Hagen. Das Land wird schlechter geredet, als es in Wahrheit ist. Daher ist es höchste Zeit, an einen besonderen Helden zu erinnern.
Vor einigen Tagen starb Hubert Schilles. Der Name wird Ihnen nicht viel sagen; es handelt sich um den Landwirt, der während der Flut 2021 den verstopften Grundabfluss der Steinbachtalsperre im Kreis Euskirchen freibaggerte. Der Damm drohte zu brechen. Das hätte viele Menschen in Lebensgefahr gebracht. Also setzte sich Schilles auf seinen Bagger, fuhr unter die aufgeweichte Staumauer und tat, was getan werden musste, den Rosenkranz fest in der Hand. Dafür gelobt werden, das wollte er nicht.
Warum ich hier an ihn erinnere? Weil mir beim Lesen der Todesnachricht etwas klar wurde: Hubert Schilles ist der Gegenentwurf zu dem zerstrittenen Deutschland, das herbeigeredet wird. Unser Land ist nicht so, wie es derzeit gemalt wird. Es ist reich an Heldinnen und Helden, die in schwierigen Situationen anpacken, die oft unangenehme Aufgaben auch im Ehrenamt erledigen, die dranbleiben. Nur werden sie nicht gesehen.
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Die Trumps und die Musks zeigen in den USA jetzt der freien Welt, was Rücksichtslosigkeit und das Recht des Stärkeren bedeuten, und natürlich wollen bei diesem Spiel auch in Europa mehrere Politiker mitspielen. Leider gibt es viel zu viele Wähler, die Unanständigkeit honorieren und dem größten Quälgeist vom Bolzplatz nachlaufen.
Die FDP hat im politischen Berlin die Demokratie beschädigt, das unwürdige Spektakel deprimiert mich immer noch. Und dennoch muss ich mir sagen: Verantwortungsloses Verhalten ist eben (noch) nicht repräsentativ; die meisten Politiker, auch solche, die nicht meine Positionen vertreten, erfüllen ihre Pflichten redlich.
In den USA wird Politik über Feindbilder gemacht, nicht mehr über Sachthemen. Das funktioniert, weil Kulturkämpfe starke Emotionen ansprechen. Aber mit der Methode kommt ein Land nicht voran. Bei uns arbeiten die Populisten ebenfalls mit Feindbildern, das ist ihr Erfolgsgeheimnis. Und nicht nur sie. Es gibt sogar bürgerliche Politiker, die dieser Versuchung erliegen. Da werden abstruse Fronten aufgemacht, wie die, dass die Großstädter ihre Probleme auf dem Rücken des ländlichen Raums lösen wollten. Am Stammtisch mag das Klischee viel Beifall bringen. In der Realität sind die Verhältnisse komplexer, es gibt eher Zickzack-Gräben als gerade Fronten.
Auf den Wahlkampf bin ich gespannt. Der künftige Bundeskanzler muss Vertrauen zurückgewinnen. Er wird wissen, dass die Wähler sich angesichts des Gezänks nach Ruhe und Sachlichkeit geradezu sehnen.