München. Dänemark blickt trotz ihrer mäßigen Leistung beim 0:0 gegen Serbien mit Vorfreude aufs Achtelfinale gegen EM-Gastgeber Deutschland.
Als Thomas Delaney gegen Mitternacht an ein Rednerpult im Bauch der Münchner Arena trat, erinnerte der dänische Nationalspieler entfernt an einen Regierungssprecher in diplomatischer Mission. Eine durchaus staatstragende Wirkung haben die für die EM errichteten Podeste mit ihren Mikrofonen ja in der sogenannten Mixedzone, in der die Mannschaften mit den Medienschaffenden aufeinander treffen. Delaney, 32, eignete sich für den außenpolitischen Einsatz vor dem Achtelfinale gegen die deutsche Nationalmannschaft am Samstag in Dortmund auch deshalb besonders gut, weil er viele Jahre im Land des EM-Gastgebers für Werder Bremen (2017 bis 2018), Borussia Dortmund (2018 bis 2021) und die TSG Hoffenheim (2023) gespielt hat. Und vor allem traf Delaney auch einen Ton zwischen Respektsbekundungen und Zuversicht, mit dem er vielleicht sogar in den Außenministerien in Kopenhagen und Berlin Eindruck geschunden hat.
Thomas Delaney: „Wir spielen für die großen Momente“
„Ich freue mich natürlich“, sagte Delaney also, wenngleich die deutsche Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann „einer der größten Favoriten“ des Turniers sei. Der Mittelfeldspieler sprach über die Bedeutung des Vergleichs mit dem großen Nachbarland für Dänemarks Mannschaft und deren Fans und sagte: „Das wird ganz groß.“ Es hätte sicherlich leichtere Gegner geben können, „aber wir spielen für die großen Momente“, befand Delaney weiter. Sich auch noch in Deutschlands größtem Stadion, an seiner alten Wirkungsstätte, mit der DFB-Elf zu messen, ist aus Delaneys Sicht schwer zu toppen. „Es wird nicht viel größer“, sagte er. Vor wem er in der deutschen Mannschaft den größten Respekt habe? „Vor allen“, antwortete der Diplomat ohne Anzug und stieg mit einem spitzbübischen Lächeln hinab vom Podest.
So ausführlich viele dänische Spieler Auskunft gaben, so kurz hatten sie sich dagegen bei ihrem Dank an ihre rot und weiß gewandeten Fans nach dem Abpfiff gefasst. Zu ausgedehnten Feierlichkeiten bestand nach dem 0:0 gegen Serbien am späten Dienstagabend auch wenig Anlass. Zu überschaubar war die Vorstellung geraten, um zu Überschwang und Ausschweifungen zu neigen. Der Optimismus vor dem K.o.-Spiel gegen Deutschland scheint dennoch groß zu sein.
Dänen loben deutsche Fußballkultur
„Ich habe ein gutes Gefühl für dieses Spiel“, sagte Trainer Kapser Hjulmand. Für den früheren Coach des 1. FSV Mainz 05 (Juli 2014 bis Februar 2015) gehört Deutschland zwar „zum engsten Favoritenkreis“, vor allem durch Toni Kroos, der für die nötige Balance im Spiel sorge, wie Hjulmand hervorhob. „Wir lieben den deutschen Fußball“, sagte er zudem, „Deutschland hat eine großartige Fußballkultur.“ Doch der 52-Jährige sieht er keinen Grund für Pessimismus. Die weniger für den diplomatischen Dienst geeignete Frage eines deutschen Journalisten, ob Hjulmand Sorge habe, dass seine Mannschaft gegen die DFB-Auswahl chancenlos sein könnte, wehrte der Trainer mit großem Erstaunen entschieden ab. „Chancenlos?“, fragte er zurück, „im Fußball?“ Nach einem strengen Blick und einer kurzen Pause sagte er: „Nein, natürlich haben wir eine Chance. Deutschland ist klarer Favorit, aber wir haben eine super Mannschaft.“
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Die bisherigen Turnierleistungen der Dänen waren allerdings nur bedingt überzeugend geraten. Vor allem ihr Offensivspiel kam gegen die Serben erneut wenig furchteinflößend daher. Immerhin, befand Angreifer Youssuf Poulsen, der wie in Leipzig auch in der Nationalelf Ergänzungsspieler ist: „Wir haben sehr gut verteidigt, in allen drei Spielen. Das ist schon mal eine Grundlage fürs Weiterkommen.“
Dänen mit Glück und dank eines komplizierten Modus im Achtelfinale
Dem 1:1 gegen Slowenien war ein 1:1 gegen England gefolgt und nun eben jenes 0:0, bei dem die Dänen in der zweiten Halbzeit gegen die eigentlich biederen Serben durchaus Gefahr liefen, das Achtelfinale noch zu verpassen. Unter anderem konnte Dänemarks Mannschaft von Glück sagen, dass der deutsche Videoschiedsrichter Bastian Dankert ein Halten des Wolfsburgers Joakim Mæhle gegen Aleksandar Mitrovic im Strafraum offenbar als nicht interventionswürdig eingestuft hatte. Hinzu kam, dass die Dänen nur aufgrund der Fairplay-Wertung Platz zwei vor den punkt- und torgleichen Slowenen belegten. Bei den Spielern beider Mannschaften hatte zwar Gleichstand bei den gelben Karten bestanden. Aber auch Sloweniens Assistenztrainer Milivoje Novakovic, als Spieler einst beim 1. FC Köln, war verwarnt worden. Das gab den Ausschlag. Selbst ein Uefa-Sprecher konnte in diesen Fall für Nerds zunächst nicht erklären, warum die Dänen Platz zwei belegen und nicht die Slowenen. Hjulmand räumte gar ein, nichts davon gewusst zu haben.
Turnierhistorie mit Siegen 1986, 1922 und 2012 macht den Dänen Mut
Die Aussichten für seine Mannschaft, gegen den EM-Gastgeber ins Viertelfinale einzuziehen, schätzt der Trainer wohl auch wegen der Erfahrungen aus der Vergangenheit als ganz gut ein. „Wenn wir gegen die großen Nationen spielen, bringen wir immer unsere Leistung“, sagte er. Zumindest teilweise ist diese Behauptung von Fakten gedeckt. Gegen Deutschland weisen die Dänen eine leicht positive Turnierbilanz auf. Insgesamt viermal trafen die Mannschaften beider Länder bei einer WM und EM aufeinander. Bei der WM 1986 im dritten Gruppenspiel und beim EM-Finale 1992 siegte Dänemark (jeweils 2:0). Die DFB-Elf gewann dafür im zweiten Gruppenspiel der EM 1988 (2:0) und im dritten Gruppenspiel der EM 2012 (2:1). Die beiden jüngsten Testspiele 2019 und 2021 endeten 1:1. Doch was heißt das schon vorm Achtelfinale? „Wir wissen: Bei Turnieren entscheidet ein Tor viel“, sagte Poulsen, „wir haben eine gute Grundlage, aber wir müssen unsere Chancen besser nutzen.“ Gegen Serbien gab es allerdings nicht viele.