Hagen. Man komme kaum noch zum Luftholen, so ein Kinderarzt aus dem Sauerland. Warum er appelliert, kranke Kinder länger zuhause zu lassen.

Hohes Fieber, Husten und Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen: Die Grippewelle fällt laut Wochenberichte der Robert Koch-Institutes (RKI) in diesem Jahr heftiger aus als im Jahr zuvor. Seit dem 30. Dezember breitet sie sich in Nordrhein-Westfalen rasch aus. Ein klarer Anstieg der Krankheitsfälle ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten. Die Arztpraxen sind brechend voll. Was Kinderärzte wie Michael Achenbach aus Plettenberg und eine Schulleiterin aus dem Sauerland berichten.

„So einen Ansturm habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, berichtet Michael Achenbach vom Berufsverband für Kinder- und Jugendärzte Westfalen-Lippe. Auch in seiner Praxis in Plettenberg sehe er immer wieder Jugendliche und Kinder, die über mehrere Tage an hohem Fieber und deutlichen Krankheitszeichen leiden. Der Wochenbericht des RKI zeige, dass „wir jetzt schon zahlenmäßig auf dem Niveau von Mitte Februar sind“. Der Mediziner erwartet eine noch weiter steigende Zahl der Grippefälle in den kommenden Wochen. Die Grippesaison könne sich bis ins Frühjahr erstrecken.

Grippe-Impfung im Januar

Das vor allem Kinder und Jugendliche von der Grippe am stärksten betroffen sind, überrascht Michael Achenbach nicht: „Sie sind die Gruppe, die am wenigsten durch eine Impfung geschützt sind. Das sieht bei über 60-Jährigen ganz anders aus.“ Der Sauerländer empfiehlt allen, Jung und Alt, eine Grippe-Impfung. Es mache auch jetzt noch Sinn, sich impfen zu lassen. Das sei ja auch das Einzige, was man präventiv tun könne.

In seiner Praxis, so Michael Achenbach, säßen viele Kinder und Jugendliche, die schwer erkrankt seien. „Mit hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen.“ Bei den Jüngeren kämen oft auch Grippesymptome wie Bauchschmerzen hinzu, die Erwachsene eher seltener hätten. Angst vor einer Spritze müssten Kinder und Jugendliche nicht mehr haben: „Es gibt für die 2- bis 17-Jährigen mittlerweile ein Nasenspray. Da muss man nicht einmal mehr piksen.“

Kinder- und Jugendarzt Michael Achenbach

„Lassen Sie Ihr Kind bei Grippe- und Erkältungssymptomen bitte zuhause.“

Michael Achenbach
Kinderarzt aus Plettenberg

Für 52 Prozent der zurzeit grassierenden Influenza ist laut Robert Koch-Institut ein Schweinegrippevirus-Stamm aus dem Jahr 2009 verantwortlich, so Michael Achenbach. Da viele Kinder damals noch nicht geboren waren, seien sie besonders anfällig dafür, führt der Mediziner fort.

Lieber einen Tag länger zuhause bleiben

„Die Grippe breitet sich zurzeit vor allem durch die Kinder und Jugendlichen rasch in der Bevölkerung aus“, sagt Achenbach. Sie verbreiten es in der Klasse und nehmen es mit in ihre Familien. Achenbach rät Eltern: „Lassen Sie Ihr Kind bei Grippe- und Erkältungssymptomen bitte zuhause.“ Wichtig sei, dass das Kind Zeit habe, sich auszukurieren, „sprich, bitte nicht zu früh wieder in die Schule schicken“. „Nach dem Abklingen der Symptome sollte man noch zwei Tage warten.“ Eine Grippe dauere zwischen 5 bis 10 Tagen. Eine schwere Erkältung sei ebenso zu behandeln. Grippe unterscheide sich von einer schweren Erkältung oft nur durch hohes Fieber.

