Paris. Mihambo gewinnt trotz sichtlicher Folgen einer Corona-Infektion Olympia-Silber. Auch andere Athleten betroffen. Petros gibt im Marathon auf.

Malaika Mihambo hat müde Augen, doch sie lächelt wieder. Wie immer scheint sie in sich zu ruhen, wie sie da auf dem Podium im Deutschen Haus sitzt, über die Ereignisse von Donnerstagnacht spricht. „Ich fühle mich zwar nicht zum Bäume ausreißen, aber deutlich besser“, sagt sie. Das sind gute Nachrichten, denn die Weitspringerin hatte am Abend zuvor im Stade de France große Sorgen bereitet.

Vier Augen für Olympia

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    Es hätte der goldene Abend für die 30 Jahre alten Ausnahmeathletin werden können. Doch er endete in einem Drama. Malaika Mihambo hatte die Chance, als erste Weitspringerin der Geschichte bei zwei aufeinanderfolgenden Spielen die Goldmedaille zu gewinnen, sie hatte sich das zugetraut. Erst bei ihrem EM-Sieg im Juni hatte sie mit 7,22 Metern ein Ausrufezeichen an die Konkurrenz gesendet. Doch ihr Körper – und die an diesem Abend zu starke US-Amerikanerin Tara Davis-Woodhall – machten ihr einen Strich durch die Rechnung. In sechs Versuchen hatte sie sich alles abverlangt, sich jeden Sprung hart erarbeitet und mit 6,98 Metern die Silbermedaille gewonnen.

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    Auf der Ehrenrunde aber verließen sie die Kräfte. Als das Adrenalin verflogen war, konnte sie sich nicht mehr halten. In einem Rollstuhl und hyperventilierend wurde sie aus dem Stadion geschoben. Speerwerfer Julian Weber nahm die Szene während seiner ersten Interviews nach seinem sechsten Platz im Augenwinkel wahr. „Ich war kurz abgelenkt“, gestand er. Schlicht als „unangenehm“ bezeichnete Mihambo selbst die Situation. Panik habe sie keine gehabt. Denn sie kannte das alles schon. Wie vor zwei Jahren bei der Heim-EM in München, als sie ebenfalls Zweite geworden war, zeigten sich die Nachwirkungen einer Corona-Infektion in Atemnot und Husten: „Als die Anstrengung des Gehens vorüber war, wurde es besser.“

    Die Anstrengung des Gehens – wenn eine Spitzensportlerin, die sich zuvor in einem Olympischen Finale Höchstleistungen abverlangt hatte, so formuliert, zeigt dies die schwerwiegenden Beeinträchtigungen durch die Folgen der Corona-Infektion.

    Hustenanfälle und Probleme mit der Lunge

    Vor zwei Jahren hatte sie sich kurz vor der Heim-EM bei der WM in Eugene mit dem Virus infiziert. Diesmal hatte sie es sich von der EM in Rom im Juni mitgebracht. Zwar lagen diesmal fast zwei Monate und nicht nur wenige Tage zwischen den Wettkämpfen, „doch mich hat Corona viel schwerer erwischt als beim letzten Mal“, sagte Mihambo.

    Malaika Mihambo landet nach einem Sprung bei den Olympischen Spielen von Paris.
    Malaika Mihambo landet nach einem Sprung bei den Olympischen Spielen von Paris. © Getty Images | Patrick Smith

    Seit rund zwei Wochen habe sie immer wieder mit Hustenanfällen zu kämpfen, ihre Lungen funktionierten noch nicht wieder wie gewünscht. „Das hat psychisch sehr mürbe gemacht“, gab Mihambo zu. Sie spürte bereits: Ein Wettkampf über volle sechs Versuche? Schwierig. Doch nicht nur das kam so, schon in der Qualifikation hatte sie nach zwei Fehlversuchen über die volle Distanz von drei Sprüngen gehen müssen. „Es war zu viel“, urteilte sie ehrlich. Umso stolzer war sie über das Erreichte: „Das muss erstmal jemand schaffen, so gehandicapt an den Start zu gehen und da noch eine Silbermedaille rauszuholen. Für mich strahlt das auch sehr golden.“

    Corona erwischte mehrere Athleten rund um Olympia

    Trotzdem wäre Malaika Mihambo bei ihren dritten Spielen ein anderes Ende zu wünschen gewesen. In Tokio hatte sie zwar Gold gewonnen, aber mit den besonderen Bedingungen dieser Pandemie-Spiele gehadert. Paris sollte ein Gegenpol sein, doch nun hat Corona die Spiele wieder eingeholt.

    Vor Beginn hatten mehrere Athleten mit dem Virus zu kämpfen. Sprinterin Gina Lückenkemper zum Beispiel, Zehnkämpfer Manuel Eitel musste sogar ganz auf Olympia verzichten. Und dann ist da noch Noah Lyles. Der schillernde 100-Meter-Olympiasieger aus den USA wurde bereits am Dienstag positiv auf Covid getestet. Trotzdem entschied er sich dazu, über die 200 Meter, seine Paradedisziplin, am Donnerstagabend anzutreten. Seine Kollegen und Kontrahenten schützte er, indem er abseits der Bahn eine Maske trug. Seine Kräfte reichten so gerade zu Bronze. Er brauchte Hilfe, um aus dem Stadion zu kommen.

    „Grundsätzlich kann er dies nach derzeitigen Regeln tun“, sagt Wilhelm Bloch, Professor an der Sporthochschule Köln und Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin. „Ich sehe jedoch ein gesundheitliches Risiko.“ Bloch hat selbst an den Richtlinien mitgearbeitet, nach denen an Covid erkrankte Sportler ihre Rückkehr in den Leistungssport gestalten sollten.

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    Auch der frühere Wattenscheider Amanal Petros, der für den SCC Berlin startet, wurde von den Folgen einer Corona-Infektion ausgebremst. Beim Sieg des Äthiopier Tamirat im Marathon mit Olympia-Rekord von 2:06:26 Stunden gab 29-Jährige bei Kilometer 32 erschöpft auf. Die Infektion „vor zwei, drei Wochen“ habe seine bis dahin starke Form komplett zunichte gemacht. Im Rennen merkte er: Es geht nicht mehr. „Es tut mir leid, das war nicht meine Vorstellung von dem Rennen, aber als Profiläufer muss ich das akzeptieren und weitermachen“, sagte er. Gesundheitlich gehe es ihm zwar gut, aber „der Körper ist zerstört“. Blutuntersuchungen sollen zeitnah Auschluss geben, wie er wieder zu alter Stärke finden kann.

    „Ich halte Corona immer noch für eine gefährliche Erkrankung und es sollte weiterhin ernst genommen werden“, sagt Wilhelm Bloch und benennt die Folgen einer zu schnellen Belastung nach einer Infektion: „Neben akuten Risiken, die das Herzkreislaufsystem und die Lunge betreffen, kann es auch zu längerfristigen Schädigungen der Systeme kommen und grundsätzlich auch ein erhöhtes Risiko für Post-Covid.“

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      Auch angesichts der Bilder von Malaika Mihambo würde er die Belastung als zu hoch einschätzen. Jedoch: „Aus der Sicht des Sportlers kann ich verstehen, dass bei einem solchen großen Wettkampf die Entscheidung für eine Teilnahme getroffen wird.“

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