Hagen/Schmallenberg. Die Werke des berühmten Künstlers sind im Museum Holthausen zu sehen. Warum die Ausstellung nur mithilfe von Ehrenamt möglich wird.

Hirte mit Schaf gehört zu den ältesten Motiven der bildenden Kunst. Solche Zeichnungen und Statuen reichen bis weit in die Antike zurück. Der international bekannte Hagener Künstler Emil Schumacher (1912-1999) greift das Thema ebenfalls auf – als Vertreter der zeitgenössischen Avantgarde. Seine Pastoralen sind Naturbeobachtungen und zugleich eine Verdichtung dieses bedeutenden kulturgeschichtlichen Sujets auf dessen Essenz. Zu sehen sind Schumachers Schäfer und Schafe derzeit im Museum Holthausen in Schmallenberg. Die vom Hagener Emil-Schumacher-Museum kuratierte Ausstellung „Emil Schumacher. Zwischen Himmel und Erde“ ist Teil des Festivals Spiritueller Sommer. Sie ermöglicht mit 30 außergewöhnlichen Arbeiten überaus spannende Einblicke ins Spätwerk des Künstlers.

„Das sind schöne Bilder.“

Ferdi Hennemann
Vorsitzender des Museumsvereins in Holthausen

„Das sind schöne Bilder. Die Besucher, die bisher da waren, sind alle total begeistert“, freut sich Ferdi Hennemann als Vorsitzender des Museumsvereins in dem Dorf Holthausen, einem Ortsteil von Schmallenberg. Das reizvolle kleine Museum ist dem Schieferbergbau gewidmet, verfügt aber auch über Ausstellungsräume, welche für die Präsentation von großer Kunst technisch ertüchtigt sind. Werke von Picasso und Matisse waren bereits in Holthausen zu sehen. Nun also Emil Schumacher, der Pionier des Informel, dessen großformatige Gemälde in allen bedeutenden internationalen Museen hängen.

Schafe, Schäferkarren und eine Himmelsleiter, die nach oben führt: Diese unbetitelte Papierarbeit aus dem Jahr 1992 ist in Schmallenberg-Holthausen zu sehen.
Schafe, Schäferkarren und eine Himmelsleiter, die nach oben führt: Diese unbetitelte Papierarbeit aus dem Jahr 1992 ist in Schmallenberg-Holthausen zu sehen. © Emil Schumacher Museum- Hagen | Emil Schumacher Museum Hagen

Die Ausstellung lenkt den Blick auf die kleinen, intimen Formate.  Das Besondere: Der Museumsverein mit seinen 23 Mitgliedern organisiert die Aufsichten im Ehrenamt; die Rentner sind an den Wochentagen im Einsatz, die Berufstätigen am Wochenende.  Dem Ort liegt es am Herzen, dass die Schumacher-Ausstellung ein Erfolg wird. „Es war eine ganz tolle Zusammenarbeit mit dem Hagener Museum“, lobt Hennemann. „Mehreren Mitgliedern des Museumsvereins war Emil Schumacher bereits ein Begriff, außerdem hat der Verein das Museum in Hagen besucht, um sich ein Bild zu machen.“ Museumsdirektor Rouven Lotz gibt das Lob gerne zurück: „Emil Schumacher hätte sich über eine solche Einladung nach Schmallenberg sehr gefreut. New York oder Schmallenberg, das machte für ihn keinen Unterschied.“

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Thematisch haben Kuratorin Michelle Reutter und Kurator Dominik Olbrisch aus dem reichen Schaffen Schumachers Werke ausgewählt, die sich mit dem Landleben beschäftigen und mit Motiven des bäuerlichen Arbeitens. Für Kunstfreunde lohnend ist diese Zusammenstellung, weil man den in Holthausen gezeigten Emil Schumacher kaum kennt. Das ist nicht der Maler der riesigen abstrakten Leinwände, sondern der Schöpfer alltäglicher ländlicher Beobachtungen, alle unbetitelt, die fast wie ein privates Tagebuch wirken.

