Paris. Geschlechterparität gehört zu den Idealen der Spiele. Im Synchronschwimmen dürften erstmals Männer mitmachen, doch es ist keiner dabei.

Bislang stand die Grazie im Vordergrund, die Eleganz der Bewegungen, die Synchronität, die Ausstrahlung. Nun aber, wenn am Mittwoch die Medaillen vergeben werden, kommt die Kraft ins Spiel. Akrobatische Elemente entscheiden in der dritten Kür der Teams darüber, wer im Synchronschwimmen die höchsten olympischen Ehren erlangen kann.

Eines steht schon vorher fest, erstmals seit 1996 wird das Gold nicht nach Russland gehen. Die dominierende Nation ist ausgeschlossen aufgrund des Krieges in der Ukraine, die Tür zum Gold steht dadurch anderen offen. Geöffnet wurde sie vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für die Spiele von Paris auch zum ersten Mal für Männer in der wohl weiblichsten aller Sportarten der olympischen Agenda.

Nur Synchronschwimmen und Rhythmische Sportgymnastik sind noch eingeschlechtlich

Wer die Startlisten durchsucht, sich die Teams anschaut, die im Aquatics Centre ihre Kunststücke über und unter Wasser vollbringen mit dem möglichst perfekten Lächeln, der stellt allerdings fest, dass das Synchronschwimmen eine große Niederlage darstellt für die Ideale und Ziele des IOC.

Stolz verkündete Präsident Thomas Bach bei der Eröffnungsfeier in Richtung der französischen Organisatoren: „Sie erwecken unsere Reformen der olympischen Agenda zum Leben, indem Sie diese Spiele weithin öffnen. Wir alle werden Olympische Spiele erleben, die inklusiver, urbaner, jünger und nachhaltiger sind – die ersten Olympischen Spiele mit vollständiger Geschlechterparität.“ Nur eben beim Synchronschwimmen scheiterte der Versuch geradezu kläglich. Bei der Rhythmischen Sportgymnastik wurde er gar nicht erst unternommen.

Starker Italiener beendet enttäuscht seine Karriere

Frithjof Seidel ist der beste deutsche Synchronschwimmer. Der 27-Jährige war in Paris, als Tourist und Sportfan, er schaute sich verschiedene Wettkämpfe an. „Ich finde das schade, ich denke auch, dass es das falsche Zeichen ist. Wenn die Chance besteht, für Gleichberechtigung zu sorgen, sollte sie auch wahrgenommen werden“, sagt der Berliner. Ihm selbst war lange klar, dass er noch nicht so weit wäre, mit dem Team (Deutschland hat sich nicht qualifiziert) anzutreten, in dem zwei Männer starten dürften. Obwohl er bereits EM-Medaillen gewann mit der Mannschaft.

Andere Nationen hatten aussichtsreiche Kandidaten. Bill May (USA) oder Giorgio Minisini (Italien), doch auch sie ließ man daheim. Beide sind Pioniere, Vorkämpfer dafür, in dieser Sportart, die so lange einem Geschlecht vorbehalten war, für Veränderungen zu sorgen. Als das IOC Ende 2022 endlich die Männer für das Team zuließ, kannte die Freude keine Grenzen. „Wir werden eine Show zeigen, die noch keiner gesehen hat“, sagte May.

„Wenn die Chance besteht, für Gleichberechtigung zu sorgen, sollte sie auch wahrgenommen werden.“

Frithjof Seidel
Synchronschwimmer

Wie Minisini wurde er kurz vor den Spielen aussortiert. Der Italiener beendete daraufhin tief getroffen seiner Karriere. Weil dem Verband der Mut fehlte, Barrieren zu durchbrechen und dafür ein Risiko einzugehen. „Ich glaube, es ist einfach noch nicht die Zeit dafür. Der Sport entwickelt sich gerade noch sehr stark“, so Seidel.

Anmut und Grazie, da haben die Frauen deutliche Vorteile gegenüber den Männern.
Anmut und Grazie, da haben die Frauen deutliche Vorteile gegenüber den Männern. © Getty Images | Quinn Rooney

Bundestrainerin Stephanie Marx kann die Gründe nachvollziehen, warum kein Verband die Möglichkeit nutzte, voranzugehen, die Ausgrenzung eines Geschlechts zu beenden. Wenn lediglich ein Mann im Becken sei, würden die Wertungsrichter nur auf ihn schauen. „Und wenn er erst mal einen Fehler macht, bleiben die Blicke erst recht bei ihm. Das erhöht die Gefahr, dass das Team ein Base Mark mit entsprechendem Punktabzug bekommt“, so Marx zum Fachmagazin „Swim&More“. Bei reinen Frauenteams liege der Fokus nicht auf einer einzigen Person.

Viele der jetzigen Synchronschwimmer sind wie Seidel, der vom Wasserspringen kommt, Quereinsteiger. „Gerade in der technischen Kür und der freien Kür im Team fallen Männer noch sehr auf“, erzählt Seidel. In der akrobatischen Kür aber bringt ihre Kraft die Athleten besser zur Geltung. Was alles etwas weniger interessant wäre, hätte das IOC konsequenter gehandelt bei der Zulassung der Männer.

Sportler hoffen in Zukunft auf ein Mixed-Duett

In etlichen Sportarten finden sich mittlerweile Mixed-Teams oder Duette, die um Medaillen kämpfen. Überall sucht das IOC nach Wegen, Männer und Frauen gemeinsam antreten zu lassen. Etliche gemischte Staffeln gibt es, in Paris sogar erstmals im Gehen. Selbst im Judo treten Mixed-Teams ab. Nirgends wäre es sinnvoller gewesen, diese einzuführen, als beim Synchronschwimmen, wo Mixed-Duette seit Jahren zum WM-Programm zählen. Sie hätten den Platz der Frauen-Duette, die nach den Teams dran sind, einnehmen können.

Die halbherzige Umsetzung einer an sich guten Idee dürfte nach Paris für neue Diskussionen sorgen. Seidel hofft, dass es die letzten olympischen Auftritte des Synchronschwimmens ohne Männer sind: „Man sieht gerade viele aufstrebende Athleten, die die Quereinsteiger verdrängen.“ Die Qualität steigt und nährt die Zuversicht, dass die Gleichberechtigung sich durchsetzt.