Winterberg. Schienenersatzverkehr, wenig Werbung und nicht verlässlich: Deshalb fahren die Leute nicht mit dem Zug ins Skigebiet nach Winterberg.

Mit dem Schnee gibt es das immer gleiche Bild: Park-Chaos und Staus in Winterberg durch die vielen Pkw, die Tagestouristen für die Anreise nutzen - auch am vergangenen Wochenende. In der Bahn, dem Regionalexpress 57, der zwischen Dortmund und Winterberg verkehrt, gibt es dagegen regelmäßig noch freie Plätze. Das hatte eine Testfahrt unserer Redaktion auf der Strecke ergeben - und das berichten auch regelmäßige Nutzer dieser Verbindung. Aber wieso nutzen nicht mehr Wintersportler den Zug aus dem Ruhrgebiet ins Skigebiet?

Wird Bahnanreise schlecht beworben?

Zunächst: Offizielle Zahlen zur aktuellen Auslastung der Strecke gibt es nicht - weder vom Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL), der den Schienenverkehr in der Region organisiert und bestellt, noch von der Deutschen Bahn, die im Auftrag des NWL die Strecke mit ihren Zügen bedient. Dies zu recherchieren, sei zu aufwändig, so ein Bahnsprecher. Und so gibt es keine validen Zahlen, welche Auswirkungen der zeitweise Schienenersatzverkehr zwischen Dortmund und Fröndenberg auf die Auslastung des Zuges in den vergangenen Wochen hatte. Bahnreisende aus Dortmund mussten auf dem Teilabschnitt Busse nutzen oder einen Umweg über Hagen nehmen - auch bei unserer Testfahrt am 11. Januar. Doch der Ersatzverkehr ist vorbei: Inzwischen gibt es wochentags im Zwei-Stunden-Takt wieder eine Direktverbindung, am Wochenende sogar stündlich. Die Fahrt dauert 1 Stunde und 43 Minuten von Dortmund nach Winterberg.

Doch zum Beispiel für Günter Wiese gibt es hier ein generelles Problem, das über den Ersatzverkehr hinaus geht. Der Briloner Ratsherr der SPD setzt sich seit Jahren für eine Verbesserung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) im Hochsauerlandkreis ein und reagiert auf den Artikel zur Testfahrt der WP. Ihn verwundert nicht, dass die Bahn ins Skigebiet leer bleibt: „Die Ferienregion Winterberg sollte den Regionalexpress Dortmund-Winterberg stärker bewerben“, meint er. Auch direkt im Zug könne man Werbung platzieren.

Stefan Weh, Mitglied des VCD Kreisverbandes Hochsauerlandkreis  und Mitglied im Landesvorstand aus Eslohe meint, es gebe viele Faktoren, die für leere Züge sorgen.

„Man hat die Bahn bewusst nicht beworben, da man gedacht hat ‚Wir wollen den Leuten diese Qualität nicht antun‘.“

Stefan Weh
VCD Kreisverband Hochsauerland

Dass seit Jahren wenig Werbung für die Anreise mit dem Zug gemacht werde, kann auch Stefan Weh, Mitglied beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) im Hochsauerlandkreis, bestätigen. „Man hat die Bahn bewusst nicht beworben, da man gedacht hat ‚Wir wollen den Leuten diese Qualität nicht antun‘“, berichtet er. Und auch auch Lothar Ebbers von ProBahn NRW sagt: „Die Nachfrage könnte deutlich besser sein.“

Der für die Strecke zuständige NWL (Nahverkehr Westfalen-Lippe) bestätigt tatsächlich, dass die Anreise mit der Bahn nach Winterberg nicht extra beworben werde. Der Grund für die geringe Werbung seitens des NWL, so dessen Sprecher Knut Germann, sei jedoch ein ganz anderer. Diese sei nicht nötig. „Da das Sauerland ganzjährig ein beliebtes Ziel im Freizeitverkehr ist, wird dort das ganze Jahr ein gutes Verkehrsangebot vorgehalten. Dies wird im Regelfall rege genutzt und daher meist nicht gesondert beworben.“

Und die Stadt Winterberg weist den Vorwurf zurück, dass zu wenig für das Zugangebot getrommelt werde. „Wir bewerben die Bahn über alle Social-Media-Kanäle, auf unserer Website und in den Printmedien“, berichtet Winfried Borgmann, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Stadt Winterberg. Ein Interesse an mehr Besuchern, die mit dem ÖPNV anreisen, habe auch die Stadt. „Die Parkplatzsituation wird entlastet und die Anreise wird nachhaltiger. Mit jedem Bahnkunden gewinnen wir.“

Günter Wiese hat den Bürgerbusverein in Brilon initiiert und fährt für den Verein, seit der erste Sprinter durch Brilon rollt. Er setzt sich seit Jahren für den ÖPNV ein.

„Die Ferienregion Winterberg sollte den Regionalexpress Dortmund-Winterberg stärker bewerben.“

Günter Wiese
Briloner Ratsherr der SPD

Schienenersatzverkehr problematisch

So sieht es auch Ralf Hermann, der Sprecher der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH: „Wir freuen uns über jeden, der mit der Bahn kommt.“ Allerdings lässt auch er erkennen, dass es bei der Auslastung der Öffentlichen Verkehrsmittel noch Luft nach oben gibt. Schon seit Jahren nutzten wenige Besucher die Öffentlichen Verkehrsmittel zur Anreise. Und das, obwohl es das Angebot der Bahn schon lange gibt. Eigens eingerichtete Skibusse bringen die Gäste vom Bahnhof auf direktem Weg in die Skigebiete. Ein langer Fußweg vom Bahnhof ist nicht nötig.

