Billerbeck. Dressur-Star und junge Mutter: Im Interview erklärt Helen Langehanenberg, wie sie die Doppelbelastung meistert und welche Rolle Damsey einnimmt.
Es war die Überraschung. Im vergangenen Jahr. Nur wenige Wochen nach der Geburt ihrer zweiten Tochter startete Dressurreiterin Helen Langehanenberg für die deutsche Mannschaft beim CHIO in Aachen. Für die bevorstehende Europameisterschaft wurde die 37-Jährige zwar nicht nominiert, aber das ist der enormen Dichte in der nationalen Spitze geschuldet.
Langehanenberg gehört zu den Top-Reiterinnen Deutschlands und international. Dressur-Star und zweifache Mutter – geht das überhaupt? Im Interview spricht die Münsterländerin über Organisation, ein schlechtes Gewissen und die Sonderrolle, die Grand-Prix-Pferd Damsey regelmäßig einnimmt.
Frau Langehanenberg, als Mutter kleiner Kinder eine der besten Dressurreiterinnen zu sein – wie geht das?
Helen Langehanenberg: Es geht auf jeden Fall. Die Große geht in den Kindergarten, die Kleine hat eine Nanny und ich habe dadurch genug Zeit, um mit den Pferden zu arbeiten. Bei Turnieren ist meine Mutter fast immer dabei. Das war sie früher zwar auch, aber nun sieht sie deutlich weniger Prüfungen, weil sie die Kinder betreut. (lacht)
Ihre Töchter begeistern sich noch nicht für eine Dressurvorstellung?
Malin ist vier Jahre alt, Finja wurde im Juni 2018 geboren... Für diese Altersklasse ist es mitunter etwas zu langweilig am Dressurviereck. Man muss ruhig sein, darf nicht herumtoben. Manchmal klappt es und meine Mutter kann zuschauen, aber es ist für sie komplizierter geworden.
Sie gewannen 2012 auf Damon Hill Mannschaftssilber bei den Olympischen Spielen und wurden Vierte in der Einzelwertung. Sie holten 2014 bei der WM in der Normandie Mannschaftsgold und zwei Silbermedaillen im Einzel. Sie waren also super erfolgreich. Wie passte das mit Gedanken an Kinder zusammen?
Weil ich gerade erfolgreich im Sport unterwegs war, auf Kinder zu verzichten, war keine Option. Mein Mann ist als Tierarzt auch voll berufstätig, aber wir wollten das, wir wollten Kinder. Beruf und Kinder zu kombinieren, ist immer schwierig, nicht nur als Dressurreiterin.
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Besonders in diesem Alter wollen die Kurzen unterhalten werden. Wenn du zu Hause bist, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass du etwas Produktives schaffst. Die wollen spielen – und das ist ihr gutes Recht. Aber mit Hilfe ist es möglich, Beruf und Kinder zu kombinieren. Es ist eine Frage der Organisation.
Wie läuft denn ein normaler Morgen bei Ihnen ab?
Aufstehen, Waschmaschine, Spülmaschine, Frühstück machen. (lacht) Dann nimmt mein Mann David die Große mit in den Kindergarten und ich die Kleine mit zum Stall, weil da die Nanny ist. Ach so, ich vergaß: Mit der Großen ausdiskutieren, welche Klamotten getragen werden. Sie diskutiert bereits gerne, weshalb es oft verspätet losgeht.
Wenn Sie mit den Pferden arbeiten, lassen Sie sich nicht stören?
Ich ziehe das Programm durch, da gibt es rechts oder links nicht viel. Erst wenn ich die Große abhole, beginnt die Familienzeit.
Eine Frage, die jeder jungen Mutter gestellt wird: Wie verlaufen die Nächte?
Das erste halbe Jahr mit der Zweiten war hart. Wenn sie wach war, war sie wach. Ich hatte teilweise das Gefühl, ich bin 25 Mal in einer Nacht wach gewesen. Allerdings waren wir durch die Große auch sehr verwöhnt – bei ihr hat das Schlafen super funktioniert. Aber wissen Sie was?
Bitte.
Man wundert sich, mit wie wenig Schlaf man auskommt. (grinst)
Einen Start etwa in Balve bei der DM stelle ich mir logistisch einfach vor. Die WM 2018 in Tryon in den USA...
