Paris. Großer Leichtathletik-Abend bei Olympia in Paris. Weitspringerin Malaika Mihambo und Speerwerfer Julian Weber wollten Gold. So lief es.
Malaika Mihambo hatte Liebe mitgebracht. Mit ihren Fingern formte sie ein Herz und schickte Luft-Küsschen ins Publikum als sie am Donnerstagabend das Stade de France betrat. Julian Weber ließ eine große Portion Power folgen. Selbstbewusst zeigte er die Siegerfaust und forderte mit schwungvollen Armbewegungen die Unterstützung des Publikums. Und die rund 70.000 Zuschauer reagierten. Alles war bereit für eine große Show.
Mihambo und Weber hatten sich Großes, beziehungsweise Weites vorgenommen für diesen Leichtathletikabend bei den Olympischen Spielen von Paris. Der 29-Jährige mit dem Speer, die 30-Jährige in der Weitsprunggrube. Doppel-Gold für Deutschland – so war die Hoffnung. Am Ende wurde es Silber für Mihambo, Weber ging als Sechster leer aus.
Malaika Mihambo mit Rollstuhl durch Innenraum des Stadions geschoben
Und dann verließen Mihambo die Kräfte: Mit einem Rollstuhl wurde sie von Helfern durch den Innenraum des Stade de France geschoben. Zuvor war zu sehen gewesen, wie die 30 Jahre alte Europameisterin bei ihrem Trainer Ulli Knapp weinte. Sie zeigte sich zudem geplagt auf den Hals. Nach ihrem EM-Titel vor zwei Monaten war Mihambo von einer Corona-Infektion ausgebremst worden. Die Nachwirkungen habe sie offenbar noch gespürt, erklärte Knapp später. Zunächst hatte sich die Silbergewinnerin noch mit der Deutschland-Fahne gefreut und eine Medaille bejubelt.
Später konne Mihambo selbst Entwarnung geben. „Mir geht es jetzt besser“, erklärte sie knapp zwei Stunden nach dem Wettkampf. „Ich fühle mich immer noch müde und erschöpft“, sagte Mihambo, sie habe seit ihrer Covid-Infektion Probleme mit der Lunge und beim Atmen gehabt. „Ich musste die ganze Zeit irgendwelche Atemübungen machen, weil ich sonst den Wettkampf gar nicht überstanden hätte“.
„Ich bin wirklich stolz auf mich, was ich mit all dem erreicht habe“, sagte sie schließlich, „und ich freue mich einfach darauf, wieder völlig gesund zu sein und wieder in einer guten Form an Wettkämpfen teilzunehmen.“
Oft hatte Malaika Mihambo im Vorfeld von der inneren Meisterschaft gesprochen, die sie am Weitsprung noch immer reizte, obwohl sie längst alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Sie wolle die Grenzen dessen ausloten, was sie zu leisten im Stande ist, der Traum vom perfekten Sprung. In Paris gelang ihr dieser nicht. Die US-Amerikanerin Tara Davis-Woodhall war nicht zu schlagen, mit 7,10 Metern gewann sie Gold. Bronze ging an ihre Landsfrau Jasmine Moore (6,96). Mihambo verpasste es damit, als erste Weitspringerin den Olympiasieg bei zwei aufeinanderfolgenden Spielen zu gewinnen. „Das wäre natürlich sehr schön. Ich traue es mir auch zu, aber erst mal geht es um den Wettkampf“, hatte die zweimalige Welt- und Europameisterin zuvor gesagt.
Kein goldener Schlusssprung für Malaika Mihambo
Anders als bei ihrem Olympiasieg 2021 in Tokio sollte Mihambo es diesmal nicht gelingen, das Goldruder noch im letzten Versuch umzureißen. Statt eines Satzes über sieben Meter musste das Mentalitätswunder, das schon so oft den Schlüssel zum Erfolg in ihrem Innern gefunden hatte, den finalen Versuch abbrechen, der Anlauf zum Brett passte nicht. Über ihre 6,98 Meter aus dem fünften Sprung kam sie nicht hinaus. Danach pumpte sie erstmal ordentlich durch.
In der Vorbereitung hatte eine Corona-Infektion die Heidelbergerin wie schon vor der EM 2022, bei er der sie ebenfalls Silber gewann, zurückgeworfen. Eingefangen hatte sie sich diese nach der EM in Rom, bei er sie mit einem spektakulären Satz auf 7,22 Metern – der zweitbesten Weite ihrer Karriere – die Konkurrenz klar dominiert und ein Ausrufezeichen Richtung Paris gesetzt hatte. „Das war jetzt wirklich nicht optimal“, hatte sie nach der Qualifikation gesagt. Sie habe „nicht so gut regenerieren“ können, „das Training war anstrengend“, sie musste „weniger“ machen als geplant. Vor dem Finale war gar nicht klar, ob Mihambo sechs Sprünge würde machen können. Auch diesmal nahm ihr die Infektion die Kraft für den nächsten großen Triumph.
Bitterer Olympia-Abend für Speerwerfer Julian Weber
Julian Weber musste an einem für ihn bitteren Abend miterleben, wie andere die ganz große Speerwurfshow ablieferten. Vizeweltmeister Arshad Nadeem aus Pakistan ließ sein Sportgerät gleich im zweiten Versuch auf 92,97 Meter fliegen – olympischer Rekord. Nur fünf Athleten warfen je weiter als der 27-Jährige, der für sein Heimatland das erst vierte Gold der Olympia-Geschichte holte. Silber ging an Tokio-Olympiasieger Neeraj Chopra (Indien/89,45), Bronze holte Anderson Peters aus Grenada (88,54). Webers 87,40 Meter reichten nur zu Platz sechs.
„Es wäre natürlich ein Traum, eine Medaille mitzunehmen“, hatte Weber vor dem Finale gesagt. Es klang bereits wie eine Beschwörung. Einmal war er bei Olympia, zweimal bei Weltmeisterschaften denkbar knapp an Edelmetall vorbeigeschrammt. In Tokio, Eugene und Budapest war er auf dem undankbaren vierten Platz gelandet. Bewiesen, dass er Medaillen bei Großereignissen gewinnen kann, hatte er bereits: Bei der Heim-EM 2022 in München ließ er seinen Speer am letzten Tag zum Sieg fliegen. Eine Wiederholung verpasste er im Juni in Rom jedoch – im letzten Wurf schob sich der Tscheche Jakub Vadlejch jedoch an ihm vorbei. Und auch in Paris konnte er seinen Fluch auf Weltebene nicht brechen.
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Mit der zweiten Medaille bei diesen Spielen konnte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) zwar sein schlechtestes Olympia-Ergebnis von Peking 2008 mit nur einer Silbermedaille verhindern. Nach jeweils Silber für Mihambo und Zehnkämpfer Leo Neugebauer droht jedoch ziemlich sicher ein Aufritt ohne Goldmedaille. In den noch ausstehenden Wettbewerben hat Deutschland maximal Außenseiterchancen im Kugelstoßen der Frauen und mit den Staffeln. 2021 hatte es in Tokio neben dem Olympia-Sieg von Mihambo jeweils Silber für Geher Jonathan Hilbert und Diskuswerferin Kristin Pudenz gegeben.