stehen. Hakimi dribbelt mutterseelenallein durch Dortmunds Strafraum. Auch in anderen Situationen trabte Nmecha fast schon orientierungslos über den Rasen des Prinzenparks.
Wer beim Pöhlen mit den Kumpels so verteidigen vortäuscht, zahlt die nächste Runde.
Weil Nmecha in seinen ersten 82 Tagen beim BVB nur selten auf dem Rasen stand und in diesen Minuten noch seltener überzeugte, ist der Sommerzugang für viele bisher eine Enttäuschung. „Ich glaube, bei Felix ist noch Luft nach oben“, meint Sportdirektor Sebastian Kehl. Eine Untertreibung.
BVB: Marcel Sabitzer fällt aus
Weil sich Marcel Sabitzer in der französischen Hauptstadt an den Adduktoren verletzt hat und womöglich länger ausfallen wird, könnte Nmecha nun schnell wichtig werden. Schon heute im Heimspiel gegen Nmechas früheren Klub VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/Sky) muss ein freier Platz im Dortmunder Mittelfeld neubesetzt werden.
Eigentlich sollte es ja ein wenig anders laufen. Eher die Frage sein, wer denn neben Nmecha das Zentrum bearbeit, und nicht, ob der Nationalspieler überhaupt spielt.
Nmecha war Dortmunds Königstransfer des Sommers. Und mit dieser Adelung tut sich eine Fallhöhe auf. 30 Millionen Euro überwies der BVB nach Niedersachsen. Viel Geld für jemanden mit wenig Bundesliga-Erfahrung. Nur zwei Spieler der Borussen waren bislang teurer.
BVB: Felix Nmecha soll Jude Bellingham ersetzen
Nmecha sollte helfen, Jude Bellingham zu ersetzen. Der Engländer schießt nun wichtige Tore für Real Madrid. Viele Fans schauen besonders wehmütig nach Spanien. Auch, weil Bellingham ob seiner Klasse, seines Willens und seiner Ausstrahlung in Dortmund schnell zum Idol wurde. Nmecha hingegen, ein wenig schillernder Profi aus Wolfsburg verglichen mit dem kommenden Weltstar Bellingham, schleppte den schweren, mit Homo- und Transphobie-Vorwürfen gefüllten Rucksack mit sich herum, den sich der tiefgläubige Christ selbst aufgeschnallt hat.
„Dass wir völlig überzeugt von seinen Qualitäten sind, haben wir schon häufiger erwähnt“, betonte Trainer Edin Terzic am Freitag erneut. Das ist auch der Grund, warum wir ihn im Sommer dazugenommen haben.“
Dass es bislang nicht passt, hat allerdings ebenfalls Gründe. Eine Spurensuche.
Terzic verwies zurecht auf gesundheitliche Probleme in der Vorbereitung, die er aus Wolfsburg mit ins Ruhrgebiet brachte. Nmecha bekam nur wenige Spielminuten, musste immer wieder aussetzen.
BVB: Noch wirkt Felix Nmecha wie ein Fremdkörper
„Jetzt geht es darum, dass wir ihn ins Spiel integrieren, dass er immer mehr die Abläufe kennenlernt, seine Qualitäten in das Spiel einbringen kann“, sagte Terzic. Noch wirkt Nmecha wie ein Fremdkörper in einer verunsicherten Mannschaft, in der momentan jeder vorrangig mit sich selbst zu kämpfen hat. Es fehlt die Verbindung zwischen Defensive und Offensive. Kreativität. Pressingresistenz. Spielaufbau. Ein fitter Nmecha könnte viele dieser Symptome beheben. Noch ist er allerdings nicht so weit. Nmecha wirkt gehemmt.
„Wir wissen, wenn wir das Training sehen, wozu erst im Stande ist, uns zu helfen und der Mannschaft eine richtig gute offensive Waffe zu geben. Das sehen wir jeden Tag im Training, leider noch nicht im Spiel“, behauptete Terzic. Man muss Dortmunds Trainer da glauben. Seit Jahren schottet sich der Klub ab. Journalisten dürfen nur wenige, ausgewählte Einheiten beobachten, die oft leichte Kost sind. Terzic aber ist sich sicher: „Wenn er so weiterarbeitet und so hart trainiert, ist es eine Frage der Zeit, dass er es dann im Spiel auch gut umsetzt.“
Am besten bereits heute gegen Wolfsburg. Dann schrumpfen auch die Widersprüche.