Hagen. Deutschland vermisst seine Altkanzlerin, und das nicht nur wegen der Kartoffelsuppe. Selbst frühere Gegner wünschen sich Merkel zurück.

Ob Putin die Ukraine im Februar 2022 ebenfalls angegriffen hätte, wenn Angela Merkel noch Bundeskanzlerin gewesen wäre? Diese Frage wird anlässlich des 70. Geburtstages der früheren Regierungschefin diskutiert. Sie lohnt einige Überlegungen, denn dadurch kann man besser fassen, wie außergewöhnlich diese Frau ist und was wir vermissen, seit sie sich entschied, ihre Laufbahn zu beenden.

Mehr zum Thema

• Emil Schumacher: In Schmallenberg so gern wie in New York
• Hundekot in der Mülltonne? Worüber sich Hausbesitzer ärgern
• Theater Hagen: Neuer Intendant will mit dem Leierkasten raus

Putin hätte sich nicht getraut. Denn die größte Stärke von Angela Merkel war sicherlich, dass sie selbst widerstreitende europäische Kollegen hinter einem Ziel versammeln konnte, und zwar völlig unaufgeregt, unideologisch und pragmatisch. Meines Erachtens war Kanzlerin Merkel die einzige Persönlichkeit in Europa, vor der Putin Angst hatte. Ihre Nachfolger bestätigen, warum. Was macht Kanzler Scholz mit als erstes? Er lässt die deutsch-französische Freundschaft schleifen, weil er schlechthin nicht versteht, warum sie wichtig ist. Putin lacht sich kaputt. Was macht die Ampelkoalition in Sachen Ukraine? Gibt zwar viel Geld, lässt das überfallene Land waffentechnisch jedoch am langen Arm verhungern. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.  

Und jetzt stehen wir da, die Ampel wackelt hin und her, während Frankreich in eine große Krise schlittert. Und die USA? Ein greiser Präsident, dem die eigenen Leute den Job nicht mehr zutrauen, und der nächste könnte völlig unberechenbar werden, getrieben von Ölkonzernen und evangelikalen Religionsfanatikern. Wer nicht begreift, wie wichtig ein starkes Europa ist, dem ist nicht zu helfen.

Seit langem kritisiert ihre eigene CDU die frühere Frontfrau Merkel hart. Sie habe das Profil der Partei zerlegt. Nun, sie konnten ja jetzt ungestört an einem Profil arbeiten. Herausgekommen ist nicht viel. Die Frage nach der Ethik konservativer Politik bleibt bis heute unbeantwortet.

Das Ansehen Deutschlands in der Welt war unter Angela Merkel herausragend. Auch im Land genoss sie breites Vertrauen, selbst bei Leuten, die sie nie gewählt hätten. Sie konnte die Ränder am Auseinanderdriften hindern. Das gelingt vielleicht nur einer Persönlichkeit, deren Lieblingsessen Kartoffelsuppe ist.

Und dann die Flüchtlinge 2015. Ihre umstrittenste Handlung. Mir imponiert ihre Entscheidung immer noch, die Grenzen zu öffnen. Denn Angela Merkel hat sich dabei von ihrem christlichen Rückgrat leiten lassen. Beides, das Rückgrat und das Christliche, vermisse ich heute. Daher: Dankeschön, Frau Merkel.