Paris. Der BVB läuft momentan den eigenen Ansprüchen hinterher und ist in Paris klar unterlegen. Sportdirektor Sebastian Kehl findet deutliche Worte.
In Paris war schon fast der neue Tag angebrochen, als Sebastian Kehl den Interviewbereich des Prinzenparks erreichte. Es ist ein ziemliches Labyrinth dieses Stadion mit den weiß angepinselten Wänden, in dem man entweder dort ankommt, wo man wirklich hinwollte oder versehentlich im Heizungskeller landet. Die Wege jedenfalls sind lang.
Vielleicht war das auch ganz gut so für den Sportdirektor von Borussia Dortmund. Er konnte sich Zeit verschaffen, um das Geschehen sacken zu lassen. Stollenschuhe trägt der frühere Mittelfeldspieler ja schon länger nicht mehr, dafür nun regelmäßig einen schicken Anzug, mit dem der Auftrag zur Diplomatie einhergeht. Der impulsive Fußballer Sebastian Kehl hätte die Analyse zum 0:2 (0:0) des BVB bei Paris Saint-Germain wohl deutlich drastischer formuliert.
Sebastian Kehl über den BVB: „Eine gewisse Unsauberkeit“
Aber das, was Kehl dann zu Protokoll gab, war schon eine Ansage an die in Paris völlig unterlegenen Dortmunder Profis, doch besser die eigene Arbeitsweise zu überdenken. „Es ist eine gewisse Unsauberkeit und es gibt Momente, wo ich mir denke, dass sie da den Ball festmachen sollen und nicht nur mit der Hacke“, schimpfte der 43-Jährige. „Das ist ein bisschen zu Larifari an der einen oder anderen Stelle gewesen und da brauchen wir mehr Klarheit in unserem Spiel.“
Mit der wäre es vielleicht sogar möglich gewesen, einen Fehlstart in die neue Champions-League-Saison zu vermeiden. Titelanwärter PSG bot dem BVB ja einige Räume an. Der Bundesliga-Vizemeister allerdings schaffte es nicht, seine schnellen Angreifer Donyell Malen und den wieder mal völlig enttäuschenden Karim Adeyemi in Position zu bringen. Fast jeder zweite Dortmunder Pass in der ersten Halbzeit landete beim Gegner.
Borussia Dortmund: Eine besorgniserregende Entwicklung
Dem BVB fehlte mal wieder die Struktur. Es ist Phänomen, das die Mannschaft aus der Vorbereitung mit in die neue Saison geschleppt hat und langsam eine besorgniserregende Entwicklung nimmt. Vom aus der starken vergangenen Rückrunde abgeleiteten Anspruch, sowohl national als auch international die Großen ärgern zu wollen, ist der Klub derzeit weiter entfernt als die feine Pariser Architektur von den wuchtigen Klötzen im Ruhrgebiet.
Wenig hilfreich war da, dass Marcel Sabitzer, der Verbindungsspieler zwischen Defensive und Offensive, musste nach 14 Minuten verletzt ausgewechselt werden. Der Österreicher hielt sich die Leiste. „Marcel hat eine Muskelverletzung und wird sicher einige Tage ausfallen“, befürchtete Kehl. Ein Einsatz im Bundesliga-Heimspiel gegen VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/Sky) ist fraglich.
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BVB-Niederlage in Paris ist auch eine Sache der Einstellung
Aber es war auch eine Sache der Einstellung. Trainer Edin Terzic bot seine Mannschaft gegen das gefürchtete Offensivtrio Kylian Mbappé, Ousmane Dembélé und Randal Kolo Muani ohne Mittelstürmer und in einer Fünferkette auf, „mit der man aktiv nach vorne verteidigen“ könne, sagte Kehl, aber: „Das haben wir nicht umgesetzt.“
Stattdessen schienen die halbstarken Dortmunder mit dem Anpfiff darum bemüht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Mit acht oder mehr Spielern standen sie zeitweise um den eigenen Strafraum herum. „Man kann es nett formulieren und sagen: Wir hatten zu viel Respekt. Oder man kann sagen, dass uns einfach der Mut gefehlt hat“, schimpfte Terzic. Eine Halbzeit hielt der von den Spielern in der schwarz-gelben Uniform angemischte Beton, ehe Ausnahmestürmer Mbappé ihn zum Bröckeln brachte.
Elfmeter-Entscheidung gegen den BVB: Eine harte Entscheidung
Der Franzose benötigte in der 49. Minute dafür allerdings die Hilfe des spanischen Unparteiischen Jesus Gil Manzano, der ein Handspiel von Niklas Süle im Sechzehner mit einem Elfmeter ahndete. „Das ist eine harte Entscheidung“, befand Sportdirektor Kehl. „Ich würde ungern den Schiedsrichter heute für das Spiel verantwortlich machen, aber ich finde, er hätte es sich wenigstens mal anschauen können, auch wenn man den Elfmeter am Ende pfeifen kann.“ Als sich Achraf Hakimi später zum 2:0 (59.) durch die Abwehr dribbelte, Felix Nmecha einfach stehen blieb und Mats Hummels ins Leere grätschte war der BVB endgültig geschlagen.
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Im zweiten Spiel gegen die AC Mailand (4. Oktober) stehen die Dortmunder im eigenen Stadion nun schon unter Siegesdruck, wenn es etwas werden soll mit dem Achtelfinal-Einzug in der denkbar undankbaren Königsklassen-Gruppe, der auch noch Newcastle United angehört. Die drängendste Lehre aus der erfolglosen Reise an die Seine dürfte die folgende sein: Respekt ist angemessen, Angst der schnellste Weg raus aus der Champions League.