Lüdenscheid. Der Neubau der Rahmedetalbrücke soll in maximalem Tempo erfolgen. Welche Schritte sind nötig? Und wo kann Zeit gespart werden? Eine Übersicht.
Seit der Vollsperrung der Autobahn 45 bei Lüdenscheid wegen der maroden Talbrücke Rahmede geht es nur um eines: Wann wird die neue Brücke endlich stehen, damit Pendler, Anwohner und Spediteure ihre Sorgen wieder los sind? Acht bis zehn Jahre dauere es, bis ein solches Bauwerk normalerweise realisiert sei, sagt Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn-GmbH Westfalen. Einigkeit herrscht, dass es so schnell wie möglich gehen muss.
Aber was ist möglich? „Wir wissen, dass wir schneller bauen können. Es kann doch nicht sein, dass man länger plant und skizziert als man für den tatsächlichen Bau braucht“, kritisiert Dr. Heinrich Bökamp, Prüfingenieur für Baustatik und Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen: „Zwei Jahre reine Bauzeit sind zu veranschlagen, also muss die Planung ebenfalls innerhalb von zwei Jahren erfolgen.“ Ist das realistisch? Welche Schritte sind es, die gegangen werden müssen? Der Versuch der Ordnung eines komplexen Ablaufs, in dem vieles gleichzeitig geschehen muss.
Schritt 1: Vorplanung
Dabei handelt es sich um vorbereitende Arbeiten, die derzeit schon laufen: Erstellung eines Bodengutachtens, Vermessung des Geländes, rechtliche Prüfungen, Überlegungen zum Thema Lärm- und Naturschutz. Sieben externe Ingenieurbüros kümmern sich derzeit um diese und weitere Fragen. Auch um die Frage zum Abriss der bestehenden Brücke. Favorisierte und schnellste Variante: eine Sprengung. Allerdings befinden sich unter der Brücke Gebäude, die es zu schützen gilt. Wenn eine Sprengung unmöglich sei, müsse neu überlegt werden, heißt es von der Autobahn GmbH. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hält es für denkbar, mit dem Abriss der Brücke in acht Wochen zu beginnen.
Schritt 2: Ausschreibung
Handelte es sich um eine völlig neue Planung, wäre über eine europaweite Ausschreibung ein Ingenieurbüro zu beauftragen. Da aber seit einigen Jahren bekannt ist, dass die Brücke mindestens mittelfristig erneuert werden muss, ist bereits das Büro Obermeyer mit der Vorplanung befasst – nun allerdings unter erhöhtem Zeitdruck.
Es existiert ein Vorentwurf. Veränderungen sind möglich und nicht unwahrscheinlich. Die Varianten werden verglichen und eine auserwählt. Kriterien dafür: Tragfähigkeit, Kosten, Gestaltung, Umweltschutzauflagen, Bauzeit, Robustheit und Nachhaltigkeit.
Schritt 3: Entwurfsplanung
Die Entwurfsunterlagen, die zum Teil im Schritt Vorplanung entstehen, werden gesammelt und vervollständigt: Straßen- und brückenbautechnische Unterlagen werden ebenso zusammengetragen wie Vorgaben zu Wasser, Umwelt- und Naturschutz. Auch Fragen von Grunderwerb werden erörtert: Welche Flächen unter oder neben der Brücke müssen von der Autobahn GmbH angekauft werden, für welche muss sie wegen Nutzung (zum Beispiel für Baustraßen) Entschädigungen an die Eigentümer zahlen. Hinzu kommt laut Bökamp „der endgültige technische Entwurf sowie eine Kostenberechnung“.
Schritt 4: Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung
Laut Leitfaden der NRW-Bezirksregierungen gilt die Pflicht zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung „für die Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können“. Sie umfasst „die Zusammenstellung, Aufbereitung und Zurverfügungstellung von Informationen über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, die erforderlich sind, um es zu verwirklichen und über die voraussichtlichen Auswirkungen“.
