Paris. Bei Olympia schneiden die Beckenschwimmer so gut ab wie seit 2008 nicht mehr. Doch ein großer Makel legt sich über die schöne Bilanz.

Dieser Eindruck am vorletzten Tag der Wettbewerbe legte sich wie ein schwerer Schleier über das Team. An sich brachte diese Woche in der La Dafense Arena so viele gute Nachrichten für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV), doch dieser Vorlauf über 1500 Meter Freistil von Florian Wellbrock (26) ging an niemandem einfach so vorbei. „Ich bin sehr betroffen davon, das muss man so sagen“, erzählte Bundestrainer Bernd Berkhahn.

Ein unerwarteter Einbruch des langjährigen Vorschwimmers, der auch über 800 Meter das Finale verpasste, trübt nun eine sonst bemerkenswerte Bilanz. Das Vorlauf-Aus, bei dem der sechsfache Weltmeister fast eine halbe Minute über seiner Bestzeit blieb trotz bester körperlicher Verfassung, beschäftigt Sportler und Coach. „Wir haben alle dran geglaubt, dass er richtig was draufhat“, sagte Berkhahn, der deshalb auch seine Arbeit in Zweifel zieht.

Märtens und Gose ragen heraus im deutschen Team

Zumindest im Einzelfall, denn mit dem Blick auf die Gesamtdarbietung bleibt für den DSV ein Ergebnis im Becken zu konstatieren, das der Verband in dieser Form seit 2008 nicht mehr erzielen konnte. Viele in der von Berkhahn betreuten Mannschaft wuchsen über sich hinaus und verleiten den Coach dazu, die Maßstäbe anzupassen. „Da stellt sich fast eine Routine ein, das Anspruchsdenken wächst“, so der Bundestrainer, der sich über 17 Finalteilnahmen freuen konnte.

Damit erreichten die deutschen Schwimmer mehr als doppelt so viele Endläufe wie noch bei den Spielen 2021 in Tokio (acht). Diese Steigerung binnen drei Jahren ist ein klares Indiz dafür, dass die Entwicklung sehr positiv verläuft. Vor allem bei Lukas Märtens (22), der mit dem Olympiasieg über 400 Meter Freistil den größten Erfolg errang. Aber genauso bei Isabel Gose (22), die sich Bronze über 1500 Meter Freistil sicherte.

Potenzial auch bei vielen anderen Athleten gewachsen

Während Märtens dieser Triumph zugetraut wurde, zeigte Gose, dass sie in den vergangenen Monaten gereift ist. Ihre beiden fünften Plätze über 400 und 800 Meter lasen sich ebenfalls sehr positiv. „Ich finde, dass sie mit ihrer Entwicklung noch nicht am Ende ist. Ihr Trainingswille ist unglaublich, sie hat noch viele Reserven“, erzählt Berkhahn und kann das auf viele andere Athleten erweitern.

„Ich hoffe, dass Leonie da ohne irgendwelche Folgen oder weitere Beschwerden rauskommt, so wie alle weiteren Sportler.“

Lukas Märtens
Olympiasieger

Das Potenzial wurde auch in den Staffeln ersichtlich, alle Männer-Teams schwammen ins Finale. Erstmals seit 1992 erreichte in Josha Salchow (25) wieder ein Deutscher über 100 Meter Freistil ein Finale bei Olympia. Einige historischen Marken konnten gesetzt werden, einige deutsche Rekorde verbessert. Schwimmlegenden wie Michael Groß, 1988 zuvor letzter Olympiasieger im Becken, erkannte in den Ergebnissen von Paris ein wichtiges Zeichen für den Schwimmsport in Deutschland.

Weitere Medaillenhoffnungen im Freiwasser

Der kann nun bei den Spielen eine weitere Aufwertung erfahren, schließlich stehen die Wettkämpfe im Freiwasser noch bevor. Wobei sich Märtens dabei schon um seine Kollegen sorgt: „Ich hoffe, dass Leonie da ohne irgendwelche Folgen oder weitere Beschwerden rauskommt, so wie alle weiteren Sportler.“ Leonie Beck (27) geht am Donnerstag als Medaillenkandidatin an den Start, doch die Probleme mit der extrem verschmutzten und sehr stark fließenden Seine lassen ein äußerst schwieriges, kaum vorhersehbares Rennen erwarten.

Auch für Florian Wellbrock, der wie Beck 2023 Doppelweltmeister war und am Freitag dran ist, nun aber in der wohl schwierigsten Situation seiner Karriere steckt. Berkhahn will ihn wieder aufbauen. „Das geht jetzt von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag“, sagt er und hofft, dass Wellbrock noch mit einem anderen Eindruck aus diesen Spielen gehen kann.