...wäre für mich sehr schwierig geworden, weil es zu kurzfristig gewesen wäre. Ich bin ja erst in Aachen wieder eingestiegen – das wäre nicht planbar gewesen.
Weil Sie niemanden für die Kinder gehabt hätten.
Sie wären mitgekommen, tatsächlich. Mein Mann hat als Tierarzt Bereitschaftsdienste und wenn ein Pferd eine Kolik bekommt, kann er nicht bis zum nächsten Morgen mit der Behandlung warten. Deswegen nehme ich die Kinder gerne mit und meine Mutter kümmert sich. Aber eigentlich habe ich auf Turnieren mehr Zeit als zuhause.
Warum?
Es gibt mehr freie Stunden für die Familie, weil ich weniger Pferde mithabe als zuhause.
Beschleicht Sie als Mutter ab und an auch ein schlechtes Gewissen, da Sie doch relativ viel unterwegs sind?
Manchmal, ja. Ich glaube zwar, dass ich unterm Strich schon viel Zeit für die Kinder habe, aber ich bin berufstätig und keine Vollzeit-Mami.
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Das wäre ich aber auch ohne die Pferde wohl nicht. Ich finde es wichtig, dass die Kinder zum Beispiel in den Kindergarten gehen. Selbst bei der Kleinen merke ich, wie gerne sie mit den anderen Kindern zusammen ist.
Gibt es bei großen oder kleinen Turnieren eigentlich eine Betreuung für Kinder von Reitern oder Reiterinnen?
Das kenne ich nicht. Aber es gibt sehr oft Spielbereiche für die Kinder.
Und wann setzen Sie Malin und Finja auf ein Pferd?
Die sitzen beide schon auf Pferden. Aber ich forciere das nicht. Wir haben im Freundeskreis ein Shetty, das reitet Malin gerne. Unser Kinderpony ist aber Damsey, mit dem dreht Malin ab und an ein paar Runden.
Das heißt, dass wir Helen Langehanenberg bald bei Turnieren in der Führzügelklasse bewundern dürfen?
In dieser Frage habe ich ein Abkommen mit meinem Mann. Wenn die Kinder alleine reiten können, können sie bei Turnieren starten. Vorher müssen sie sich wen anders suchen. (lacht)
Das ist nicht Ihr Ernst.
Am Ende, wenn sie es wollen, werde ich es tun. Dann werde ich nicht Nein sagen können. Führzügelklasse ist süß, aber manchmal habe ich das Gefühl, das ist mehr für die Muttis. Wenn ich die Kinder einfach so reiten sehe, dann denke ich mir oft: Cool, so hat es bei dir auch angefangen. Einfach so zu reiten – das vermisse ich manchmal.
Weil Reiten für Sie zum Beruf geworden ist oder weil Sie durch die Kinder keine Zeit mehr haben?
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Ich reite ja manchmal auch noch in Ruhe aus, aber früher klappte das öfter. Wenn man viel will, dann muss man auch viel organisieren. Und ich fände es schade, irgendwann alt zu sein und keine Familie zu haben. Das ist schon schön jetzt, auch wenn die Zeit manchmal knapp ist.
Ist der Spagat zwischen Dressur-Star und Mutter zu sein anstrengender als erwartet?
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Nein, das nicht. Aber als ich bei der Sichtung für die Jungpferde-WM zum ersten Mal ohne Kinder unterwegs war, habe ich nur gelesen und geschlafen, was die vorherigen drei Jahre so nicht möglich war. (lacht) Aber ich habe es in der Zeit auch nicht vermisst.
Ihr Blitz-Comeback beim CHIO in Aachen 2018: Waren Sie selbst überrascht, wie schnell Sie wieder zur nationalen Spitze gehörten?
Es war drei Wochen nach der Geburt von Finja. Dass ich überhaupt reiten konnte, war etwas überraschend. Damsey und ich – wir waren ja beide recht unsportlich. Und dann so eine Leistung zu bringen in Aachen, das war irgendwie ganz gut.
Aber ist es mit dem Reiten nicht so, dass man es nie verlernt?
Als ich für das Team nominiert wurde, habe ich schon geschluckt. Ich hatte ein halbes Jahr nicht geritten und wäre bei den ersten Versuchen, leicht zu traben, fast abgefallen. Es ist gewaltig, wie schnell die Muskulatur zurückgeht. Umso cooler war es, als unser Plan aufging – obwohl Damsey und ich noch kleine Wampen hatten. (schmunzelt)