Hagen. Der Comedian und zwei Podcaster haben mit Bemerkungen über Behinderte einen Streit ausgelöst. Ab wann ist ein Witz nicht mehr lustig?

Wie ist eigentlich die Höflichkeit in die Welt gekommen? Der Anstand, der Takt, die Herzensbildung? Historisch gesehen kam das Faustrecht schon im Mittelalter aus der Mode. Es erwies sich als unpraktisch, die Dinge von Raufbolden mit Schwertern regeln zu lassen, denn die sich entwickelnde Gesellschaft brauchte Leute mit Verstand und diplomatischem Gespür. Die Höflichkeit wird an den mittelalterlichen Höfen geboren und vom Bürgertum rasch übernommen.

Der Raufbold von heute tobt sich im Internet aus. Grenzen zu überschreiten, wird für die Einen zum politischen Geschäft, für die Anderen zum geldwerten Schrei nach Aufmerksamkeit. So der Comedian Luke Mockridge und die Podcaster Shayan Garcia und Nizar Akremie, die mit abstoßenden Äußerungen über Behinderten-Spitzensportler und Nachäffungen von spastischen Bewegungen eine Debatte angestoßen haben: Was darf Humor und wo sind die Grenzen? Der Witz ging so: „Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen“, sagte Mockridge, und alle drei brüllten vor Lachen.

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Die Kritik daran ist heftig.  Mockridge hat sich entschuldigt, sieht sich aber ungerecht behandelt, zumal er angeblich Morddrohungen deswegen erhalten habe. Die Podcaster hingegen verkaufen sich angesichts des Widerspruchs ganz ohne Scham als Opfer einer Verbotskultur, sie sprechen von Hetze und natürlich davon, dass man ja nichts mehr sagen dürfe.

Erstaunlicherweise sind es immer jene Leute, die klagen, dass man nichts mehr sagen dürfe, die viel sagen, und zwar oft ekelhafte Sachen. Nur können sie das Echo nicht vertragen.  Die Frage ist nicht, ob man nichts mehr sagen darf, sondern, ob man wirklich alles sagen muss. Natürlich darf man Witze über Behinderte, Blondinen, Ostdeutsche, Juden, den Papst, Allah und AfD-Wähler machen. Und natürlich gehört es zum Leben, auszuhalten, dass man beleidigt wird. Aber die Witze sollten dann bitteschön auch witzig sein.

Die Erkenntnis, dass die Menschen in ihrer Vielfalt in einer Gesellschaft aneinander vorbeikommen müssen, wobei ein gewisses moralisches Gerüst sehr hilft, markiert nach Ansicht von Forschern die Entwicklung einer Zivilisation. Wir befinden uns diesbezüglich wohl im freien Fall rückwärts. Das Anstrengende bei all den Witzeklopfern ist doch, dass keiner von denen auch nur einen Funken Humor in sich hat. Und über sich selbst lachen können sie schon gar nicht.