Essen. Bundestrainer Julian Nagelsmann will mit dem EM-Kader im Großen und Ganzen weiterarbeiten. Und das ist richtig so. Ein Kommentar.
Bundestrainer werden nach Turnieren von zwei starken Polen angezogen. Der eine führt zu einem Weiter-so, der andere zu einem Alles-neu. Dazwischen liegt ein breiter Graubereich, in dem sich nun auch Julian Nagelsmann orientieren muss.
Ein Weiter-so kann es nicht geben; aber nicht, weil der Bundestrainer dies nicht wollen würde. In Person von Toni Kroos verliert er seinen Chefstrategen, den es zu ersetzen gilt. Manuel Neuer und Ilkay Gündogan hadern noch, ob sie weiter für Deutschland spielen werden. Thomas Müller ebenso, aber der war im Gegensatz zum genannten Trio kein Stammspieler bei der Europameisterschaft.
DFB-Team: Julian Nagelsmann hat schon frische Akzente gesetzt
Alles über den Haufen werfen muss Nagelsmann indes auch nicht, nicht nach einem ordentlichen Turnier, in dem man unglücklich im Viertelfinale ausgeschieden ist. Die DFB-Elf hat viele gute Ansätze gezeigt. Mehr noch: Sie dürfte besser werden, wenn sich der Kader, der erst im März zum ersten Mal zusammengekommen ist, eingespielt hat. Frische Akzente hat Nagelsmann schon im Frühjahr und im Juni gesetzt: mit dem formstarken Stuttgarter Quintett Maximilian Mittelstädt, Waldemar Anton, Chris Führich, Deniz Undav und Alexander Nübel, mit Leverkusens Abräumer Robert Andrich, mit dem jungen Münchener Aleksandar Pavlovic sowie den beiden Trainingslager-Nachrückern Rocco Reitz und Brajan Gruda. Vielleicht kommt Stuttgarts Angelo Stiller bald hinzu.
Einen radikalen Umbruch soll es daher nicht geben, wie Nagelsmann am Samstag verkündet hat. Und das ist auch gut so. Ein Umbruch des Umbruch Willens ist meist zum Scheitern verurteilt. Zwanghaft etwa einen Teenager auf eine Position zu setzen, damit dieser vielleicht in zwei Jahren ein gutes Turnier spielt, ist weder im Sinne der Mannschaft, noch im Sinne des Nachwuchsspielers.
DFB-Team: Auf Julian Nagelsmann warten Härtefälle
Nach dieser erbaulichen EM ist ein Umbruch schlicht und ergreifend auch einfach nicht nötig. Nagelsmann möchte seinem Weg treu bleiben und auf formstarke Spieler setzen. Das können, aber müssen in den kommenden Monaten nicht unbedingt die EM-Fahrer sein. Am Ende soll die stärkste DFB-Elf auf dem Rasen stehen, egal ob in der Nations League oder WM-Qualifikation für 2026. Spannend wird sein, ob der 36-Jährige diesen Ansatz in Härtefallen durchzieht – und sich nicht wie seine Vorgänger an alte Zeiten klammert.