Paris. Das deutsche Beachvolleyball-Duo vom Eimsbütteler TV zeigt bei Olympia in Paris seine bislang stärkste Verfassung. Sie verbindet viel.
Nils Ehlers musste Clemens Wickler ein Geständnis machen. In einer guten Beziehung, wie sie die beiden pflegen, kann man sich alles sagen. Also gab Ehlers nach verrichteter Arbeit zu, doch ein klein wenig nervös gewesen zu sein. Wickler, mit 29 ein Jahr jünger, aber im Beachvolleyball an hochklassigen Erfahrungen reicher, verzieh seinem Spielpartner.
Er sei selbst nervös gewesen. „Außerdem haben wir ja noch nicht so oft im Viertelfinale von Olympischen Spielen gestanden“, sagte Wickler und kitzelte Ehlers damit: „Noch nie! Du Arroganter, tust hier so, als würdest du ständig in solchen Matches auflaufen.“ Dann grinsten sich die für den Eimsbütteler TV spielenden Hamburger an. Nun brauchen sie nicht mehr über Viertelfinalteilnahmen zu frotzeln, sie stehen nach dem 2:0 (22:20, 21:15)-Sieg gegen die Niederländer Stefan Boermans/Yorick de Groot im Halbfinale von Paris, spielen um eine Medaille.
Olympia: Beachvolleyball-Duo Nils Ehlers/Clemens Wickler steht im Halbfinale
Vor gut fünf Wochen hatten sie daran nicht mehr denken wollen. „Einen Monat vor Olympia mussten wir uns vom Medaillenziel entfernen. Es hat einfach zu viel Druck für uns erzeugt. Von da an war es unser Plan, einfach jedes Spiel zu genießen“, sagt Ehlers. Selbst über einen vierten Platz wäre er letztlich unheimlich stolz. Dem widerspricht Wickler, der 2021 an der Seite von Julius Thole im olympischen Viertelfinale von Tokio gescheitert war, freilich: „Das ist fürs Halbfinale die falsche Herangehensweise.“
Ein Genuss sind die Partien von Ehlers/Wickler bislang vor allem für die Zuschauer im Eiffel Tower Stadium. Sämtliche fünf Begegnungen gewannen sie, ihre Auftritte wirken sehr stabil. Während der spielintelligente und sprunggewaltige Abwehrspieler Wickler auf konstant hohem Niveau überzeugt, hat sich besonders 2,10-Meter-Blocker Ehlers zuletzt stark in der Annahme verbessert.
Ehlers: „Viele bittere Niederlagen auf unserem Weg“
„Wir arbeiten unheimlich viel an uns. Es gab auch viele bittere Niederlagen, die uns runtergerissen haben. Trotzdem stehen wir hier, das macht mich stolz“, sagt Ehlers. Wie viel Druck nach dem überstandenen Viertelfinale dennoch vom Duo abfiel, war unmittelbar nach dem Matchball, einem Netzaufschlag der Holländer, zu sehen.
Wickler sprang Ehlers in die Arme, der Große hob den 1,91 Meter „Kleinen“ an, sie hielten die Pose für einige Sekunden. Zwischen beiden existiert längst mehr als nur eine Arbeitsbeziehung, sie sind eng befreundet. Später tanzten sie noch zum primitiven Ballermann-Schlager „Johnny Depp“. Wie Trottel haben sie sich in Paris, ungeachtet des späteren Ausgangs, keineswegs angestellt.
Seit den Olympiasiegern Julius Brink/Jonas Reckermann war kein Männer-Duo mehr im Halbfinale
Ihr Trainer Thomas Kaczmarek (38) hatte ihnen im Vorwege gesagt, bei einem olympischen Turnier zeige wegen des immensen Drucks niemand seine beste Leistung. Sie sollten nicht zu selbstkritisch sein. Aber das braucht es gar nicht, denn der gebürtige Berliner Ehlers und der aus Starnberg stammende Wickler haben ihr Spiel in Frankreich auf ein bis dato nicht gesehenes Niveau angehoben.
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Das erste deutsche Männer-Duo, das seit den Olympiasiegern Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 in London in einem olympischen Halbfinale steht, sind sie bereits. Am Donnerstagabend kann der Schritt zur Medaille folgen. Vor allem Ehlers kann entspannt in die Partie gehen. Er weiß nun, dass ihm Wickler nicht böse sein wird, sollte er nervös sein.