Düsseldorf. England hat das Halbfinale der Fußball-EM erreicht. Die Three Lions besiegen die Schweiz in Düsseldorf nach Elfmeterschießen.

Langsam, aber selbstsicher spazierte Trent Alexander-Arnold zum Elfmeterpunkt - 120 Minuten, die nicht den Weg in irgendein Fußball-Geschichtsbuch finden werden, hatten die 43.000 Zuschauer in Düsseldorf im EM-Viertelfinale zwischen England und der Schweiz gesehen. Und Alexander-Arnold bekam nun die Chance, der große englische Held zu werden. Er legte sich den Ball zurecht, lief an und verwandelte souverän - England siegte mit 5:3 im Elfmeterschießen, nach Verlängerung hatte es 1:1 gestanden.

Die Rollen zwischen dem englischen und dem deutschen Fußball scheinen vertauscht. Während das DFB-Team trotz guter Leistungen frühzeitig ausschied, entwickeln sich die Three Lions zu einer Turniermannschaft. Die Leistungen stimmen nicht, die Ergebnisse schon. Und der stark kritisierte Trainer Gareth Southgate darf seinen Job ein paar Tage mehr ausüben - mindestens bis zum EM-Halbfinale.

Southgate hatte seine Taktik geändert, damit auch die Spielweise passt - Dreier- statt Viererkette hieß nun die Strategie. Doch wurde es besser? Nein. Auf der nach unten offenen Langeweile-Skala stellten sie in den ersten 75 Minuten - gemeinsam mit den Schweizern - einen neuen EM-Minusrekord auf. Die Bilanz, als Schiedsrichter Daniele Orsato zur Pause pfiff: Null Schüsse aufs Tor, null Torchancen, nicht einmal eine kleine Torannäherung, null Sekunden Nachspielzeit. Beispielhaft für den Anti-Fußball stand eine Szene aus der 30. Minute: Kieran Trippier stand an der rechten Eckfahne, um (immerhin!) eine Ecke auszuführen, sein kurzer Pass landete bei Kyle Walker - und der passte ihn hilf- und ideenlos zurück zu Torwart Jordan Pickford.

England gegen Schweiz - erster Torschuss in der 51. Minute

Lief überhaupt irgendwas gut bei den Engländern? Einzig wenn Rechtsaußen Bukayo Saka den Ball erhielt, wirkte das Offensivspiel inspiriert - doch oft suchte das Mittelfeld die Tiefe nicht. Sondern in fast allen Fällen den Rückpass, die Sicherheit. Und ja, die Verteidigung funktionierte wie in jedem Spiel gut. Ein Abwehrbollwerk italienischer 80er-Jahre-Prägung hat Southgate für diese EM mit seinem Team einstudiert. Sehr schade, wenn Könner wie Saka, Phil Foden, Jude Bellingham und Harry Kane auf dem Platz stehen.

EM 2024: Spanien ist Europameister - News und Hintergründe

Und die Schweizer? Sie zeigten die bessere Spielanlage, wirkten im Aufbau mutig, ließen sich selbst dann nicht von ihrem hübschen Kurzpassspiel abbringen, wenn sich die Engländer für ein mutiges Pressing entschieden. Doch wenn sie mit dem Ball die Mittellinie überschritten, fiel ihnen gar nichts ein, um das gegnerische Tor in Gefahr zu bringen. Ab der 51. Minute, als Breel Embolo der erste Schuss aufs Tor überhaupt gelang, schnürten sie die Engländer neun Minuten im eigenen Strafraum ein, doch als dann eine Schweizer Ecke beim eigenen Torhüter landete, war es mit diesem Powerplay vorbei. Das Spiel plätscherte wieder so langweilig vor sich hin, dass die beiden vor der Partie so lautstarken Fankurven zeitweise nichts mehr sagten, nur noch raunten.

Tor für die Schweiz: Breel Embolo feiert das Führungstor.
Tor für die Schweiz: Breel Embolo feiert das Führungstor. © AFP | Kenzo Tribouillard

Erst eine Viertelstunde vor Schluss, als sie sich auf einen langen Abend inklusive Verlängerung und Elfmeterschießen eingestellt hatten, nahm das Spiel Tempo auf. Zu verdanken war dies drei Spielern. Der Schweizer Dan Ndoye wagte einen scharfen, aber nicht besonders präzisen Flachpass in den Fünfmeterraum. Doch weil englische Innenverteidiger John Stones den Ball leicht abfälschte, landete er bei Breel Embolo, der mit einer gekonnten Grätsche das 1:0 für die Schweiz erzielte.

Tor für England: Bukayo Saka (l.) klatscht mit Luke Shaw ab.
Tor für England: Bukayo Saka (l.) klatscht mit Luke Shaw ab. © DPA Images | Marius Becker

Southgate wechselte nur wenige Augenblicke später dreifach aus, wie schon im Achtelfinale gegen die Slowakei, als die Three Lions lange mit 0:1 zurücklagen, drohte ihm der Verlust seines Jobs. Luke Shaw, Cole Palmer und Eberechi Eze kamen ins Spiel - direkt wurde es offensiver und der gewünschte Erfolg kam sofort. Declan Rice legte Saka den Ball auf, der ein paar Meter Platz für einen feinen Schuss mit dem linken Fuß nutzte. Torwart Yann Sommer war chancenlos - 1:1. Erste Chance, erstes Tor, perfekte Ausbeute für die Minimalismus-Engländer, die das Momentum des Ausgleichs aber nicht ausnutzten. Unentschieden nach 90 Minuten - auch das dritte EM-Viertelfinale ging in die Verlängerung.

Elfmeterschießen: Akanji scheitert, Alexander-Arnold macht alles klar

Auch dort riskierten beide Mannschaften bemühten sich beide Teams, möglichst ohne Fehler auszukommen - und beide Teams hatten den Last-Minute-Sieg auf dem Fuß: Der Engländer Declan Rice (96.) scheiterte an Torwart Sommer, der eingewechselte Schweizer Xherdan Shaqiri schlenzte eine Ecke direkt an den Pfosten (117.). Das Spiel, das so viel weniger Fußballfest war als am Abend zuvor das Duell zwischen Spanien und Deutschland, ging ins Elfmeterschießen. Das hatte sich schon früh angedeutet. Und während Cole Palmer, Jude Bellingham, Bukayo Saka und Ivan Toney trafen, scheiterte der Schweizer Manuel Akanji an Torwart Pickford. Der entscheidende Fehlschuss, bevor Alexander-Arnold zum Elfmeterpunkt spazierte.