Essen. Die EM 2024 neigt sich dem Ende entgegen; Profis wie Nico Williams sind ins Scheinwerferlicht getreten. Erhöht dies den Preis?
Wenn man einen Spieler hervorheben möchte, der die Europameisterschaft 2024 genutzt hat, um die europäische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, dann landet man schnell bei Nico Williams. Im Alltag ist dieser bei Athletic Bilbao beschäftigt, ein spanischer Erstligist, der selten Schlagzeilen über die Landesgrenze hinaus produziert. Jetzt aber, da sich Williams zu einem Blickfang des Turniers entwickelt hat, diskutiert die Öffentlichkeit über die Zukunft des 22-jährigen Technikers des Finalisten Spanien.
„Er ist einem unkontrollierten Bombardement von Fragen zu seiner Zukunft ausgesetzt“, beschwerte sich Bilbao-Präsident Jon Uriarte. Vor allem der FC Barcelona macht keinen Hehl daraus, Williams verpflichten zu wollen, um ihn mit seinem Nationalelfkollegen Lamine Yamal, 16, zu vereinen.
Das Beispiel Williams zeigt vor allem, dass eine Großveranstaltung wie die Europameisterschaft immer noch ein Schaufenster sein kann. Selbst in Zeiten, in denen sich im Internet die Höhepunkte aller Ligen finden lassen, in denen sich besondere Tore rasend schnell in den Sozialen Medien verbreiten, tritt einer wie Williams erst durch seine Leistung bei diesem Turnier ins Scheinwerferlicht.
Reus-Berater Dirk Hebel: „Heute weiß man alles über die Profis“
Das erhöht natürlich den Marktwert des Flügelspielers. „Der Junge“ sei aber so oder so teuer, meint Dirk Hebel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung (DFVV), den man in Dortmund vor allem als Berater von Marco Reus kennt. Eine Top-EM könne allerdings noch einmal den Fokus vergrößern, „weil dann vielleicht ein großer Klub, der sich nicht ganz sicher war, anschließend überzeugt von einem Transfer ist. Gerade die großen Klubs, die um Titel spielen, benötigen Spieler, die unter Stress funktionieren – und dies kann bei einem Turnier gut beobachtet werden.“
Man muss grundsätzlich unterscheiden zwischen der öffentlichen Wahrnehmung und den Beobachtungen der Profiklubs. Viele Fans haben Nico Williams durch die Europameisterschaft kennengelernt; genauso den italienischen Verteidiger Riccardo Calafiori vom FC Bologna; oder den georgischen Torhüter Giorgi Mamardaschwili vom FC Valencia; oder auch Lamine Yamal, der zwar schon beim Spitzenverein FC Barcelona unter Vertrag steht, aber bislang noch unter dem Radar schwebte.
Die Vereine hingegen würden alle Spieler schon kennen, meint Hebel. „Sie haben zu diesen Spielern Daten, Beobachtungslisten, es liegt eigentlich alles auf der Hand.“ Vor einigen Jahren hätten große Klubs noch eine Europameisterschaft abgewartet, um Spieler zu beobachten. Aber: „Real Madrid holt zum Beispiel Kylian Mbappé nicht, weil er gerade bei der französischen Nationalmannschaft gut spielt. Die kennen den über Jahre, allgemein haben die Klubs mittlerweile eine viel bessere Übersicht über den Markt.“
Nico Williams soll eine Ausstiegsklausel von 60 Millionen Euro haben
Das Geschäft hat sich verändert, die Datenfülle hat zugenommen. „Früher haben Scouts teilweise einen Spieler beobachtet, wenn der dann zufällig gut performt hat, dann kam er oben auf die Einkaufsliste. Heute weiß man alles über die Profis, wie oft, wie intensiv sie sprinten, wie ballsicher sie sind und so weiter“, sagt Hebel. Berater müssten darauf reagieren. „Wenn man vor einem Turnier schon einen Markt hat, wenn Real Madrid zum Beispiel schon angefragt hat, dann muss man nicht die EM abwarten, bis man seine Zusage gibt“, erklärt der 51-Jährige. „Wenn ich aber zwei, drei Interessenten habe und darüber kommt noch eine Kategorie an Vereinen, die ich mir zutraue, dann kann ich versuchen, das Turnier zu nutzen, um weitere Klubs anzulocken.“
Das Transferfenster schließt in diesem Jahr am 30. August, es bleiben noch einige Wochen, um den Kader zu verändern. Wie sehr der Markt in Wallung kommen werde, sei in diesem Jahr aber schwer zu sagen, meint Dirk Hebel. „Die Motoren, die wir im wirtschaftlichen Bereich in Europa haben, sind die englischen Vereine. Derzeit macht sich allerdings das Financial Fairplay bemerkbar und bremst den englischen Markt.“ Fast alle Klubs würden auf einen Verkauf warten, „aber es kommt kein frisches Geld rein. So langsam geht es los, aber das hat mit der EM eigentlich nichts zu tun.“
Nico Williams soll eine Ausstiegsklausel von 60 Millionen Euro in seinem Vertrag verankert haben. „Ich mag Nico - sehr sogar“, hat Barcelonas Präsident Joan Laporta verraten und damit zu verstehen gegeben, dass sich der neue Verein des ehemaligen Bundestrainers Hansi Flick bemühen wird, den EM-Hingucker zu verpflichten. 60 Millionen Euro sind unverschämt viel Geld, aber normalerweise wäre Williams nach diesem überzeugenden Turnier noch viel, viel teurer.