Elspe. Schauspieler Jean-Marc Birkholz spielt in Elspe derzeit in der Wintershow. Aber das ist nicht alles. Die unbekannte Seite von Winnetou.
Was macht Winnetou eigentlich im Winter? Jean-Marc Birkholz, der beliebte und gefeierte Winnetou-Darsteller des Elspe-Festivals, widmet sich in der kalten Jahreszeit eher wenig bekannten Themen seines künstlerischen Schaffens, die sich aber wie ein roter Faden auch durch die Biographie von Karl Mays literarischer Figur Winnetou ziehen: Heimatlosigkeit. Exil. Wandern zwischen Kulturen und Räumen. Birkholz steht derzeit in Elspe bei der Dinnershow auf der Bühne. Und er hat die ruhigen dunklen Tage genutzt, um eine EP mit Gedichten des belorussischen Poeten Ales Rasanau einzusprechen.
Winnetou, der Action-Held, und Gedichte? Das passt gut, findet Jean-Marc Birkholz. Denn Winnetou ist eben kein Haudrauf im Wilden Westen, sondern vor allem ein Charakter, der nachdenkt und versucht, Konflikte mit dem Kopf zu lösen und nicht mit den Fäusten. Und er ist ein abgrundtief trauriger Protagonist, denn er sieht sein Volk verschwinden und kann das nicht aufhalten.
„Das ist wirklich ein Dichter von Weltruf.“
Auch der Dichter Ales Rasanau (1947 - 2021) war ein Wanderer zwischen den Welten. Er lebte im Exil in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Sehnsucht nach der belorussischen Heimat beschrieb er in Sätzen, die zur Weltliteratur gezählt werden. „Und kann nicht bleiben hier, wo ich heute bin. Mein Raum ist die Grenze“, heißt es in einem Ausschnitt des Gedichtes „Von hier an“. „Rasanaus Worte machen weite Räume auf. Das ist wirklich ein Dichter von Weltruf. Er beschreibt existenzielle Erfahrungen in sehr ungewöhnlicher Weise“, sagt Jean-Marc Birkholz. Rasanaus Lyrik trifft die Schrecken und Visionen unserer Zeit. Er schafft rätselhafte Bilder etwa von Mauern, die Schutz und Gefängnis zugleich sind, „denn du bist noch nicht imstande, / nicht zu sterben“. Jean-Marc Birkholz: „Es ist großartig, was für Gefühlswelten da aufgehen.“
Exil im Sauerland
Birkholz ist selbst betroffen von den Erfahrungen, die den Dichter Rasanau umgetrieben haben. Elspe ist für ihn zur Zuflucht geworden. Denn in die schöne Eigentumswohnung, die er und seine Frau Valentina Gartsueva in Minsk besitzen, kann das Ehepaar nicht zurück. Die Familie seiner Frau ist politisch verfolgt und lebt im Exil. Valentina war erste Schauspielerin am Nationaltheater in Minsk. Jetzt versucht sie, in Polen Rollen zu bekommen. Die Weihnachtstage verbringt das Paar in Elspe, in Winnetous Hütte auf dem Berg mit ihrem bullernden Kaminofen. Jean-Marc und Valentina unternehmen im Sauerland gerne lange Spaziergänge, auch um sich die Last von der Seele zu laufen. „Meine Frau vermisst ihre Heimat unglaublich. Sie verfolgt täglich die Nachrichten. Und dann siehst Du, wie sich Dein Land immer mehr verändert, in eine Richtung, die nicht die Deine ist, und Du kannst gar nichts machen“, beschreibt Birkholz die Situation.
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Diese Gefühlslage im Exil spiegeln die Gedichte von Rasanau. Und Jean-Marc Birkholz gibt ihnen mit seiner Kunst Präsenz und Nähe und Tiefe. Die große Winnetou-Fangemeinde schätzt das Spiel von Jean-Marc Birkholz auch wegen dessen klangvoller tiefer Stimme. Bei Lesungen kommt er damit seinem Publikum nahe. Doch in der Gedicht-Rezitation liegt eine besondere Bestimmung des Schauspielers, der die Poesie liebt. Die Texte nimmt er in seinem eigenen Studio auf. „Hauptsächlich kommt es von innen, ich versuche, die richtige Rezitation aus mir herausfließen zu lassen. Vorher beschäftige ich mich sehr lange mit dem Text.“ Der belorussische Rockpoet Dsmitryi Wajzjuschkewitsch hatte die Idee zu dem Gedichtprojekt und hat Birkholz angefragt. Von ihm stammen auch die kongenialen vielfarbigen Vertonungen der Texte.
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Jean-Marc Birkholz ist schon früh in seiner Karriere mit der Figur des Winnetou in Berührung gekommen. Nach der Schauspielschule in Berlin wurde er Ensemblemitglied der Landesbühne Sachsen und spielte 2001 erstmals den Apachenhäuptling auf der Felsenbühne Rathen. Seit 2012 ist er er Winnetou-Darsteller des Elspe-Festivals und widmet sich zugleich mit Lesungen und Hörbuchproduktionen dem Schriftsteller Karl May. Außerdem ist Birkholz die Gesangsstimme von Ritter Rost. Und ein gefragter Filmschauspieler; im Januar und Februar wird er erneut in Thailand für die Serie „Land of Smiles“ vor der Kamera stehen.
Das wird ein großer Kontrast zum geliebten Sauerland, wo Birkholz aktuell als Winnetou in der Dinnershow auf der Bühne steht. Es ist das erste Mal, dass der Freund Old Shatterhands in der Weihnachtsproduktion des Elspe-Festivals mitwirkt. „Die Karl-May-Szene feiert die Dinnershow gerade. Es ist so gut verkauft wie selten, es gibt nur noch Restkarten“, freut er sich.
Dinnershow beim Elspe Festival: Das sind die ersten Eindrücke
In seiner Freizeit lässt Jean-Marc Birkholz den Frieden der Sauerländer Landschaft in sich klingen, die Exil und Heimat zugleich geworden ist. „Ich mag die Stille hier oben auf dem Berg.“
Jean-Marc Birkholz: „Von hier an“: digitale EP mit sechs Gedichten von Ales Rasanau. Bei allen Streamingdiensten.