Hagen. Kämmerei sieht bei differenzierten Hebesätzen nur geringe Entlastung für Hausbesitzer und Mieter. Stadt will Gerichtsurteile abwarten.
Zumindest in diesem Jahr wird’s wohl nichts mehr: Die Hagener dürfen sich keine realistischen Hoffnungen machen, dass die Politik noch einmal die Grundsteuerreform komplett neu ordnet, in der Stadt ebenfalls differenzierte Hebesätze einführt und somit für eine Kostenreduzierung bei den zum Teil erheblich belasteten Hausbesitzern und Eigentümern sorgt.
Nach der Sondersitzung des Rates im Januar hat die Stadtverwaltung jetzt in einer elfseitigen Vorlage für den Haupt- und Finanzausschuss noch einmal die aktuellsten Fakten zusammengetragen und angesichts der in ihren Augen weiterhin bestehenden rechtlichen und damit auch finanziellen Risiken dafür plädiert, es zunächst bei der angewendeten Regelung zu belassen.
Unterschiedliche Effekte
Grundsätzlich erinnert Kämmerer Bernd Maßmann noch einmal daran, dass das Grundsteueraufkommen 2025 in Hagen in der gleichen Höhe ausfällt wie bisher: „Es findet also keine Einnahmeerhöhung statt.“ Zugleich macht der Finanzdezernent deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht den Gleichheitsgrundsatz im Blick gehabt habe: Die Richter hatten den Fokus darauf gerichtet, für eine grundsätzliche Entlastung der Geschäftsgrundstücke, der gemischt genutzten Grundstücke sowie der größeren Mietshäuser zu sorgen. Daraus ergebe sich automatisch eine Mehrbelastung kleinerer Mietshäuser sowie von Ein- und Zweifamilienhäusern. Für Hagen, so hat man im Rathaus ermittelt, ergeben sich bislang folgende Durchschnittseffekte:
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Geschäftsgrundstücke werden um 3371 Euro entlastet;
Haushalte in gemischt genutzten Objekten (unten Ladenlokale, darüber Wohnraum) werden um 145 Euro entlastet;
Haushalte in Einfamilienhäusern werden um 264 Euro belastet;
Haushalte in Zweifamilienhäusern werden um 139 Euro belastet;
Haushalte in Mietobjekten werden um 32 Euro belastet;
Haushalte im Wohneigentum werden um 110 Euro belastet.
Hauptursache für diese Entwicklungen sind die Neubewertungen der Grundstücke nach aktuellen, objektiven Kriterien: „Steigerungen resultieren aus den seit 2000 durchschnittlich um 176 Prozent angestiegenen Bodenrichtwerten“, argumentiert die Verwaltung. „Dies spiegelt somit die Wertsteigerung der Immobilie und den Vermögensaufbau durch Grundeigentum wider.“
Erhebliche Ausfallrisiken
Zugleich stellt Maßmann heraus, dass Kommunen wie Bonn, Bochum, Duisburg, Essen, Münster oder auch Dortmund, die aufgrund der Voten der Politik mit differenzierten Hebesätzen für Wohn- und Geschäftsgrundstücke operieren, allesamt von ihren Verwaltungen auf Rechtsrisiken und damit auf ein Ertragsausfallrisiko hingewiesen worden seien. Sollte es dazu in Hagen kommen würde der Hebesatz von aktuell 1139 Prozentpunkten wieder auf das ursprüngliche Level von 750 Prozentpunkten zurückfallen und angesichts der veränderten Messbeträge der Stadt ein Ertragsdefizit von knapp 17 Millionen Euro bescheren. Geld, das an anderen Stellen wiederum kompensiert werden müsste. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Verwaltung, die Rechtssprechung zu den differenzierten Hebesätzen zunächst abzuwarten und das Thema erst wieder aufzugreifen, wenn der juristische Gefechtsnebel sich gelichtet habe.
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
Wobei die Verwaltung immer wieder deutlich macht, dass eine Differenzierung der Hebesätze kaum den erhofften Effekt haben werde, den die meisten Bürger sich davon versprechen. Anhand der aktuell vorliegenden Zahlen würde der heute noch einheitliche Hebesatz von 1139 Prozentpunkten dann für Nicht-Wohngrundstücke auf 1521 Prozentpunkte steigen, während er bei Wohngrundstücken auf 1014 Prozentpunkte sinkt. Unter dem Strich könnte somit die Belastung um etwa elf Prozent reduziert werden. „Insgesamt kann man feststellen, dass auch ein differenzierter Hebesatz nicht zu einer spürbaren Verbesserung der Belastung bei Wohngrundstücken mittlerer Preisklasse führt“, bilanziert die Finanzverwaltung anhand einiger Beispielberechnungen. „Bei hochwertigen Grundstücken wie beispielsweise Mehrfamilienhäusern verteilt sich die Entlastung in kleinere Beträge auf alle Mietparteien. Erst bei hochwertigen Ein- und Zweifamilienhäusern sind die Entlastungen betraglich spürbar.“
Kein Handlungsbedarf
Zudem hegt die Stadtverwaltung erhebliche Zweifel, ob die Wohnungsmarktlage in Hagen es überhaupt rechtfertige, mit differenzierten Hebesätzen zu operieren. Dazu müssten wohnraumpolitische Gründe vorliegen, die es in Hagen angesichts einer Leerstandquote von 5,8 Prozent, die erheblich unter dem NRW-Schnitt liege. Zugleich unterschreite die Nettokaltmiete von 5,39 Euro den Landesschnitt ebenfalls deutlich. Damit sei es kaum verhältnismäßig, hier durch differenzierte Hebesätze wohnkostenstabilisierend einzugreifen, und man mache sich juristisch angreifbar. Auch an der Argumentation einiger Städte, differenzierte Hebesätze mit gestiegenen Lebenshaltungskosten, höheren Wohnnebenkosten oder explodierten Energiepreisen zu begründen, haben die Verantwortlichen im Hagener Rathaus rechtmäßige Zweifel.
Angesichts dieser Gemengelage rät die Kämmerei ausdrücklich davon ab, noch in diesem Jahr eine zurzeit rechtssichere, nämlich einheitliche Grundsteuerregelung über den Haufen zu werfen. „Die Rechtsprechung zu differenzierenden Hebesätzen wird über das Jahr 2025 hinausgehen und konkrete Rahmenbedingungen für diese Form der Hebesätze aufstellen“, lautet die Prognose von Finanzdezernent Bernd Maßmann. „Unter Berücksichtigung der erwarteten Urteile kann in den kommenden Jahren dem Rat erneut die Entscheidung über die Form der Grundsteuer B vorgelegt werden.“
Ob die Politik diesem Appell so folgt, soll sich spätestens in der Ratssitzung im Mai entscheiden. Bis dahin muss die Verwaltung noch einige Fragen aus den Fraktionen beantworten.