München. Nach dem bestandenen Härtetest beim 1:1 gegen Meister Leverkusen fühlen sie sich beim FC Bayern trotz des verpassten Dreiers bestärkt.
Als beide Mannschaften hinterher vor die Tribünen traten und sich bei ihren Fans bedankten, besang jede Gemeinde den Titelgewinn. Der Anhang des FC Bayern interpretierte die verteidigte Tabellenführung und vor allem die drückende Überlegenheit im Topspiel gegen Bayer Leverkusen als Zeichen, dass die Meisterschale am Ende dieser Saison „nur der FCB“ gewinnen werde. Die Fans der Werkself verwiesen in ihrer umgehenden Antwort aus dem gegenüberliegenden Oberrang auf den Status quo und intonierten: „Deutscher Fußball-Meister SVB.“
FC Bayern München: Traumtor von Pavlovic
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Es passte zu diesem kampfbetonten 1:1 (1:1) im Gipfeltreffen der Bundesliga, dass die Kraftprobe nach dem letzten Gong eine Fortsetzung fand wie ein verbaler Schlagabtausch aus den Lagern zweier Schwergewichts-Boxer, die gerade ohne K.o. aus dem Ring gestiegen waren. Wie ein intensiver Faustkampf war schon die Partie dahergekommen. Bayerns Aleksandar Pavlovic hatte mit seinem Schuss aus rund 25 Metern und der Flugkurve eines brachialen Schwingers in der 39. Minute eine schnelle Antwort gefunden auf die rechte und verdeckte Gerade durch Robert Andrichs Flachschuss aus gut 18 Metern (31.). Dieser Schlagabtausch blieb jedoch die Ausnahme. Der amtierende Champion aus Leverkusen hatte nach seinem überraschenden Treffer wieder auf seine Deckung vertraut. Die Bayern bearbeiteten den Gürtelträger zwar unablässig. Doch Wirkungstreffer erzielten sie auch deshalb nicht mehr, weil ihnen die letzte Zuspitzung fehlte im Abwehrdickicht, aus dem Harry Kane humpelnd, aber laut Verein ohne ernsthafte Verletzung herauskam.
Es fügte sich ins Bild eines Ringkampfes, dass zwei Mittelfeldrackerer die Tore erzielt hatten. Eine elegante Samstagabend-Gala war in den Programmheften angekündigt worden. Doch der Vergleich der besten Mannschaften hierzulande geriet so schweißtreibend, dass sogar die jeweiligen Feinfüße rege Anteil nehmen mussten an der Maloche. Oder wie es Bayerns Trainer Vincent Kompany formulierte: „Die Künstler haben gearbeitet und die Arbeiter die Tore geschossen.“
Bayern München: Eberl wertet 1:1 als „ein Ausrufezeichen“
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Heraus kam ein Remis, mit dem beide Kontrahenten das Gesicht wahrten. Das große spielerische Spektakel war zwar ausgeblieben. Als Punktsieger konnten sich die Münchener dennoch fühlen. Und wäre es ein Boxkampf gewesen, hätte das Schiedsgericht sie zu Gewinnern erklären müssen. „Alles hat eigentlich gepasst – bis auf das Ergebnis“, sagte Sportdirektor Christoph Freund. „Das Einzige, was gefehlt hat, war der letzte Abschluss“, schränkte Max Eberl ein. Der Sportvorstand erkannte dennoch im Auftritt ein „Ausrufezeichen“ und eine Bestätigung für Kompanys Draufgängerstil. Er lobte zudem das diesmal sehr konzentrierte Innenverteidiger-Duo Min-jae Kim und Dayot Upamecano als „herausragend“ und „fehlerfrei“. So, sagte Eberl, würden viele Siege kommen.
Die Bayern konnten sich trotz der ersten Punktverluste bestärkt fühlen vom ersten bestandenen Härtetest der Saison. Die Statistik wies sie als klar überlegen aus – ob bei den Torschüssen (18:3), beim Ballbesitz (69:31 Prozent), bei der Quote der Zweikämpfe (55:45 Prozent) oder der angekommenen Pässe (90:74 Prozent). Hinzu kam der Eindruck, dass da elf Überzeugungstäter auf dem Platz gemeinsame Sache mit ihrem neuen Trainer machen, der erst angeheuert worden war, als Wunschkandidaten wie Leverkusens Xabi Alonso und Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick abgesagt hatten. Doch nun hat sich unter Kompany ein neuer Gemeinsinn entfaltet, ein Wir- oder Mia-san-mia-Gefühl, das in der vergangenen titellosen Saison unter Trainer Thomas Tuchel abhanden gekommen war. „Dieses Vertrauen, das haben wir wieder zurück“, sagte Manuel Neuer und verwies auf den durchweg dominanten Vortrag gegen die eigentlich spielstarken Leverkusener. Der Torwart führt das auf Kompany zurück. „Diese Sicherheit, die er uns gibt, jedem einzelnen, die merkt man“, sagte Neuer, „diese Verbindung, die wir auf dem Platz haben zueinander, die sieht man.“ Der Kapitän sagte, man sei „immer geschlossen“ und spiele „als Team“.
Bayern München: Neuer spricht über DFB-Rückkehr
Neuers Befund ist keine Kleinigkeit, sondern könnte sich als Nährboden für große Erfolge erweisen. Wie belastbar Kompanys körperlich und mental sehr fordernder Draufgängerstil auf Dauer ist, wie weit er durch den sehr belastenden Kalender trägt und ob am Ende Titel besungen werden können, ist aber längst nicht beantwortet. Die nächsten kniffligen Aufgaben warten schon, am Mittwoch bei Aston Villa, danach in Frankfurt sowie nach der Länderspielpause gegen Stuttgart und in Barcelona.
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Neuer sieht übrigens keinen Anlass, nach Marc-André ter Stegens Riss der Patellasehne und langem Ausfall über ein Comeback in der Nationalelf nachzudenken. „Jetzt auf gar keinen Fall“, sagte der 38-Jährige und hielt sich damit zumindest für die ferne WM-Zukunft einen kleinen Türspalt offen. Er verwies – in dieser Reihenfolge – auf Oliver Baumann, Alexander Nübel, Bernd Leno und Kevin Trapp und sagte: „Wir können unseren Torleuten vertrauen.“ Beim Länderspiel am kommenden Montag gegen die Niederlande wird Neuer als Fan auf der Tribüne der Münchner Arena sitzen.