Berlin. Viele Journalisten aus dem Ausland schwärmen von der Stimmung bei der EM 2024. Sie nennen aber auch Dinge, die nicht gut laufen.

Craig scheint die Frage ziemlich dämlich zu finden, er runzelt die Stirn, blickt den Fragesteller ein, zwei Sekunden selbst ziemlich fragend an und antwortet dann: „Ich fahre zum Spiel.“ Craig allerdings unterscheidet sich markant von all den Franzosen und Polen, die auch unterwegs sind zum abschließenden Gruppenspiel ihrer Mannschaften, Craig trägt nämlich das blaue Trikot der Nationalmannschaft und einen Kilt. Er wollte unbedingt einmal ins Stadion in Dortmund, und so ist er eben noch etwas länger bei der EM unterwegs als die schottische Mannschaft, die am Sonntagabend ausgeschieden ist. Vielleicht bleibt er auch noch etwas länger, Craig hat Gefallen gefunden an Deutschland, nette Leute, super Bier, sagt er. „Ich könnte einfach immer das Team unterstützen, das gegen England spielt“, meint er.

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    Craig ist zufrieden, und das bekommt man aktuell von vielen Fans zu hören, die in Deutschland unterwegs sind. Aber welches Bild von der EM 2024 kommt eigentlich im Ausland an? Das fragt man wohl am besten jene, die für dieses Bild maßgeblich verantwortlich sind: die vielen, vielen Journalisten, die berichten, was sich dieser Tage tut in Deutschland, in den Stadien und darüber hinaus.

    Ausländische Journalisten üben Kritik an der Bahn

    Manche sind schon wieder in der Heimat, wie Matej Sunara, der darüber auch etwas traurig ist. „Ich wäre gerne länger in Deutschland geblieben“, sagt der kroatische TV-Journalist von gol.hr, der Organisation, Stimmung und den gezeigten Fußball bei dieser EM überschwänglich lobt. „Von eurer Infrastruktur können wir in Kroatien nur träumen“, sagt der Redakteur aus Split, den besonders die Stadien in Hamburg und Leipzig überzeugten. Überrascht war er von zwei Dingen: Zum einen von den Schotten, die er auch dort überall antraf, wo die Schotten gar nicht spielten. Und von den Kaffeepreisen in Deutschland. „Wir sind süchtig nach Kaffee, aber ein Kaffee kostet bei euch doppelt so viel wie bei uns“, sagt Sunara. „Zehn Euro für ein Bier im Stadion ist leider auch viel zu viel.“

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      Jiri Cihak ist fast schon froh, dass die Getränkepreise in Deutschland ziemlich hoch sind. Denn: „Am meisten war ich über die Toiletten im Hamburger Volksparkstadion überrascht“, sagt der tschechische Web-Journalist vom Portal Idnes. Er habe beim Spiel seiner Tschechen gegen Georgien mit mindestens 1000 Fans in der Schlange stehen müssen. Nicht auszudenken, wenn er unter diesen Umständen auch noch zu viel Kaffee und Bier trinken würde. Doch abgesehen von den Toiletten ist der 29-Jährige sehr zufrieden von der Organisation des Turniers. Schade sei nur, dass er von der Stimmung nicht so viel mitbekommen habe. Wie das tschechische Team seien auch er und seine Kollegen in Norderstedt im Norden von Hamburg untergebracht. „Da haben wir nicht so viele internationale Fans gesehen“, sagt er.

