Las Vegas. Die Kansas City Chiefs sind zum dritten Mal in fünf Jahren NFL-Meister – weil Patrick Mahomes einfach Patrick Mahomes ist.
Vielleicht dachte Patrick Mahomes in diesem Moment an das zurückliegende Weihnachtsfest. Das ganze rot-gelb-weiße Konfetti sollte ja erst später auf ihn herunterfallen, als der Quarterback des alten und neuen Super-Bowl-Champions Kansas City Chiefs den Augenblick nutzte, um trotz der annähernd 62.000 Menschen im Allegiant Stadium von Las Vegas um sich herum ganz für sich allein zu sein.
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Vor gut anderthalb Monaten hatten die kriselnden Chiefs eine 14:20-Niederlage gegen die Las Vegas Raiders eingesteckt. „Das schlimmste Weihnachten meines Lebens“ nannte es Mahomes. Es war aber auch der Wendepunkt für die unglaubliche Metamorphose der Mannschaft, die mit der Gründung einer Regentschaft an diesem kalten Februar-Abend in Nevada endete. „Ja, es ist der Start einer“ Dynastie, sagte der 28-Jährige nach dem dramatischen 25:22 nach Verlängerung über die San Francisco 49ers. „Aber wir sind noch lange nicht fertig.“
Super Bowl: Taylor Swift überlässt Travis Kelce die große Bühne
Zum dritten Mal binnen fünf Saisons standen die Chiefs auf dem Podest und hielten die silbern glänzende Vince-Lombardi-Trophäe in den Händen. Travis Kelce gab die Rampensau, grölte „Fight for your right to party” und „Viva Las Vegas” ins Mikrofon. Seine HerzensdameTaylor Swift hätte das sicherlich besser dargeboten. Die 34-Jährige nahm sich abgesehen von einem leidenschaftlichen Siegerkuss für den Tight Ende der Chiefs aber recht angenehm zurück bei der ausschweifenden Feier, die Pop-Ikone stand einfach da auf dem Rasen und überließ ihrem Freund die Bühne. „Wir hatten eine Zielscheibe auf dem Rücken, jeder wollte uns erlegen“, waren Kelces Worte nachher. „Aber wir haben es allen gezeigt – und wir kommen wieder. Wir wollen den dritten Titel in Serie.“ Das gab es noch nie.
Super Bowl 58 – nicht der hochklassigste, aber sicher einer der dramatischsten in der Historie dieses Sports – bot viele Geschichten. Die von San Franciscos Quarterback Brock Purdy zum Beispiel, dessen Märchen nicht wahr wurde, als sogenannter Mr. Irrelevant sich den Meisterring an den Finger stecken zu dürfen. Jene von seinem Trainer Kyle Shanahan, der als Offensivtrainer der Atlanta Falcons 2017 schon das bisher einzige NFL-Finale mit Verlängerung nach einer 28:3-Führung vergeigt hat und keine Revanche nehmen konnte für das 20:31 der 49ers gegen Kansas City im Super Bowl 2020. Oder die auf Chiefs-Seite von Receiver Mecole Hardman, der in der Extrazeit den entscheidenden Mahomes-Pass gefangen hatte und unmittelbar danach vergaß, „dass wir das Spiel ja gewonnen haben“.
Super Bowl: Große Parallelen zwischen Chiefs und Patriots
Um was es wirklich allen ging, war: definitiv die Dynastie, die Vergleiche der Chiefs mit den New England Patriots und von Patrick Mahomes mit Tom Brady. Bei ihrer sechsten und letzten gemeinsamen Meisterschaft 2019 räumten Brady und die Patriots im Halbfinale die Chiefs aus dem Weg. Seitdem stellt Kansas City jenes große Team, das aus der Masse heraussticht und sich beharrlich weigert, von der Bildfläche zu verschwinden. Selbst wenn es wie in diesem Jahr bei nur 11:6 regulären Saisonsiegen phasenweise aussah, als sollte Mahomes nicht die Chance auf seine dritte Meisterschaft bekommen. „Es war ein Prozess, weiterhin daran zu glauben“, erklärte der Spielmacher, der auf dem Weg ins Zockerparadies Vegas beim 27:24 in Buffalo und 17:10 in Baltimore erstmals auswärts ein Play-off-Spiel absolvieren musste. Ausschlaggebend sei „diese Meisterschaftsmentalität“ gewesen, „immer da zu sein, wenn es darauf ankommt“.
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Dies eint Chiefs und Patriots ungeachtet unterschiedlichen Personals. „Ich lerne immer noch Sachen aus diesen Patriots-Tagen“, sagte Kelce. „Es ist großartig, es aus ihrer Perspektive zu hören.“ Mittlerweile wissen er und seine Mitspieler, wie es ist, von 31 anderen Teams entthront werden zu wollen. Für Mahomes ist dies genau der Antrieb, keine Trägheit einschleichen zu lassen: „Tom Brady hat es am besten gesagt: Sobald du diesen Meistertitel gewinnst, diese Paraden machst und diese Ringe bekommst, bist du nicht mehr der Champion. Du bist der Gejagte, musst mit derselben Mentalität zurückkommen.“ Da lässt sich Kansas‘ 500-Millionen-Dollar-Mann (bei einem Zehnjahresvertrag) auch gerne darauf ein, von den gegnerischen Fans als Bösewicht wahrgenommen zu werden: „Ich liebe es zu siegen. Wenn mich das zu einem Bösewicht macht, kann ich damit leben.“
Super Bowl: Wird Patrick Mahomes der neue GOAT?
Womöglich wird aus Patrick Mahomes aber eines Tages noch viel mehr: nämlich der Erfolgreichste und Größte seines Fachs, für den man sich seit Tom Brady keinen anderen mehr vorstellen kann. Aber der heute 46-Jährige war nicht wie Mahomes nun gerade erst 28 Jahre alt, als er drei Titel und drei MVP-Auszeichnungen inne konnte. In einer Ära hochtalentierter, mobiler Passgeber überragt niemand den Oberhäuptling aus Kansas City. Nur noch ein Super-Bowl-Sieg fehlt zu Joe Montana (San Francisco) und Terry Bradshaw (Pittsburgh), vier noch zu Brady, der letztmals 2021 mit den Tampa Bay Buccaneers gegen Mahomes‘ Chiefs triumphierte. Diese Pleite wurmt diesen noch sehr, „aber es gibt mir jeden einzelnen Tag etwas, nach dem ich streben kann.“
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Patrick Mahomes weiß genau, dass Dynastien für ihren Fortbestand gegen Widerstände ankämpfen müssen: Verletzungen, übertriebene einzelne Egos, die Last gestiegener Erwartungshaltungen. Julian Edelman, dreimal mit den Patriots Champion, sieht die Chiefs dafür aber nicht nur aus sportlichen Gründen gut gewappnet: „Travis Kelce hat Taylor Swift, Tom Brady war mit Gisele Bündchen verheiratet – willkommen in einer Dynastie“, sagte der 37-Jährige in Vegas und fügte spitzfindig hinzu: „Drei Ringe fehlen euch aber noch.“