Michael Achenbach bittet Eltern auch darum, nicht mit jedem „kränkelnden Kind“ in die Praxis zu gehen. „Die sind zurzeit überfüllt.“ Wer dort im Wartezimmer mit einer Erkältung sitze, gehe mit einer Grippe wieder nach Hause. Er empfiehlt, sich per Telefon krankschreiben zu lassen.

Eine Grippeschutzimpfung ist laut Medizinern Ende Januar spät, aber nicht zu spät.
Eine Grippeschutzimpfung ist laut Medizinern Ende Januar spät, aber nicht zu spät. © dpa | Martin Schutt

Besonders betroffen von der Grippewelle sind seit Monatsbeginn die Schulen in Nordrhein-Westfalen, weiß Michael Achenbach zu berichten. Eine Lehrerin habe ihm kürzlich mitgeteilt, wie die Grippewelle in ihrer Klasse zugeschlagen habe: „Sie erzählte mir, dass sich von 25 Kindern in ihrer Grundschulklasse 17 wegen Grippe oder einer schweren Erkältung krank gemeldet haben. Sie unterrichte nun noch acht Kinder.“

Halbleere Klassen

Das kann auch Eva Jansen, die Schulleiterin der St. Franziskus-Schule in Olpe bestätigen: „In einzelnen Klassen fehlen bis zur Hälfte der Kinder und Jugendlichen“, berichtet sie. Zehn Prozent der Schüler an ihrer Schule seinen am vergangenen Montag wegen Krankheit nicht zum Unterricht erschienen. „Bei fast 1100 Schülern eine hohe Zahl.“ Nicht mit eingerechnet seien die, die bereits aus der Vorwoche krankgeschrieben waren. Seit Wochen fehlten im Durchschnitt zehn von insgesamt 85 Lehrern wegen Krankheit, meistens wegen Grippe oder Erkältung. Tag für Tag müsse sich die Lehrerschaft neu aufstellen, damit nicht zu viele Unterrichtsstunden ausfallen.

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7,9 Millionen mit akuter Atemwegserkrankung

Etwa 7,9 Millionen Menschen in Deutschland hatten laut Wochenbericht des RKI für die Zeit vom 20. bis 26. Januar eine akute Atemwegserkrankung. Vor allem Grippeviren seien zurzeit im Umlauf. Im Vergleich zur Vorwoche habe die Zahl der Grippeinfektionen vor allem bei Kindern von 5 bis 14 Jahren stark zugelegt, aber auch jüngere Kinder und Erwachsene infizierten sich häufiger. Dabei habe sich die Zahl schwerer akuter Atemwegsinfektionen seit dem Jahreswechsel mehr als verdoppelt und falle so hoch aus wie zum Höhepunkt der Grippewelle der beiden Vorsaisons, betonte das RKI.

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Aktuell ist unter den meldepflichtigen akuten Atemwegserkrankungen das Grippevirus die dominierende Erkrankung in NRW, wie eine Sprecherin des Landeszentrums für Gesundheit berichtet. Sowohl Infektionen mit dem Corona-Virus als auch mit dem RSV-Virus stagnierten mit jeweils unter 500 registrierten Fällen auf eher niedrigem Niveau. 

Höhere Zahlen als im Vorjahr

Die Zahl der in Nordrhein-Westfalen zuletzt registrierten 5000 Influenza-Erkrankten in einer Woche liegt bereits höher als auf dem Höhepunkt der jährlichen Grippewelle in NRW im vergangenen Jahr: In den ersten beiden Februarwochen 2024 waren jeweils rund 4500 Fälle gemeldet worden, danach ebbte die Welle nach und nach wieder ab.

Zur Vorbeugung gegen die Echte Grippe empfiehlt das Robert-Koch-Institut weiterhin eine Grippeschutzimpfung, auch wenn die Grippewelle bereits begonnen hat. Insbesondere Menschen ab 60 Jahren, Schwangere ab dem 2. Trimenon oder chronisch Kranke sollten sie in Anspruch nehmen. mit dpa