Dortmund. Albanien darf gegen Italien kurz auf die erste Überraschung der EM 2024 hoffen – am Ende aber gewinnt der Titelverteidiger 2:1.

Zehn Minuten immerhin. Zehn Minuten hatte es so ausgesehen, als könnte diese Europameisterschaft an ihrem zweiten Tag die erste große Überraschung erleben. Zehn Minuten lang führte Albanien 1:0 gegen Italien, dann aber glich der Europameister aus, weitere fünf Minuten später ging die Squadra Azzurra in Führung. Und dabei sollte es bleiben, Italien schlug den krassen Außenseiter Albanien 2:1 – in einer Partie, die den Italienern im Dortmunder Stadion wie ein Auswärtsspiel vorkommen musste.

Bis zu 50.000 Albaner hatten Dortmund Berichten zufolge im Laufe des Tages eingenommen, die Farbe Rot dominierte das Stadtbild und später auch die Tribünen des Stadions. Die Albaner feierten schon vor Anpfiff ein ausgelassenes Fest, das schnell in Ekstase umschlagen sollte: Gleich den ersten Ball schlug der Außenseiter einfach nur lang nach vorne, wo er ins Seitenaus trudelte. So weit, so normal.

Italiens Patzer lässt Albanien an der EM-Überraschung schnuppern

Dann aber kam Federico Dimarco auf die aberwitzige Idee, den Ball in den eigenen Strafraum einzuwerfen, wo Mitspieler Alessandro Bastoni nicht ganz aufmerksam war, Nedim Bajrami aber um so mehr: Albaniens Zehner spritzte dazwischen und hämmerte den Ball humorlos in die Maschen.

Gerade einmal 22 Sekunden waren da gespielt, es war das schnellste Tor der EM-Geschichte – und ein früher Schock für die Italiener, die unbedingt gewinnen mussten, weil sie in ihrer Gruppe ja noch die Schwergewichte Kroatien und Spanien haben.

Die albanischen Fans feierten die Führung frenetisch

Die albanischen Anhänger dagegen waren außer sich vor Freude, sie schrien, sie jubelten, sie feierten jeden Pressschlag, jede Balleroberung, jede Annäherung an den gegnerischen Strafraum mit frenetischem Lärm. Allerdings: Diese Annäherungen sollten Seltenheitswert behalten, Italien übernahm schnell die Kontrolle, kesselte den Außenseiter in dessen Strafraum ein.

Stimmungsvoll: Die albanischen Fans feierten auf den Rängen des Dortmunder Stadions eine ausgelassene Party – vor allem nach der frühen Führung.
Stimmungsvoll: Die albanischen Fans feierten auf den Rängen des Dortmunder Stadions eine ausgelassene Party – vor allem nach der frühen Führung. © AFP | Franck Fife

Die elf Mann in Rot kämpften zwar tapfer, hatten dem Dauerdruck aber schnell nichts mehr entgegenzusetzen: ein kurz ausgeführter Eckball, Lorenzo Pellegrini flankte, Bastoni war in der Mitte dieses Mal hellwach und dazu völlig alleingelassen – das 1:1 per Kopf war nur noch Formsache (11.).

Nicolo Barella wurde rechtzeitig fit – und schoss Italien zum Sieg

Und wenig später der zweite Stimmungskiller für die Albaner: Sie konnten den Ball nicht richtig klären, Nicolo Barella nahm einen Abpraller aus 20 Metern direkt und jagte ihn sehenswert ins Tor (16.). Ganz kurz war unsicher, ob der Treffer zählen würde, weil Dimarco zuvor sehr heftig gegen Jasir Asani gestochert hatte. Aber das reichte dem deutschen Schiedsrichterteam um Felix Zwayer und Video-Assistent Bastian Dankert nicht, um den Treffer abzuerkennen.

Ausgerechnet Barelli also, der Mann, um dessen Oberschenkel ganz Italien in den Tagen zuvor aufgeregt debattiert hatte. Wegen Muskelproblemen konnte der Denker und Lenker im Mittelfeld im Mannschaftsquartier in Iserlohn zunächst nur individuell trainieren, erst einen Tag vor dem Start meldete Trainer Luciano Spalletti: Der Mann von Inter Mailand kann spielen.

Alle Zweifel kann Italien nicht beseitigen

Gegen die in weiten Teilen überforderten Albaner hätte es wohl auch ohne ihn gereicht, im weiteren Turnierverlauf Italien einen seiner Besten noch brauchen. Der Titelverteidiger ist ja mit vielen Fragezeichen ins Turnier gegangen, die beiden vergangenen Weltmeisterschaften wurden verpasst, dazu belastet ein Wettskandal die Mannschaft.

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Alle Zweifel hat der Auftaktsieg nicht wegwischen können, dafür war der Gegner viel zu schwach und auch der eigene Auftritt über weite Phasen träge, viel zu früh schalteten die Italiener in den Verwaltungsmodus. Das hätte sich fast gerächt, doch nach einem langen Ball scheiterte Rey Manaj in der Schlussminute an Italiens Schlussmann Gianluigi Donnarumma. So mussten die Italiener am Ende sogar froh sein über dieses 2:1 – und weiter über die eigene Stärke rätseln.