Bangkok. Der BVB wirbt in Asien für die eigene Marke. Es lassen sich auch sportliche Erkenntnisse festhalten. Sportdirektor Kehl kündigt Transfers an.
Bangkok, diese wilde, verrückte thailändische Metropole, wirkt wie ein Puzzle, in dem die einzelnen Teile einfach ineinander gedrückt wurden, egal ob sie passen oder nicht. Luxuriöse Hochhausbauten stehen neben zusammengezimmerten Wellblechhütten, am Straßenrand werden Spieße gegrillt, es wird Sexspielzeug verkauft, westliche Fast-Food-Ketten versuchen, Hungrige anzulocken. Eine streunende Hunde-Gang stolziert umher, teure Autos ruckeln über die oft verstopften Straßen, eine Mutter sitzt neben ihren zwei Kindern auf dem dreckigen Bürgersteig, bittet um Geld, während ihr kleiner Junge auf einem Stück Pappe schläft.
Eine Stadt der Gegensätze, über acht Millionen Menschen leben an diesem Ort, der sich bis zum Pazifischen Ozean hin ausstreckt. Dazu kommt die drückende Luft, die kein Durchatmen ermöglicht, mindestens 80 Prozent beträgt die Luftfeuchtigkeit, jede sportliche Aktivität fällt schwer. Trotzdem ermahnt Borussia Dortmunds Trainer Nuri Sahin bei der ersten Einheit in Asien seine Spieler mehrfach, nicht nachzulassen. Sobald ein Ball ins Aus rollt, wird ein neuer aufs Spielfeld geschossen, damit erst gar keine Pausen entstehen.
BVB befindet sich seit Samstag knapp 10.000 Kilometer entfernt vom Ruhrgebiet
Seit Samstag befindet sich der BVB knapp 10.000 Kilometer entfernt vom Ruhrgebiet, die eigene Marke soll beworben werden, es geht ums Geld, doch es lassen sich in der wilden Großstadt auch erste sportliche Erkenntnisse festhalten. Das schwarz-gelbe Puzzle, um im Bild zu bleiben, nimmt langsam Formen an.
Dazu muss man wissen, dass der Klub nach einer schwanken Saison, die auf Platz fünf in der Liga endete und bis ins Champions-League-Finale führte, einen erheblichen Umbruch erlebt hat. Einmal haben in Marco Reus und Mats Hummels zwei Führungskräfte den Verein verlassen, zudem hat Edin Terzic sein Amt aufgegeben, Nuri Sahin hat übernommen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat den sportlichen Bereich bereits im Mai an Lars Ricken übergeben. All das muss sich finden in einem Verein, in dem jede Niederlage einen Monsun auslösen kann.
BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl über Nuri Sahin: „Er möchte ein paar Dinge verändern“
Sebastian Kehl steht am Sonntagvormittag, in Deutschland wird noch geschlafen, auf der Dachterrasse im 32. Stock des Sofitel Bangkok, dort, wo der Sportdirektor gemeinsam mit der Mannschaft übernachtet (in der Nacht auf Montag geht es bereits nach Japan). Hinter ihm kitzeln riesige Gebäude die Wolken am Himmel, nur gelegentlich lässt sich die Sonne blicken. Nuri Sahin, verrät Kehl, „möchte ein paar Dinge verändern, was die Spielkultur angeht, was die Dominanz angeht“. Wer den ehemaligen Mittelfeldgestalter kenne, der wisse, so Kehl, dass „er aus dieser Position jahrelang dominierenden Fußball gespielt und Ballbesitz gepredigt hat“.
Dortmund sehnt sich nach mehr Sicherheit im Spielaufbau, nach mehr Varianten, der Fußball soll wieder ein Abenteuer sein. In den Trainingseinheiten fällt auf, dass Sahin mutige Pässe ins Zentrum fordert, genauso sollen weite Diagonalbälle eine Verteidigung aufreißen. Als das Mittelfeldtalent Kjell Wätjen, 18, einmal in der Mitte versucht, einen Gegenspieler auszuspielen, unterbricht Sahin die Spielform, erklärt laut und deutlich, dass in dieser Zone niemals gedribbelt werden solle.
Immerhin 200 Fans haben sich neben dem Trainingsplatz versammelt, im Hintergrund rattert alle zehn Minuten ein Zug über die höher gelegene Bahntrasse, das Licht der Wolkenkratzer erhellt die Nacht. Auf dem Rasen befinden sich einige U19-Junioren und U23-Fußballer. Sahin muss seine Mannschaft auffüllen, solange die Nationalspieler noch im Urlaub sind. Aber es sind auch Profis dabei, für die in der kommenden Spielzeit eine neue Rolle vorgesehen ist.
Julian Brandt trägt künftig die Nummer 10 beim BVB
Julian Brandt trägt künftig die mystische Nummer 10 und soll mehr Verantwortung übernehmen. Niklas Süle hat abgenommen und drängt in dieser Form in die Rolle des Abwehrchefs. „Es gibt eine Menge Spieler, die ihr Potenzial noch nicht optimal ausgeschöpft haben“, sagt Sebastian Kehl. Die Hoffnung besteht darin, dass Felix Nmecha und Ramy Bensebaini nach einer Saison zum Vergessen endlich ankommen. Dass Talente wie Jamie Bynoe-Gittens, 19, und Julien Duranville, 18, einen Schritt weiterkommen.
Verteidiger Waldemar Anton und Stürmer Serhou Guirassy wurden bereits verpflichtet, Spielgestalter Pascal Groß soll bald hinzukommen. Gesucht wird zudem ein Außenverteidiger für die rechte Seite. Morgens sei sein Telefon durch die Zeitverschiebung ruhiger, berichtet Kehl, aber „wir wissen, dass wir sehr, sehr viele Spiele haben werden – durch die Champions League, durch die neue Klub-WM. Demnach werden wir einen Kader benötigen, der eine Breite hat, der Konkurrenzsituationen schafft, der dem Trainer unterschiedliche Optionen ermöglicht. Da werden wir womöglich noch was tun.“
Das Puzzle, es nimmt in Bangkok Formen an, aber komplett ist es noch nicht.
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