Herzogenaurach. Joshua Kimmich überzeugt bei der EM als Rechtsverteidiger. Das Viertelfinale gegen Spanien wird dennoch eine Bewährungsprobe.

Joshua Kimmich witterte im Medienzentrum von Herzogenaurach die Gefahr der Kinderfragen, die nach seiner Erfahrung „die gefährlichsten“ sind. Doch es begann harmlos. Muss Kimmich Bundestrainer Julian Nagelsmann um Erlaubnis bitten, wenn er länger wachbleiben möchte? „Der Trainer weiß, dass ich immer ganz früh ins Bett gehe, da mir mein Schlaf sehr wichtig ist.“ Was ist mit Süßigkeiten, braucht es da Nagelsmanns Zustimmung? „Wir haben da das eine oder andere Versteck.“ Und auch die dritte Frage schien keinen doppelten Boden zu haben, als sie von einer Reporterin eines bayerischen Radionsenders stellvertretend für Mia, acht Jahre alt, aus Deggendorf gestellt worden ist. „Welches Trikot trägst du am liebsten? Das weiße oder pinke der Nationalelf?“ Es gab allerdings noch einen Zusatz: „Oder das des FC Barcelona?“

Kimmich lachte laut auf und äußerte den Verdacht, dass es sich wohl doch nicht um Kinderfragen handle. Schon länger wird der Profi von Bayern München ja vom katalanischen Traditionsklub umworben. In seiner Antwort umschiffte er den letzten Part der Frage elegant. Das weiße Trikot sei sein Favorit, aber seit er das pink-lilane getragen gesehen habe, gefiele es ihm auch – und vor allem seinen Kindern.

DFB-Team wartet lange auf einen Sieg gegen Spanien

Am kommenden Freitag (18 Uhr/ARD) wird Kimmich mit der deutschen Nationalmannschaft zum EM-Viertelfinale in weißen Trikots ins Stuttgarter Stadion einlaufen. Es geht gegen den einstigen Angstgegner Spanien, an dem die DFB-Elf zwischen 2008 und 2012 bei drei Turnieren in Serie gescheitert ist. „Wir wollen die Spanier mal in einem Turnier schlagen. Das ist absolut unser Ziel“, betont Kimmich. Zuletzt gelang das 1988. Doppelter Torschütze: der heutige Sportdirektor Rudi Völler. „Vielleicht können wir den Rudi einwechseln, ich frag ihn mal.“

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Spanien, das meinte Kimmich dann ernst, sei „eine Mannschaft, die die Kontrolle über das Spiel haben will. Das wollen wir aber auch. Wir brauchen Dynamik, Mut und Wucht. Auch der Heimvorteil wird hoffentlich da sein. Am Ende sind wir auf dem Platz dafür verantwortlich, die Fans mitzunehmen.“

Wirkt gelöst in Herzogenaurach: Joshua Kimmich.
Wirkt gelöst in Herzogenaurach: Joshua Kimmich. © DPA Images | Christian Charisius

Bisher gelang das in diesem Turnier sehr gut. Jamal Musiala dreht auf, Toni Kroos orchestriert. Es geht rasanter zu als in den vergangenen Monaten. Die deutsche Elf strahlt Spielwitz aus statt Angst, den nächsten Fehler zu begehen.

DFB-Team: Joshua Kimmich war noch keine prägende Figur

Der Name von Joshua Kimmich wird nicht zuerst genannt, wenn es in diesen Tagen um die erfolgreiche EM geht, womit man dem Münchener nicht gerecht wird. Denn damit im Angriff brilliert werden kann, muss die Mannschaft stabil sein, und daran hat Kimmich großen Anteil. Auch ihm ist zuzuschreiben, dass das Team nun weniger anfällig ist, dass es bei diesem Turnier erst zwei und im gesamten Jahr vier Gegentore kassiert hat. Endlich, muss man dazu schreiben.

Die Erwartungen an Kimmich waren stets groß, er galt als kommender Führungsspieler der Post-Weltmeister-Generation. Doch drei bescheidene Turniere aus deutscher Sicht waren auch mit seinem Namen verbunden. In Abwesenheit Manuel Neuers durfte er die Kapitänsbinde tragen, ehe sie Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick an Ilkay Gündogan übertrug. Zudem zog ihn Flick aus dem von Kimmich präferierten zentralen Mittelfeld auf die Rechtsverteidigerposition.

Joshua Kimmich gibt Anweisungen.
Joshua Kimmich gibt Anweisungen. © Ralf Ibing / firo Sportphoto | Ralf Ibing

Auf dieser ist er nun wichtiger denn je für die DFB-Elf. Aus verschiedenen Gründen: Kimmich bespielt eine bisherige Problemposition des Teams, zudem helfen seine spielerischen Fähigkeiten im Aufbau. Und, vielleicht am wichtigsten: Die Last, die Kimmich auf seinen Schultern trägt, ist nun geringer, er ist aus der öffentlichen Wahrnehmung gerutscht. Er ist auch am Montagmittag auf der Pressekonferenz bemüht, lockerer aufzutreten – nicht nur bei den Kinderfragen.

Auf DFB-Team wartet die spanische Flügelzange Lamine Yamal und Nico Williams

Vielleicht ist es daher gut so, dass Kimmichs Name nun nicht mehr zuerst fällt. Er selbst sagt dazu: „Ich habe auf der Sechs versucht zu gewinnen, ich versuche auch jetzt als Rechtsverteidiger zu gewinnen. Es geht nicht darum, eine Entwicklung zu erzielen, es geht nur noch ums Gewinnen. Die Rolle ist dabei relativ egal.“

Als die deutsche Mannschaft im März in Frankreich gewann, überzeugte Kimmich als Gegenspieler von Kylian Mbappé. Nun droht doppelte Gefahr der spanischen Flügelzange Lamine Yamal (16) und Nico Williams (21). „Sie haben zwei gute Jungs auf den Außen“, sagt Kimmich. „Das wird sehr interessant werden, man muss Lösungen als Team finden. Schauen wir mal, was da abgeht.“ Es wird die erste Bewährungsprobe für den gewandelten Joshua Kimmich unter Wettkampfbedingungen.

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