Paris. Als 14-Jährige ging es der Berlinerin in Tokio bei der Olympiapremiere um Aufmerksamkeit, mit 17 will sie etwas anderes erreichen.
Diesmal hat die Medaille zwei Seiten. Druck passt nicht richtig in diese Szene, deshalb lehnt Lilly Stoephasius es ab, sich alles zu nah gehen zu lassen. Skateboardfahren ist Spaß, ist Gemeinschaft. Aber die Berlinerin trägt selbst Schuld daran, dass dieser Sport inzwischen ebenso ernsthaft betrachtet wird. Dass es um viel geht. Sie will auch viel, ins Finale mindestens: „Sonst werde ich schon enttäuscht sein.“ Der Spaßfaktor würde tief sinken.
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Das wäre schade, denn sie will diese Olympischen Spiele aufsaugen. Die Atmosphäre genießen, die die Zuschauer am Place de la Concorde erzeugen. Tokio hat Stoephasius als ganz schön sterile Angelegenheit in Erinnerung, Corona dominierte alles, die Angst vor dem positiven Test war stets präsent. „Nicht wegen der Krankheit, sondern weil ich dann nicht hätte teilnehmen können“, erzählt sie bei „Helden der Hauptstadt“, dem Podcast des Olympiastützpunktes Berlin und der Morgenpost.
Skateboardfahren gehört zum Verjüngungsprozess von Olympia
Sie hatte Glück, konnte ihre Tricks zeigen. Das war ihr ganz wichtig, denn große Ziele nahm die Berlinerin damals schon mit zu den Spielen. Andere aber, und viele konnte sie erreichen. „Der Erfolg ist messbar“, sagt sie. Erstmals gehörte Skateboardfahren 2021 zum olympischen Kanon, als Teil der Verjüngung der Spiele, der Modernisierung des angestaubten Images.
Für Stoephasius ein bewegender Moment. „Ich war sehr stolz und froh, dass ich dabei sein konnte“, so die Berlinerin. Das Feedback fand sie damals schon toll. Schließlich gefiel es nicht allen, dass dieser Sport, diese Szene, dieser Lifestyle auf einmal in feste Strukturen gepresst wurde, um den olympischen Normen zu entsprechen. Doch die Premiere kam gut an, selbst bei den Kritikern.
Tokio hat geholfen, die Sportart bekannter zu machen
Die gibt es zwar immer noch. „Allerdings hat sich generell das Bild geändert, viele sagen, dass es Sinn macht, dass Skateboardfahren bei den Spielen dabei ist“, erzählt Stophasius. Viele Skater bemerken, welcher Wandel dadurch angestoßen wurde. Die Bedingungen verbessern sich allgemein. Noch nicht überall gleichermaßen, aber die Fortschritte durch die gestiegene Aufmerksamkeit, die Professionalisierung und die größere Unterstützung führen immer mehr junge Leute auf das Board.
„Zum Glück hat Skateboardfahren in einer anderen Stellenwert so unserer Gesellschaft erreicht“
Darum ging es der Berlinerin. „Zum Glück hat Skateboardfahren einen anderen Stellenwert in unserer Gesellschaft erreicht. Wir haben ein paar Skateparks dazubekommen, ein paar wurden verbessert. Ich merke auch, dass mehr Mädchen zum Skateboardfahren kommen“, sagt Stophasius, die in Tokio 14 Jahre alt war, fast noch ein Kind, die Jüngste im deutschen Team, aber sich fühlte, als sei sie auf einer Mission.
Nun ist sie 17, erlebt ihre zweite Olympiateilnahme in einem Alter, in dem andere von der Premiere unter den Ringen nur träumen dürfen. „Ich muss tatsächlich sagen, dass es nicht so besonders ist“, erzählt sie. Im Feld der Kolleginnen gehört Stoephasius jetzt zu den Älteren, obwohl sie immer noch eine der jüngsten Sportlerinnen im deutschen Team ist. Erfahrung hat sie so oder so gesammelt, was die Perspektive nun ein bisschen verändert im Vergleich zu Tokio.
Damals musste sie kämpfen, um es zu den Spielen zu schaffen. Wo sie mit Rang neun ihre bis dahin beste Platzierung erreichte, aber das Finale verpasste. Jetzt lief alles ziemlich locker. „Damals war ich noch nicht auf dem Level“, sagt die Berlinerin, die inzwischen sportlich wie menschlich viel reifer ist: „Ich würde schon sagen, dass mein Repertoire sich auf jeden Fall vergrößert hat und um etwa 20 Prozent gewachsen ist.“ Vieles sitzt vor allem sicherer. Was ihre vierten Plätze in der olympischen Disziplin Park, mit der sie am Dienstag dran ist, bei den vergangenen X-Games gut dokumentieren.
Die Berlinerin reist jetzt viel allein durch die Welt
Zu solchen Großevents kommen die Eltern, ihr Vater Oliver trainierte sie auch, immer noch mit. Doch die Zeit ist knapp, deshalb reist die Schülerin mittlerweile häufig allein zu Wettkämpfen. Bis zu drei Wochen war sie in der Vorbereitung unterwegs. „Ich war schon immer jemand, auch als ich noch klein war, der sehr organisiert war, eher zurückhaltend, und immer sehr gut auf mich allein aufpassen konnte“, sagt die Skateboarderin, die sich in ihrer Szene gut aufgehoben fühlt, weil die Gemeinschaft weiterhin sehr stark ausgeprägt ist.
Das macht die langen Reisen weniger einsam. „Skateboarder sind unglaublich nette Menschen, die einen unterstützen“, erzählt die Berlinerin, die in Paris aber trotzdem ihre eigenen Interessen verfolgen will. Das Finale sollte schon drin sein, um nicht den Spaß für einen Moment aus den Augen zu verlieren.