Berlin. Dortmund bekommt die Inkonstanz nicht in den Griff. Die Probleme sind ersichtlich, aber wie sind sie abzustellen? Der BVB wirkt ratlos.

Sebastian Kehl lachte kurz. Nicht weil er das Bundesliga-Auswärtsspiel von Borussia Dortmund bei Union Berlin so amüsant fand. Im Gegenteil. Die Reaktion des BVB-Sportdirektors glich eher eine Übersprungshandlung, möglicherweise war es Galgenhumor nach der 1:2 (0:2)-Niederlage an der Alten Försterei. „Wir sind auf der Suche, das ist doch klar“, versicherte Kehl.

In der nun anstehenden Länderspielpause ist zwar genügend Zeit, doch die Ursachenforschung für das widersprüchliche Auftreten des Klubs, bei dem Anspruch und Wirklichkeit mal harmonieren, nur um im nächsten Moment wieder weiter auseinanderliegen als Dortmund und Berlin-Köpenick, dauert nun ja schon eine ganze Weile. Seit Jahren besticht die Borussia durch eine erstaunliche Inkonstanz, bei der die selben Muster immer und immer wieder ausschlaggebend für Pleiten wie am Samstag in der Hauptstadt sind.

Und dabei scheint es irrelevant, ob der Trainer an der Seitenlinie nun Nuri Sahin heißt. Ähnliche Schwierigkeiten hatten auch schon seine Vorgänger Edin Terzic, Marco Rose, Lucien Favre und Peter Bosz mit der launischen schwarz-gelben Diva. Der letzte, dem es gelang, ihr Beständigkeit einzuverleiben, war Thomas Tuchel – und dessen unrühmlicher Abschied ist nun auch schon sieben Jahre her. Typisch BVB.

BVB mit schlechter Defensive und ohne Disziplin

Woran es gegen Union vier Tage nach dem imposanten 7:1 über Celtic Glasgow gehapert hat, das lässt sich recht schnell erläutern. Da wäre zum einen die hohe Anzahl an Gegentoren: elf in den vergangenen vier Partien. „Das ist einfach viel zu viel“, meinte Sportdirektor Kehl. „Da müssen wir ansetzen. Wir müssen unser Tor besser verteidigen, wir müssen Zweikämpfe besser führen, wir müssen Verantwortung übernehmen in Zweikämpfen. Das habe ich vor allem in der ersten Halbzeit nicht gesehen.“ Bezeichnend: Unions Angriff, der zum Strafstoß führte, den Kevin Vogt zum 1:0 (26.) ins Netz drosch. Da verlor der BVB leichtfertig den Ball, die Rest-Verteidigung war erneut fast widerstandslos zu überwinden, und Nico Schlotterbeck beging im Strafraum auch noch ein Anfänger-Foul im Eins-gegen-Eins mit Benedict Hollerbach.

firo :  05.10.2024,
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Erwischte keinen guten Tag: BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck. © Max Ellerbrake / firo Sportphoto | Max Ellerbrake

Aber mehr noch: Die Berliner zeigten recht simpel, wie man dem neuformierten BVB entgegentreten muss. Sie pressten hoch und stellten Mittelfeld-Regisseur Pascal Groß zu. Die Dortmunder wollten ihr Aufbauspiel daher über die Außenverteidiger gestalten und in Person von Serhou Guirassy ihren Mittelstürmer nutzen, der die Bälle klatschen lässt. Guter Plan, schlechte Umsetzung. „Wir haben es nicht geschafft, zweite Bälle zu halten, die waren meist beim Gegner“, analysierte Torwart Gregor Kobel und präzisierte: „Nicht, weil Serhou schlecht abgelegt hat, sondern weil die Unioner präsenter waren. Wir müssen ein Stück dagegen halten.“ Und weiter: „Dass es mal zäh ist, ist kein Problem. Wir spielen alle drei Tage, kommen spät ins Bett, du reist viel, bist müde, es ist schwierig, alle drei Tage über 90 Minuten zu performen. Wir haben es aber nicht hinbekommen, diszipliniert zu sein und die Null zu halten.“ Sportdirektor Kehl bemängelte „viele Fehlpässe“ und „sehr viele Unkonzentriertheiten“. In Momenten, in denen Widerstand nötig ist, fehlt es an Führungsstärke.

BVB gehört derzeit nicht zu den Spitzenmannschaften

Das „Vertrauen in die Mannschaft und in das, was wir uns aufbauen wollen“, sei weiterhin da, so Kehl. Doch der nächste Rückschlag führt im Klub zu Frust und Ratlosigkeit, die besonders Nuri Sahin anzumerken waren. Dortmunds Trainer musste resigniert feststellen, dass es „nicht der richtige Zeitpunkt“ sei, um über seine Fußballphilosophie zu sprechen. Stattdessen gehe es „um nackte Ergebnisse“. Für Sahin, ein Freund des mitreißenden Spiels, wird es eine bittere Erkenntnis sein, dass er offensichtlich die Grundlagen nachschärfen muss. Fast so sehr wie sein Fazit, das implizierte, dass man nicht zu den Spitzenteams der Liga gehört. „Wenn man eine Top-Mannschaft sein will, geht es darum, dass man alle drei Tage Ergebnisse holt. Das kriegen wir gerade auswärts noch nicht hin.“ Vor fremdem Publikum hat der BVB gerade mal einen mickrigen Punkt in Bremen (0:0) erspielt und war vor Kurzem in Stuttgart (1:5) untergangen – mal wieder.

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Können ihre Enttäuschung nicht verbergen: (von links) Marketing-Geschäftsführer Carsten Cramer, Präsident Reinhold Lunow, Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender Geschäftsführung, Sport-Geschäftsführer Lars Ricken. © Max Ellerbrake / firo Sportphoto | Max Ellerbrake

In die Länderspiel-Pause, in der Sahin in Dortmund-Brackel nur mit wenigen Stammkräften wie Kapitän Emre Can und Julian Brandt üben wird, verabschiedete sich der Trainer mit dem Hinweis, „dass wir uns viele Gedanken machen werden“ und meinte damit vor allem die Arbeit an der defensiven Stabilität. Eigentlich aber ist die Aussage für mehr als nur diese Teildisziplin gültig.

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