„Mit Sack und Pack in den Bus zu steigen ist natürlich nicht attraktiv.“

Ralf Hermann
Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH

„Die Verbindung mit dem Regionalexpress RE57 ist eine gute Möglichkeit für Besucher aus dem Ruhrgebiet, Winterberg zu erreichen“, sagt Hermann. Der zeitweise Schienenersatzverkehr mit Bussen zwischen Dortmund und Fröndenberg sei sicher ein Problem gewesen:. „Mit Sack und Pack in den Bus zu steigen ist natürlich nicht attraktiv.“ Aber der sei ja nun vorbei. Auch die Stadt Winterberg und der NWL hoffen nun, dass die Züge wieder voller werden.

Kein Kombiticket für Winterberg

Doch für den Briloner Ratsherrn und ÖPNV-Freund Günter Wiese ist diese Hoffnung nicht ausreichend: Er bringt die Idee eines Kombi-Tickets in Erinnerung, mit dem man Bus und Bahn nutzen kann und in das der Ski-Pass direkt integriert ist. 2019 war darüber schon konkret diskutiert worden. Doch umgesetzt wurde es nicht. „Leider konnten diese Ideen aufgrund der Komplexität des Nahverkehrssystems und den vielen verschiedenen Verkehrsverbünden sowie den sehr hohen Kosten nicht umgesetzt werden“, so die Stadt Winterberg auf Anfrage. Der Briloner Ratsherr Günter Wiese würde sich wünschen, dass seine Kollegen im Winterberger Stadtrat das Kombiticket noch einmal zum Thema zu machen, um den ÖPNV im Sauerland zu stärken.

Sonderzug nach Willingen zum FIS Skisprung Weltcup

Von Freitag, 31. Januar bis Sonntag, 2. Februar 2025, findet in Willingen der FIS Skisprung Weltcup statt. Hierzu halten während der Veranstaltungstage (Fr./Sa./So.) wieder alle Züge am „Weltcup-Bahnhof“ Willingen-Stryck, von wo aus es nur etwa 5 Minuten Fußweg zur Mühlenkopfschanze sind. Die Anreise mit Bus und Bahn ist für Besucher des Skispringens in Willingen kostenlos, da das Ticket bereits in der Eintrittskarte enthalten ist.

Für eine entspannte An- und Abreise bietet der NWL an den Veranstaltungstagen einen umfangreichen Sonderverkehr im 30-Minuten-Takt an. So ist die halbstündliche An- und Abreise aus dem Ruhrgebiet und dem Hochsauerlandkreis mit den Zügen der Linien RE17 (Sauerland-Express) und RE57 (Dortmund-Sauerland-Express) nach Brilon-Wald möglich. Zwischen Brilon-Wald und Willingen-Stryck verkehren alle 30 Minuten Doppelstockzüge; die Züge der Linien RE17 und RE57 verkehren mit deutlich erhöhter Sitzplatzkapazität.

Für die Abreise nach dem Skispringen gibt es zusätzliche Spätverbindungen vom „Weltcup-Bahnhof“ Willingen-Stryck nach Dortmund Hauptbahnhof mit Halt an allen planmäßigen Unterwegsstationen.

Damit läge der Ball auch bei Torben Firley, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Winterberg (in dem die CDU allerdings die absolute Mehrheit hat). Er ist oft mit der Bahn unterwegs und am Schienenverkehr im Sauerland sehr interessiert. Optimistisch klingt er aber nicht, wenn es um eine Stärkung der Bahn geht: Vor der Corona-Pandemie habe es sogar einmal einen Sonderzug von Duisburg durch das gesamte Ruhrgebiet bis nach Winterberg gegeben. Eingestellt worden sei er aufgrund der zu geringen Nachfrage, sagt Firley und sieht derzeit auch keine generelle Besserung für den RE 57. „Wir können froh sein, dass wir diese Verbindung noch haben“, so der SPD-Politiker. „Der Mensch ist sehr auf seinen eigenen Pkw fokussiert.“

SPD-Politiker Torben Firley ist der Bahnverkehr im HSK ein großes Anliegen.

„Wir können froh sein, dass wir diese Verbindung noch haben.“

Torben Firley
SPD-Politiker Winterberg

Zugtrennung sorgt für falsche Vorstellung

Die Bahnexperten Stefan Weh vom Verkehrsclub Deutschland und Lothar Ebbers von ProBahn NRW erkennen noch einen weiteren Punkt, warum Bahnkunden abgeschreckt werden könnten. Etwa durch die Zugtrennung. Die Kapazitäten der Züge seien halbiert worden, denn nur noch eines der zwei (ehemals drei) Zugteile fahre nach Winterberg, in Bestwig werde der Zug geteilt, so Stefan Weh. Alle Fahrgäste aus dem hinteren Zugteil müssten in den vorderen umsteigen. Leute, die nicht gut informiert seien, könnten denken, der Zug sei dadurch voll.

Und für Lothar Ebbers müsste es auch mehr spätere Verbindungen geben: Mit dem Abendverkehr sei schnell Schluss, wer zu einer Aprés-Ski-Party in Winterberg bleiben will, finde keine Rückfahrmöglichkeit mehr.

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