Winterberg. . Annika Drazek ist Deutschlands mit Abstand beste Bob-Anschieberin. Warum Cheftrainer René Spies beim Weltcup-Auftakt trotzdem auf sie verzichtet.

René Spies weiß, dass diese Entscheidung an mehreren Stellen Konfliktpotenzial besitzt. „Aber“, sagt der Cheftrainer der deutschen Bobfahrer im Gespräch mit der Westfalenpost, „wir arbeiten streng erfolgsorientiert und deshalb habe ich so entschieden, ja.“

Die Entscheidung, die Spies auf Nachfrage bestätigt, ist folgende: Annika Drazek, Deutschlands mit Abstand beste Anschieberin, wird nicht mit zum Weltcup-Auftakt nach Nordamerika reisen. Statt in Lake Placid (9./10. November), Park City (17./18. November) und Whistler (24./25. November) mit ihrer Pilotin Mariama Jamanka zu starten, wird Drazek zu Hause in Gladbeck mit Heimtrainer Heiner Preute an ihrer Athletik arbeiten und in Winterberg oder Altenberg die eine oder andere Fahrt im Bob absolvieren. Erst mit dem Heim-Weltcup im Hochsauerland (8. bis 10. Dezember) beginnt auch für Drazek die Weltcup-Saison.

Medaillen-Pflicht in Pyeongchang

Dass Spies diese Entscheidung treffen würde, war fast vorhersehbar. Für den Cheftrainer gibt es in dieser Saison nur ein Ziel: Bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang/Südkorea im Februar 2018 müssen seine Männer und Frauen nach der historischen Nullnummer von Sotschi 2014 Medaillen holen! Bei den Männer hat Spies einige Eisen im Feuer, um das Gesamt-Minimalziel – zweimal Edelmetall – zu erreichen. Bei den Frauen hängt (fast) alles am Raketen-Anschub der Athletin des BSC Winterberg.

Chef-Bundestrainer René Spies muss in dieser Saison alles auf die Karte Olympia setzen.
Chef-Bundestrainer René Spies muss in dieser Saison alles auf die Karte Olympia setzen. © Falk Blesken

„Bei den Olympischen Spielen benötigen wir eine Annika Drazek in Top-Form“, erklärt der Cheftrainer. Deshalb will er ihr die Strapazen der Nordamerika-Tour ersparen, „und außerdem haben wir in den vergangenen zwei Jahren mit diesem Rhythmus sehr gute Erfahrungen gemacht“. Statt in die erste Wettkampf-Phase schickte Spies die 22-jährige Bundespolizistin ins Training – und sie zahlte später mit sehr, sehr guten Leistungen zurück.

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Allerdings murrte Annika Drazek bereits im vergangenen Jahr nach der Entscheidung. Und auch in diesem Jahr wäre sie gerne zum ersten Mal in ihrer Karriere bei den Weltcups in Übersee gestartet. Doch Spies blieb erneut hart. Er nimmt durch seine Entscheidung auch in Kauf, dass vielleicht die eine oder andere Anschieberin, die plötzlich nicht mit ihrer Stammpilotin antreten kann, weil Drazeks Fehlen eine Rotation auslöst, sauer auf ihn ist.

Trainingswoche in Pyeongchang

„Das ist eine Entscheidung, die nicht allen schmecken wird, das weiß ich“, sagt er, „aber sie ist einzig und allein dem Erfolg geschuldet.“ Die Olympischen Spiele zählen – und deshalb sitzt Drazek auch mit in dem Flugzeug, das die Bob-Nationalmannschaft am Freitag zur Trainingswoche nach Pyeongchang bringen wird. „Das ist die zweitwichtigste Station der Saison“, sagt René Spies. Und die wichtigste – allerdings erst im Februar.