Lennestadt.. Beim Elspe-Festival reiten sie wieder. Wir haben eine Probe von „Das Halbblut“ besucht, dem neuen Stück. Warum Winnetou so traurig ist.
Die Geschichte ist düster und mehr als spannend. Es geht um den Verlust der Heimat und um Verrat. Was wird aus den Menschen im Wilden Westen, die in keine der Schubladen passen? So wie Senanda mit dem roten Vater und der weißen Mutter, der von seinem Komantschen-Volk vertrieben wird. Sein Schicksal erzählt das Elspe-Festival in dieser Spielzeit in „Das Halbblut - Kampf auf Leben und Tod“ als tragischen, actionreichen Zusammenprall der Kulturen.
Noch proben sie auf der großen Naturbühne. Die Premiere von „Das Halbblut – Ein Kampf auf Leben und Tod“ ist am 22. Juni. Winnetou und Old Shatterhand sitzen fest im Sattel, tragen aber in der Probe nur Kostüm und keine Maske. Jean-Marc Birkholz eröffnet das Stück in ungewöhnlicher, atemberaubender Weise. Elspe-Fans wissen: Normalerweise wird erst die Situation geschildert, es gibt Einblicke in die verschiedenen Milieus, Indianerdorf, weiße Siedlung, Indianerreiter und Banditen, Postkutsche, Verfolgungsjagden, romantische, komische, actionreiche Szenen, sodass gleich zu Anfang ein stimmungsreiches Wildwest-Genregemälde entsteht. Und dann ertönt die Winnetou-Fanfare, und der berühmteste aller Indianer reitet endlich den Hügel hinab.
Das Bühnenbild ist spektakulär. Ein Fort, so groß wie drei Einfamilienhäuser dominiert die Szenerie, mit einem Wachturm, an dem die amerikanische Flagge hängt. Das Publikum ahnt, dass mit diesem Fort noch etwas passieren wird, und die Erwartungen werden nicht enttäuscht. Das gigantische Gebäude fliegt am Schluss in die Luft und verschwindet dabei dank der Untermaschinerie gleichzeitig in der Versenkung. Solchen Theaterzauber gibt es nur in Elspe.
Das neue Stück ist ausgesprochen temporeich. Darin zeigt sich die Handschrift von Regisseur Marco Kühne, der seit dem Tod seines Vaters, des legendären Elspe-Gründers Jochen Bludau, die Festspiele leitet. Von Jochen Bludau stammt die Bühnenbearbeitung der Karl May-Romane „Halbblut“ und „Der schwarze Mustang“ zum aktuellen Stück. Marco Kühne hat das Textbuch leicht bearbeitet. „Der Actionanteil ist erhöht“, sagt er. „Wir haben dieses Jahr jede Menge Action drin, denn ich komme aus der Action.“ Kühne hat früher die großen Stunts in Elspe ausgeführt, zum Beispiel ist er brennend von einem zehn Meter hohen Felsen gesprungen. „Für unsere Actionszenen sind wir in Elspe bekannt.“ Entsprechend gibt es sechs zusätzliche Stuntreiter im Ensemble, die atemberaubende Reiterakrobatik ausführen.
„Wir haben dieses Jahr jede Menge Action drin.“
Doch die Wildwestromantik kommt nicht zu kurz. Der gemütliche Sheriff Barker (Oliver Fleischer) trifft auf den skurrilen britischen Lord Castlepool (Markus Lürick), der aus dem ausgeräucherten Zug steigt und gänzlich unbeeindruckt von den Konflikten um ihn herum der Schmetterlingsjagd frönt. Die vierspännige Postkutsche hält im Eisenbahner Camp und man glaubt einfach nicht, was dann passiert. Nicht weniger als sieben verwegene Gesellen entsteigen dem kleinen Gefährt, es sind die Eisenbahnbauer unter der Führung von Sam Hawkins (Matthias Schlüter), der mit seinem irren Kichern potenzielle Feinde zur Verzweiflung treibt.
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Der Mann für die Finsterlinge
Sebastian Kolb ist der Mann für die Finsterlinge in Elspe. Mit General Bentler füllt er nun einen Charakter mit Leben, der keine Zweifel kennt. Bentler ist ein Rassist. Punkt. Er ist stolz auf seinen lockeren Abzug. In einem Atemzug kann er sich brüsten, wie er einen Komantschen abgeknallt hat und dann fragen, ob das Essen fertig ist. Das Essen liegt ihm dabei mehr am Herzen als der Mord. Denn: „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“ Der selbst ernannte Komantschenanführer Kita Homascha (Tim Forssman) hat den Häuptlingssohn Senanda (Jonathan Elias Weiske) nach einem unfairen Gottesurteil aus dem Stamm vertrieben; jetzt führt er sein Volk in einen aussichtslosen Krieg. Senanda wiederum sinnt auf Rache.
Es ist immer wieder erstaunlich, mit wie viel Theaterinstinkt das Elspe-Festival die 100 Meter breite Naturbühne bespielt. Die 65 Darsteller und 50 Pferde könnten sich in diesem Breitwandformat regelrecht verlieren, hätte man nicht unterschiedliche Spielebenen geschaffen, welche die Höhe des Geländes ausnutzen und den Einsatz der Dampflok ermöglichen. So dürfen die Pferde sogar galoppieren und dabei gefallene Reiter mitschleifen, und es entstehen überwältigende, eindrucksvolle Bilder. In dieser Spielzeit sind sie sogar noch eindrücklicher, denn das Elspe-Festival hat in eine neue Lichtanlage investiert und kann bei den Abendvorstellungen die Szenerie jetzt auf dem neuesten Stand der Technik ausleuchten.
Jean-Marc Birkholz als Winnetou und Martin Krah als Old Shatterhand haben es nicht leicht, in dieser explosiven Gemengelage das Richtige zu tun und vor allem, zu verhindern, dass noch mehr Indianer abgeschlachtet werden. Sogar auf der riesigen Bühne gelingt es den beiden großartigen Darstellern, diese Aufgabe mit Zwischentönen zu füllen. Held zu sein, das bedeutet für Winnetou und Old Shatterhand in dieser Erzählung, sich einer ausweglosen Situation zu stellen und darin für das Gute einzutreten, wenigstens für einige kleine Momente die Welt besser zu machen, immer überschattet von der Gewissheit, dass es für die einst blühende Kultur der Indianer schon zu spät ist. Aber wenigstens soll sie nicht in Vergessenheit geraten.
Die Premiere von „Winnetou und das Halbblut – Ein Kampf auf Leben und Tod“ beim Elspe-Festival ist am 22. Juni; das Stück wird bis zum 7. September gespielt. Karten und Infos: www.elspe.de