Hagen. Die Lennetalbrücke auf der A45 ist fertig, die Talbrücken Brunsbecke und Kattenohl aber noch lange nicht. Auch auf der A1 gibt es Probleme.
Aufgrund seiner verkehrsgünstigen Lage im Herzen Deutschlands ist Hagen ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Die Stadt hat nicht nur Anschluss ans ICE-Netz der Deutschen Bahn, fast noch bedeutender ist ihre Nähe zu den wichtigen Autobahnverbindungen A1, A45 und A46.
Doch ausgerechnet diese Autobahnen sorgten im Jahr 2021 für zahlreiche Schlagzeilen – keineswegs immer positive.
Da ist zunächst der Lärm, der von den Autobahnen ausgeht. Nirgends sonst in Nordrhein-Westfalen ist die Belastung für die Menschen derart groß wie in Hagen, aus dem Umweltbericht des Regionalverbandes Ruhr (RVR) ging 2017 hervor, dass Hagen die lauteste Stadt im Ruhrgebiet ist. Demnach sind 46.673 Menschen einem Lärm ausgesetzt, der oberhalb von 56 Dezibel (A) liegt. Und dass das vor allem auf die Autobahnen zurückzuführen ist. „Die Autobahnen bringen Verkehrslärm mit sich, der etwa 58.800 Hagener Bürger massiv beeinträchtigt und Hagen zur lautesten Stadt im Gebiet des Regionalverbandes Ruhr macht“, meint Bernd Widera, Sprecher der vom Lärm geplagten Bürger in Hagen.
Bauarbeiten auf der Brücke Hengstey
Auch wer nie auf der Autobahn unterwegs ist, bekam in der dritten Dezemberwoche mit, welche Verkehrsmassen sich über die A1 wälzen. Als die Autobahn wegen Bauarbeiten an der Brücke Hengstey fünf Tage lang nur einspurig befahrbar war, suchten zahlreiche Fahrer einen Umweg durch Hagen, in der Stadt kollabierte zeitweise der Verkehr.
Auf einer Informationsveranstaltung im Stadtteilhaus Vorhalle erklärten Vertreter der Autobahn GmbH bereits im August, dass ihrer Prognose zufolge derzeit täglich 115.000 bis 120.000 Fahrzeuge die A1 zwischen den Anschlussstellen Hagen-Nord und Haspe/Volmarstein befahren.
Anwohner verzweifeln am Lärm
Das treibt die betroffenen Menschen zur Verzweiflung. Marc Wortmann aus der Allensteiner Straße berichtete, sein kleiner Sohn wache nachts regelmäßig auf und beklage sich dann: „Ich bin wachgehupt worden.“ Besonders infernalisch ist der Krach auch im Umfeld von Espenweg, Ulmen- und Mühlenbrinkstraße in Vorhalle. Jeder achte Wagen ist ein Lkw, nachts steigt der Anteil der Brummis gar auf 28 Prozent.
Die Tunnel, durch die die A1 unter der Eisenbahn und der Weststraße geführt werde, wirkten wie Schalltrompeten, so Widera: „Da brüllt es regelrecht heraus.“ Die Vorhaller fordern u.a. den Einbau von Flüsterasphalt, den Um- bzw. Ausbau der bestehenden Lärmschutzwände sowie Dämmelemente an den Unterführungen. Mit den Einwohnern von Bathey, Boloh, Emst, Haßley und Halden haben sie sich in einer stadtteilübergreifenden Bürgerinitiative zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen den Autobahnlärm zu kämpfen.
Lärmschutz soll verbessert werden
Frühestens 2023 wird die Autobahn GmbH mit der Sanierung des rund fünf Kilometer langen Abschnitts zwischen Hagen-Nord und Unterführung Nöhstraße beginnen. Im Zuge der Fahrbahnerneuerung soll dann auch der Lärmschutz verbessert werden, eine entsprechende technische Untersuchung läuft derzeit.
Den Einwohnern von Bathey wird das kein Trost sein. Ihr Dasein wird von einem A1-Abschnitt beeinträchtigt, der außerhalb des vorgesehenen Sanierungsabschnitts liegt.