Allerdings spekuliert nicht nur die Autobahn GmbH auf einen sogenannten „Fall unwesentlicher Bedeutung“, der auf ein neuerliches Genehmigungsverfahren verzichtet. Dies kam auch beim Ersatzneubau der Lennetalbrücke in Hagen zum Einsatz. Auch die wurde – wie im Fall Rahmede geplant – von vier auf mögliche sechs Fahrspuren ausgebaut. Im Fall Talbrücke Rahmede werde „die vorhandene Brücke im wesentlichen nur ausgetauscht. Eine Alternative mit großem Veränderungspotenzial existiert hier nicht“, wie Heinrich Bökamp sagt. „Wenn im wesentlichen nur ausgetauscht wird, muss die Frage erlaubt sein, wo entsteht überhaupt Bedarf für neue Genehmigungsverfahren.“
Schritt 5: Planfeststellungsverfahren:
„Dies ist das eigentliche Genehmigungsverfahren. Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird die Genehmigung zur Realisierung erteilt“, erklärt Bökamp. Zum Prozedere gehört ein Anhörungsverfahren, in dem alle von der Maßnahme betroffenen Bürgern und Institutionen die Möglichkeit eröffnet wird, Einwendungen gegen die Planung zu erheben. Betroffene Institutionen sind zum Beispiel die Bezirksregierung Arnsberg und die Stadt Lüdenscheid, aber auch Umweltschutzverbände.
Bökamps Erfahrung nach könnte an dieser Stelle besonders viel Zeit eingespart werden. „Zum einen sind es zu viele Beteiligte, die mitreden. Aber niemand lässt sich gern etwas wegnehmen. Und zweitens werden diese Beteiligten nacheinander einbezogen statt gleichzeitig. Das ist in Verwaltungen leider oft so. Es gibt Hierarchien, die besagen: Erst schauen wir darauf und geben grünes Licht, bevor es die untergeordnete Behörde zu sehen bekommt. Das ist aber nicht mehr zeitgemäß.“
Nach Würdigung aller Einwendungen fällt die Entscheidung über die Genehmigung durch das Fernstraßenbundesamt in Berlin. „Gegen den Planfeststellungsbeschluss kann geklagt werden, was in der Regel für große Verzögerungen verantwortlich ist“, sagt Bökamp. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) schließt diesen Schritt zumindest nicht aus. Er besteht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung.
Schritt 6: Vergabe
Die Suche nach einer Baufirma beginnt mit einer europaweiten Ausschreibung der Bauarbeiten, „wenn Baurecht und Grunderwerb vorhanden sind“, heißt es von der Autobahn GmbH Westfalen. Möglich auch, dass es eine funktionale Ausschreibung geben wird, bei der Planung und Bau aus einer Hand erfolgen. „Gegen die Vergabe kann ebenfalls geklagt werden, was weitere Verzögerungen auslöst“, sagt Bökamp.
Schritt 7: Bau
Die Bauarbeiten können beginnen. Baustraßen werden oder sind zu diesem Zeitpunkt installiert – schwierig genug in „einem fast alpinen Gelände“, wie Elfriede Sauerwein-Braksiek sagt. Die 435 Meter lange Brücke überspannt ein Tal mit viel Wald, in dem mehrere Baustraßen angelegt werden müssen.
Schritt 8: Verkehrsfreigabe
Das ist der Moment, den viele schon jetzt herbeisehnen. Doch die Erfahrung zeigt, dass immer wieder unvorhergesehene Probleme auftauchen. Bei der Planung der Lennetalbrücke war die Autobahn GmbH etwas zu optimistisch: drei Jahre Verzug bei Fertigstellung. An den Talbrücken Kattenohl und Brunsbecke in Hagen gehen die Arbeiten nicht voran, weil der Boden Probleme macht – dabei sollte das Projekt längst abgeschlossen sein. Die Autobahn GmbH hofft, für die Rahmedetalbrücke fünf Jahre zu benötigen.