Hagen. Politikerinnen sind häufig Zielscheibe von Hass und Drohungen. Die Gesellschaft nimmt es hin. Was das mit Ricarda Lang zu tun hat.
Respekt. Ricarda Lang und Omid Nouripour haben mit ihrem Rücktritt Verantwortung übernommen. Diese Haltung lassen die anderen Parteien vermissen. Die Liberalen zum Beispiel suchen die Schuld für ihre desaströsen Wahlergebnisse bei der Ampel, deren Teil sie ohne Zwang geworden sind und wo sie keinen guten Job machen. Aber FDP-Vize Kubicki droht seinem eigenen Bündnis seit der Brandenburg-Wahl mit Koalitionsbruch. Keine Spur von Einsicht in hausgemachte Fehler. Ein Lehrstück über Egoismus, nicht schön.
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Ich teile viele Positionen der Grünen nicht. Doch ich fand das Auftreten von Lang und Nouripour meistens reflektiert, oft selbstkritisch und ihrem Amt angemessen. Sie haben eine steile Lernkurve hinter sich, denn bei der Bundestagswahl 2021 waren die Grünen mit 14,7 Prozent im Höhenflug. Klimaschutz war das drängende Thema, gerade bei der Jugend. Der Ukraine-Krieg und die nachfolgenden Energiesorgen pulverisierten die Klimafrage im Bewusstsein der Bevölkerung, besonders im Osten. Die Grünen haben das nicht schnell genug verstanden.
Was mich als dicke Frau erschüttert, ist der Hass, den Ricarda Lang wegen ihres Körpers aushalten muss, und der auch in meine Social-Media-Kanäle gespült wird. Ekelhafteste Kommentare über Frau Langs Figur werden geifernd geteilt, sogar von braven CDU-Anhängern. Die Tatsache, dass sie ihr Studium abgebrochen hat, ist für viele Männer Zielscheibe erniedrigender Bemerkungen - die dann aber nicht erklären können, warum sie keine Kommentare über Paul Ziemiak und weitere prominente Politiker ohne abgeschlossene Ausbildung machen. Weil es eben um Frauenhass geht.
Die Grünen verächtlich zu machen und Angst vor der Zukunft zu schüren, ist eine Aufgabe der russischen Propagandatrolle, wie bei der jüngst aufgedeckten „Doppelgänger“-Kampagne deutlich wurde. Doch Angriffe und Hassrede, die persönlich und sexualisierend sind, treffen vor allem Frauen. Beim Thema Hass auf Politikerinnen scheinen die Dämme des gesellschaftlichen Miteinanders parteiübergreifend gebrochen zu sein, ohne dass die betroffenen Frauen Solidarität erfahren. FDP-Leuchtturm Marie-Agnes Strack-Zimmermann stellt nach eigenen Angaben 200 Anzeigen im Monat.
Und wir nehmen das hin. Wir führen erregte Debatten über die unwichtigsten Themen. Aber Hass und Drohungen gegen Politikerinnen scheinen gesellschaftlich akzeptiert zu sein, da regt sich keiner groß auf. Das wird uns noch sehr auf die Füße fallen.