Dortmund. Jamie Gittens hat eine BVB-Partie zweimal entschieden, beide Male wurde er eingewechselt. Doch: Eigentlich schwebt ihm etwas anderes vor.
Jamie Gittens hat es sich nicht nehmen lassen, sein Kunststück noch einmal selbst bei Instagram zu veröffentlichen. Wie er erst zweimal mit dem rechten Fuß über den Ball tänzelt, dann einmal mit dem linken, und dann trocken und überlegt in die rechte schießt. Ein Gesamtkunstwerk, das zum zweiten BVB-Treffer des Engländers, gerade mal 20 Jahre alt, in Brügge führte.
So einer, denkt man da, muss doch automatisch in der Startelf stehen, wenn Borussia Dortmund an diesem Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) beim VfB Stuttgart antritt und nach dem 3:0-Sieg in der Champions League auch in der Bundesliga siegen möchte. Aber, ganz so leicht ist das eben nicht.
Zweimal hat Gittens in dieser Saison herausgeragt, gegen Frankfurt und gegen Brügge gelang ihm jeweils ein Doppelpack. In beiden Partien wurde er eingewechselt; und vielleicht liegt ihm die Rolle des Jokers deswegen mehr, wenn die Beine der Gegenspieler schon müde sind, wenn sie sich deswegen nicht so schnell einstellen können auf diesen Fußballer mit seinen schnellen Richtungswechseln.
BVB-Trainer Nuri Sahin lobt Jamie Gittens: „Viel zu gut“
Nuri Sahin, Dortmunds Trainer, muss sich deswegen die Frage stellen, ob er die Dribbelstärke von Gittens am Sonntag schon von Beginn an auf dem Platz benötigt – auf die Gefahr hin, dass sie dann verpufft. Oder ob er seinen Offensivspieler auf der Bank lässt und ihn bringt, wenn die Offensive neue Impulse benötigt.
„Kein Spieler der Welt will ein Edeljoker sein“, sagt Sahin, „trotzdem gibt es in jedem Spiel fünf Spieler, die reinkommen und den Unterschied machen müssen“. Es gehöre für Gittens nun dazu, sich so zu steigern, dass er dauerhaft auch in der Startelf das Spiel prägen kann. „Das ist die Entwicklung, die jeder Spieler nehmen muss, das hat auch Jamie als Anspruch an sich selbst. Das sind Entwicklungsstufen, die Jungs müssen sich entwickeln und werden sich entwickeln. Auf dem Weg dahin müssen wir ihnen die Hand geben und helfen.“
Jamie Gittens war beim BVB lange vom Pech verfolgt
Vor vier Jahren wagte Jamie Gittens, der lange Bynoe-Gittens genannt wurde, diesen Zusatz aber abgelegt hat, den Sprung nach Deutschland, genauer ins Ruhrgebiet. Erst spielte das Talent in der U19, später wurde es unter dem damaligen Trainer Marco Rose zu den Profis hochgezogen. Und eigentlich sollte Gittens im Jahr 2024 schon deutlich mehr Erfahrung gesammelt haben, als er tatsächlich hat. Aber mehrere Schulterverletzungen warfen ihn zurück.
Jetzt geht sein Stern endlich auf, wodurch Borussia Dortmund über einen Offensivspieler verfügt, der zu den schnellsten der Liga zählt und ein Spiel durch eine Einzelaktion entscheiden kann. Und der Karim Adeyemi und Donyell Malen den Platz auf der Außenbahn streitig machen möchte.
Der Konkurrenzkampf hat sich in dieser Saison ungewöhnlich stark zugespitzt, was vor allem daran liegt, dass es diesmal kaum Verletzte gibt. Derzeit fällt nur Giovanni Reyna (Leiste) aus. Auf den Außenbahnen wird gerangelt, im Mittelfeldzentrum kämpfen Pascal Groß, Emre Can, Marcel Sabitzer und Felix Nmecha um einen Platz, in der Abwehr stehen in Waldemar Anton, Niklas Süle und Nico Schlotterbeck drei Innenverteidiger zur Verfügung. Alle wollen spielen, alle können aber nicht spielen.
BVB: Maximilian Beier kann nicht zufrieden sein
Manchmal wirkte es deswegen so, als würde Sahin seine Startelf so verändern, dass jeder zum Zug kommt. Gegen diese These aber wehrt sich der Trainer, denn dies „wären politische Entscheidungen. Wenn ich sagen würde, dass ich drei Innenverteidiger aufstelle, weil ich mich nicht traue, einen von ihnen auf die Bank zu setzen.“ Gemeinsam mit seinem Team mache er sich immer viele Gedanken vor einer Partie, erklärt Sahin. Deswegen sitzt Gittens manchmal auf der Bank, manchmal startet er. Aber: „Er ist viel zu gut. Er wird genug Spiele von Anfang an machen.“
Was bei all den Diskussionen untergeht, ist, dass noch jemand anderes gerade nicht zufrieden sein kann: Maximilian Beier, Angreifer, immerhin für 30 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim verpflichtet. Ein Faktor war der Nationalspieler noch nicht, in Brügge saß er 90 Minuten auf der Bank. „Ihm fehlt aktuell nicht viel“, erklärt Nuri Sahin. „Er macht einen guten Eindruck.“ Doch die Plätze in der BVB-Offensive sind begrenzt, schließlich steht ja nicht mal fest, ob Jamie Gittens in Stuttgart von Beginn an aufläuft.