Stuttgart/Essen. Gegen Spanien unterliegt Deutschland verdient im EM-Viertelfinale. Doch diese Mannschaft macht Hoffnung für die Zukunft. Ein Kommentar
Dass die Dinge nicht so liefen wie geplant, war früh zu sehen, allerspätestens in der 6. Minute: Da stieg Toni Kroos dem Spanier Pedri mit Vehemenz auf den Fuß, so heftig, dass der ausgewechselt werden musste. Es war schon das zweite Foul durch den deutschen Mittelfeldspieler, das eine Gelbe Karte verdient gehabt hätte. Kroos aber sah nicht einmal eine, was immerhin eine gute Nachricht aus deutscher Sicht war. Dass der Mann, der eigentlich für die feinen Pässe zuständig ist, stattdessen aber äußerst robuste Zweikämpfe führen musste, das zeigte, dass die deutsche Mannschaft ihre liebe Not hatte gegen die feinfüßigen Spanier.
Immerhin, bald hatte Kroos mehr Fehlpässe gespielt als gelbwürdige Fouls begangen, was natürlich wiederum keine gute Nachricht war. Dafür ein Sinnbild für den deutschen Start in dieses Spiel: Hypernervös legte die DFB-Auswahl los, ungenau im Passspiel, ungeschickt im Zweikampf. Viel zu schnell, viel zu einfach wurden die Bälle verloren, zu selten gelang es zunächst, die starken Einzelkönner in der Offensive mal in Szene zu setzen. Es spricht dann aber umso mehr für diese deutsche Mannschaft, dass sie sich in dieses Endspiel zurückkämpfte, dass sie den Ausgleich samt Verlängerung erzwang und ja, auch erspielte. Spätestens in der Verlängerung war es dann eine Partie auf Augenhöhe.
Umso bitterer dieses Ausscheiden im Viertelfinale, das unter dem Strich dennoch nicht unverdient ist. Trotzdem darf man der deutschen Mannschaft ein sehr ordentliches Turnier attestieren. Aus dem Spiel gegen Spanien lassen sich unabhängig vom Ergebnis die gleichen Erkenntnisse mitnehmen wie aus der gesamten EM: Die deutsche Mannschaft ist noch nicht zurück in der Weltspitze. Dafür verlor sie gegen Spanien anfangs zu sehr ihre Linie, dafür tat sie sich zu schwer gegen die Schweiz, in Teilen auch gegen Dänemark und Ungarn. Aber: Sie ist auf einem guten Weg, es steht längst nicht so schlecht um sie, wie man annehmen musste nach den verkorksten Turnieren zuletzt und nach so mancher Testspielpleite auf dem Weg zu diesem Turnier.
Bundestrainer Julian Nagelsmann hat die richtigen Maßnahmen ergriffen
Julian Nagelsmann hatte nur sehr wenig Zeit nach seiner Amtsübernahme im September, aber er hat in den Monaten vor dem Turnier die richtigen Maßnahmen ergriffen, hat einen Wandel eingeleitet, der dieser Mannschaft guttut. Er hat ein starkes Gerüst gefunden, er hat eine stimmige Ansammlung von Charakteren zusammengestellt, er hat aus ihnen eine Truppe gebaut, in der jeder um seine Rolle und um die Bedeutung des großen Ganzen weiß.
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Das macht durchaus Hoffnung für die Zukunft und man darf gespannt sein zu sehen, welche Höhen diese Mannschaft erreichen kann, wenn sie etwas mehr Zeit mit ihrem Trainer hat. Spieler wie Jamal Musiala und Florian Wirtz sind ja sogar noch in einem Alter, das weitere Entwicklungsschritte verspricht. Und Nagelsmann ist der richtige Trainer, um diese Entwicklung zu begleiten. Gut, dass er schon vor dem Turnier seinen Vertrag verlängert hat.