Noch ein Schaf: Auf diesem unbetitelten Bild von 1991 hat sich Emil Schumacher unter anderem für die komplexe Beinstellung der Tiere interessiert. Es ist in Schmallenberg-Holthausen zu sehen.
Noch ein Schaf: Auf diesem unbetitelten Bild von 1991 hat sich Emil Schumacher unter anderem für die komplexe Beinstellung der Tiere interessiert. Es ist in Schmallenberg-Holthausen zu sehen. © Emil Schumacher Museum- Hagen | Emil Schumacher Museum Hagen

Emil Schumacher ist zeitlebens gerne und viel in der Natur gewandert. Was er dort sah, faszinierte ihn ungemein: die Schöpfung in all ihrer Pracht, so verletzlich, so gefährdet und so wunderbar.  Bäume mit ihren bizarr und kunstvoll sich in den Himmel streckenden Ästen, Weiden mit grasenden Tieren, Pferde, viele Schafe, Schäferkarren, Vögel auf den abgeernteten Feldern und Vögel in der Unendlichkeit und Unfassbarkeit des blauen Himmels. Dazu die Zeugnisse menschlicher Kultur: Das Rad und die Leiter als technische Artefakte, die jeweils zivilisatorische Entwicklungssprünge markieren, aber auch Ur-Symbole sind. Vor allem die Leiter verbindet, unter anderem als Jakobsleiter, in der abendländischen Motivtradition ja Himmel und Erde. Eine pastorale Szene ohne Titel, das Bild GE-4-aus dem Jahr 1992, kombiniert all diese Elemente. Wir sehen den Schäferkarren mit dem überdimensionierten Rad – Hirte ist einer der ältesten Berufe der Menschheit. Wir sehen die Tiere wie kleine Himmelswölkchen auf dem erdigen Grund, und wir sehen vor allem die Leiter, die sich von der Erde bis hoch ins Blau des Himmels reckt.

Emil Schumacher und seine Frau Ulla auf einer Fotografie von 1989.
Emil Schumacher und seine Frau Ulla auf einer Fotografie von 1989. © Emil schumacher Museum Hagen / fotograf Stefan Moses | Emil Schumacher Museum Hagen. Fotograf: Stefan Moses

Was Emil Schumacher als Künstler so einzigartig macht, ist sein Umgang mit diesen alltäglichen Szenen, die er bei seinen Spaziergängen fand: rund um Hagen, im Sauerland sowie im Engadin (Schweiz) und auf Ibiza, wohin er gerne reiste. Er malt Schaf und Wiese, Baum, Vogel und Himmel nicht realistisch, sondern er verdichtet das, was er sieht, gleichsam zu seiner Essenz. Emil Schumacher geht es darum, das innerste Wesen, die innerste Form, zu ergründen und zu erfassen, die überzeitliche Substanz. In dieser Herangehensweise ähnelt er einem Lyriker, der ebenfalls viele Erfahrungen zu knappen Sprachbildern verdichtet.

Schäfer und Schafe

So sehen wir Schumachers Schäfer und Schafe, seine Bäume und Vögel eben nicht mehr als Momentaufnahmen, entstanden bei Spaziergängen, sondern als Reduktion auf die Substanz. Damit verwandelt er aber seine Motive, sie werden allgemeingültig, sie werden transzendent.  Besondere Aufmerksamkeit widmet Schumacher der Darstellung des Schafes in der Pastorale GG-23 aus dem Jahr 1991. Die komplexe Beinstellung der Herdentiere scheint ihn interessiert zu haben, sie ist anatomisch korrekt wiedergegeben. Das Schafsfell reizt Schumachers Künstlerauge. Die gelockte Wolle wird durch den pastosen Farbauftrag sogar ins Dreidimensionale, Skulpturale erweitert. Mit seinem Weiß bildet das Schaf das auffällige Zentrum des Bildes und steht im Dreiklang mit der Bläue des Himmels und dem erdigen Braun des Schäfers in seiner Tracht, der aus dem Boden schier herauszuwachsen scheint. Das Licht, welches das Schaf auf sich konzentriert, lässt sich durchaus in der Motivtradition eines Lamm-Gottes in den Altären der Alten Meister interpretieren.

Das Spätwerk Emil Schumachers steckt voller Überraschungen. Es ist noch wenig im Bewusstsein der Kunstszene. Damit bietet die Ausstellung in Holthausen eine Chance, an den überwiegend intimen Papierarbeiten das letzte Kapitel im Schaffen des großen Malers zu entdecken.

Ausstellung: Emil Schumacher: Zwischen Himmel und Erde. Bis 15. September, Museum Holthausen. Schmallenberg-Holthausen. www.museum-holthausen.de