Berlin. Der neue Europameister vereint Spielkultur und Erfolg. Dies wird anderen Nationen die Augen öffnen. Sie müssen sich verändern. Ein Kommentar.
Mit dem Fußballgeschmack ist das so eine Sache. Auf der einen Seite sehnen sich die Fans nach Spektakel, wilden Torfestivals, auf der anderen Seite sollen die eigenen Farben natürlich gewinnen, da kann die Art und Weise in den Hintergrund rücken. Real Madrid macht seit Jahren vor, dass man nicht die ausgetüftelste Spielweise braucht, um immer wieder den Champions-League-Pokal in den Himmel zu heben.
Spanien hat einen Kontrapunkt gesetzt, und man sollte der Elf von Trainer Luis de la Fuente dafür danken. Der neue Europameister vereint Spielkultur und Rasanz, er hat bewiesen, dass sich ein großes Turnier auch durch Mut gewinnen lässt. Das wird anderen großen Nationen die Augen öffnen. Frankreich legt das Augenmerk seit Jahren auf die defensive Stabilität, trotz der vielen hochtalentierten Fußballer, die dem Weltmeister von 2018 zur Verfügung stehen. England zieht sich meist zurück. Die Niederlande treten vor allem pragmatisch auf. Dies ist nicht verboten, aber um Spanien in den kommenden Jahren zu schlagen, müssen die anderen Nationen variabler, mitreißender werden.
Dröger Fußball, kein Titel: In Frankreich stellt sich eine Sinnfrage
Es gibt Mannschaften, die definieren sich über den Erfolg, nicht über die Art und Weise, wie sie sich auf dem Platz bewegen. Das hat nur eine Schattenseite: Bleibt der Erfolg aus, dann bleibt nichts übrig, was diese Auswahl charakterisiert.
In Frankreich, so erfährt man das aus dem deutschen Nachbarland, wird gerade darüber diskutiert, ob die Herangehensweise von Trainer Didier Deschamps verändert werden muss. Die Einschaltquoten sind zurückgegangen, viele langweilen sich angesichts der zaghaften Auftritte. Vor allem, wenn trotzdem die Titel ausbleiben. Maue Leistungen können wütend machen. Gareth Southgate musste nach der holprigen Gruppenphase fliegenden Bierbechern ausweichen, als England das Endspiel erreichte, war alles wieder gut. Aber auch das Mutterland des Fußballs braucht dringend mehr Spielkultur, um die Wahrscheinlichkeit auf den ersehnten Titelgewinn zu erhöhen.
Deutschland sollte seinen Mut unter Bundestrainer Julian Nagelsmann behalten
Und Deutschland? Der Gastgeber hatte mit der Entscheidung nichts zutun, aber Spanien im Viertelfinale am Rande einer Niederlage. Bundestrainer Julian Nagelsmann sollte und kann den neuen Titelgewinner nicht kopieren. Aber ihren Mut darf die deutsche Nationalelf gerne behalten; er hat die Mannschaft und ihre Fans wieder zueinanderfinden lassen.