      Oft mit Problemen verbunden: Reisen mit der Bahn in Deutschland.
      Oft mit Problemen verbunden: Reisen mit der Bahn in Deutschland. © dpa | Andreas Arnold

      Nicht ganz so überzeugt von der Organisation ist der türkische Zeitungsjournalist Ugur Meleke von Hurriyet: Niemand spreche Englisch, in München habe es nur einen sehr schmalen Eingang für Medien, Volunteers und Mitarbeiter gegeben und die Bahn sei viel zu teuer. „Journalisten zahlen zwischen 29 und 39 Euro für eine Bahnfahrt“, sagt der 44-Jährige. „Ich war schon bei so vielen Turnieren auf der Welt – und noch nie mussten Medienvertreter für Bahnfahrten zahlen.“ Und pünktlich sei die Bahn auch nicht gewesen. Zudem seinen auch die Hotelpreise viel zu hoch. „250 bis 350 Euro am Spieltag“, sagt Meleke und stöhnt. Da sei es billiger, sich ein Flugticket hin und zurück nach Istanbul zu kaufen und im eigenen Bett zu schlafen.

      Ähnlich klingt Desislava Frantsova, die fürs bulgarische Fernsehen arbeitet: „Mir gefällt das Land, Menschen aus der ganzen Welt verbringen hier gerade ihre Zeit, sie alle sind liebenswürdig“, meint sie. „Das Problem aber ist der Transport. In unserem Land denkt man, dass Deutschland top organisiert sei, dass die Deutsche Bahn exzellent sei. Aber es gibt viele Probleme mit den Zügen.“

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      Jose Palacio vom spanischen Radiosender Cadena Ser hat schon einige Turniere erlebt. Jetzt ist er vor allem in Dortmund eingesetzt und zeichnet ein ambivalentes Bild: „Von der Atmosphäre her ist dieses das beste Turnier“, sagt er. „So viele gut gelaunte Menschen, Albaner, Türken und viele mehr.“ Aber: „Es gibt einige Probleme mit den Sicherheitsleuten, mit der Bahn und mit den Straßen. Das war bei der WM in Katar viel besser organisiert.“

      Viel Spaß am Turnier, wenig Spaß an Frankreich

      Christian Brägger sieht die Dinge etwas differenzierter, vielleicht spricht die Schweizer Neutralität aus dem Journalisten vom St. Galler Tagblatt. „In Katar hatte alles von A bis Z geklappt, das war das Nonplusultra, aber Deutschland ist nicht weit davon entfernt“, meint er. Auch am öffentlichen Nahverkehr hat er wenig auszusetzen – „wenn man durchfahren kann“ – und die Diskussion um Beschilderungen und Sicherheitskonzepte sei übertrieben. „Grundsätzlich gehört der Fußball dahin, wo er die Menschen begeistert“, findet er. „Daher ist Deutschland als Ausrichter genau richtig für mich.“

      Französische Fans sorgen während der Spieler ihrer Mannschaft für Stimmung.
      Französische Fans sorgen während der Spieler ihrer Mannschaft für Stimmung. © dpa | Bernd Thissen

      Den Sportjournalisten interessiert dann eben doch vor allem, was im und direkt am Stadion passiert, und deswegen guckt Adrien Chantegrelet etwas zerknirscht, als er nach seinem Eindruck von der EM gefragt wird. „Ich muss ja leider immer die französischen Spiele gucken“, sagt der Journalist von Le Parisien, der größten Pariser Tageszeitung. Dann lacht er, war ein Scherz, natürlich. Der französische Fußball sei zwar wirklich nicht gut, das Turnier aber sehr wohl. „Superb“, sei das alles: „Sehr gute Organisation, tolle Atmosphäre, schöne Stadien.“

      Die besten Stadien Europas

      Sogar die besten Stadien Europas, findet Kalle Kehlet von Berlingske, einer überregionalen dänischen Tageszeitung. „Alle Dänen haben das beste Turnier in Jahrzehnten erlebt“, sagt er. Abgesehen von kleineren Problemen sei Deutschland „ein perfekter Gastgeber“ gewesen. „Wir hoffen, dass das dänische Abenteuer nach Samstag weitergeht.”

      Das allerdings wäre dann für die Stimmung im Gastgeberland alles andere als optimal – denn es würde ja bedeuten, dass die deutsche Mannschaft nach dem Achtelfinale gegen die Dänen am Samstag (21 Uhr/ZDF) plötzlich selbst nur noch Zuschauer wäre beim so hochgelobten Turnier im eigenen Land.