Lennetalbrücke im März verschoben
Dafür ist die neue Lennetalbrücke auf der A45 endlich fertig. Am 5. März wurde zum ersten Mal in Deutschland eine Brücke von einem Kilometer Länge im Querverschubverfahren zusammengeführt.
Überwacht von knapp 70 Mitarbeitern, setzte sich die Fahrbahnhälfte, auf der nun der Verkehr Richtung Frankfurt rollt, morgens um 8.15 Uhr in Bewegung. Für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar, legte das Ungetüm drei Meter pro Stunde zurück. Kein Knirschen, kein Knacken, kein Scheppern oder Dröhnen – auf Teflonplatten, die mit Fett als Gleitmittel beschichtet waren, glitt das 979,50 Meter lange Bauwerk geräuschlos dahin. Nach rund sieben Stunden hatte es der 30.000-Tonnen-Koloss geschafft.
Ökologische Maßnahmen zur Renaturierung
Doch auch Monate nach dem Querverschub herrschte Hochbetrieb auf der Baustelle unterhalb der Brücke. Die Behelfspfeiler mussten abgerissen werden, die ökologischen Maßnahmen zur Renaturierung des Geländes wurden vorangetrieben.
Als Ausgleich für den unvermeidlichen Eingriff in die Natur, den solch ein Bauvorhaben nun mal mit sich bringt, wurde nahe der Brücke ein alter Stollen als Fledermaus-Quartier geöffnet, auf einer Wiese ein Flachgewässer angelegt und die Lenne entfesselt. Inzwischen ist dort der seltene Flussregenpfeifer gesichtet worden.
Chaos nach Sperrung der Rahmede-Brücke
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Acht Jahre lang hatten die Bauarbeiten an der Lennetalbrücke den Verkehr behindert. Doch die damit verbundenen Einschränkungen waren gar nichts gegen die Sperrung der maroden Rahmede-Talbrücke in Lüdenscheid am 2. Dezember. Seitdem herrscht Chaos auf der Sauerlandlinie und den Umleitungsstrecken, Unternehmer sehen gar die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Hagen gefährdet. Frühestens in drei Monaten können wieder Autos über die Brücke rollen, Lastwagen gar erst in fünf Jahren, wenn der Neubau fertiggestellt ist.
Auch dem Autobahnkreuz Hagen, das täglich von 117.000 Fahrzeugen frequentiert wird, stehen schon die nächsten Einschränkungen bevor. Denn die A45 soll auch in Fahrtrichtung Dortmund dreispurig ausgebaut werden. Auf der neuen, knapp einen Kilometer langen Lennetalbrücke ist das ja bereits geschehen, doch vor und hinter der Brücke präsentiert sich die Autobahn immer noch zweispurig.
Weitere Arbeiten am Autobahnkreuz Hagen
Dabei soll das Autobahnkreuz grundsätzlich seinen jetzigen Ausbauzustand beibehalten, doch nach Auskunft der Bezirksregierung in Arnsberg werden die Zu- und Ausfahrten neu bemessen und den neuesten technischen Richtlinien angepasst. Die Bauarbeiten sollen im Dezember 2025 beginnen und werden rund 300 Millionen Euro kosten. Auch der Lärmschutz soll dann verbessert werden.
Auch die Talbrücken Brunsbecke und Kattenohl müssen erneuert werden. Vor vier Jahren hat der Neubau begonnen und sollte eigentlich längst abgeschlossen sein. Doch unterhalb der mächtigen Bauwerke ruht die Arbeit weitgehend, da die Beschaffenheit des Untergrunds in dem steilen Gelände die Ingenieure vor ungeahnte Probleme stellt. Diese komplexen Voraussetzungen haben die ursprüngliche Planung verändert und ein weiteres Gutachten notwendig gemacht, das zurzeit ausgewertet wird.
Zunächst soll die Talbrücke Kattenohl erneuert werden, anschließend die bis zu 66 Meter hohe Talbrücke Brunsbecke. Nach derzeitigem Stand wird sich das alles noch über Jahre hinziehen, so dass Autofahrer auf der A 45 noch lange mit den Baustellen zu tun haben werden.