Essen. Spanien, die beste Mannschaft der EM 2024, ist verdient Europameister – auch weil ein unterschätzter Trainer einen klaren Plan umsetzen.

45 Minuten lang war es eine zähe Angelegenheit, 45 Minuten konnte man sagen: Diese Europameisterschaft bekam das Finale, das sie verdiente. Der Fußball war ja oft nur mittelmäßig gewesen, bestenfalls, viele Spieler ausgelaugt nach einer langen Saison, viele Mannschaften vor allem bedacht auf Absicherung des eigenen Tors – vorweg die Engländer, die mit äußerst uninspirierten Auftritten den Weg in dieses Endspiel gefunden hatten. 45 Minuten also sahen die Zuschauer ein intensives Endspiel ohne echte Höhepunkte, die Statistiker notierten zwar 5:3 Torschüsse für England, die meisten davon aber waren geblockte Versuche aus der Distanz.

In der zweiten Halbzeit dauerte es dann dafür nicht viel mehr als 45 Sekunden, bis die beste Mannschaft des Turniers endlich ihre Kunst darbot, bis die Spanier einen wunderbaren Spielzug auf den Rasen malten, bis der erst 16-jährige Lamine Yamal einen sehr, sehr klugen Pass spielte und der ebenfalls noch sehr junge Nico Williams (22) eiskalt abschloss. Darin steckte alles, was diese Mannschaft auszeichnet: brillante, technisch starke Einzelkünstler, die am Ball alles können und dabei auch noch außergewöhnlich gut miteinander harmonieren. Diese Mischung hat Spanien besser hinbekommen als jede andere Mannschaft bei der EM 2024.

England bewies wieder Moral und Resilienz - aber Spanien war besser

Auf der Gegenseite eine Mannschaft, die ins Finale eingezogen war, ohne ein einziges Mal voll zu überzeugen, die in jedem K.o.-Runden-Spiel in Rückstand geraten war, nun auch im Finale – die aber jedes Mal noch ausglich. Auch das ist eine Qualität, das ist vor allem ein Zeichen von Moral und Resilienz. Und doch war Spanien natürlich die bessere Mannschaft und ist höchst verdient Europameister geworden.

Und das, obwohl vor dem Turnier niemand diese Spanier so richtig auf dem Zettel hatte, als ganz große Favoriten wurden Frankreich und England genannt, dann vielleicht noch Gastgeber Deutschland und Titelverteidiger Italien. Sie alle hat Spanien besiegt. Verdienter kann ein Titel nicht sein, die Mannschaft hat es allen Zweiflern gezeigt – und ihr Trainer auch.

Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente zeigte es allen

Es hatte ja keinesfalls Begeisterungsstürme ausgelöst, als Luis de la Fuente im Januar 2023 als Nachfolger von Luis Enrique vorgestellt wurde. Er hatte noch nie einen Topklub trainiert, er hatte keine Erfahrung im Umgang mit Weltstars, dafür aber eine enge Beziehung zum damaligen Skandal-Präsidenten des spanischen Verbands, Luis Rubiales, der später mit wegen des Kuss-Eklats mit Nationalspielerin Jenni Hermoso zurücktreten musste. Als de la Fuentes dann auch noch erste unpopuläre Entscheidungen traf, als er etwa den langjährigen Abwehrchef Sergio Ramos, eine Ikone des spanischen Fußballs, einfach nicht mehr berücksichtigte, schäumten Medien und Experten.

EM 2024: Spanien ist Europameister - News und Hintergründe

Dem Trainer war’s egal, er baute weiter unverdrossen an einer neuen spanischen Mannschaft, baute junge Talente wie Yamal und Williams ein, die er aus seinen Jahren als Nachwuchstrainer im Verband bestens kannte. Und er entwickelte den spanischen Fußball weiter, mischte dem Tiki-Taka, dem manchmal endlosen Ballkreiseln. Der EM-Titel ist die folgerichtige Belohnung.