Netphen. Mechthild Klinge ist 22 Jahre zu Hause geblieben, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Zum Muttertag erzählt sie von Vorurteilen und Entbehrungen.
22 Jahre bin ich zu Hause geblieben. Mein Mann und ich haben uns ganz bewusst dafür entschieden. Ich habe es in meiner Kindheit nicht anders erlebt, was mich in meiner Entscheidung maßgeblich geprägt hat.
Ich habe gerne in meinem Beruf als Mitarbeiterin in der Finanzbuchhaltung einer Krankenkasse gearbeitet, und diese Umstellung auf ein Leben als Hausfrau und Mutter war nicht leicht.
Zwischen der Geburt meiner ersten beiden Kinder liegen nur 15 Monate, das war schon eine Herausforderung. Irgendwas war immer. Ich war froh, mich voll und ganz auf meine Kinder konzentrieren zu können.
Hausfrau bedeutet auch Verzicht
Als Hausfrau zu arbeiten, ist heute schon Luxus. Es gibt doch einiges, auf das wir verzichten mussten, da diese Arbeit nicht entlohnt wird.
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Unsere Kinder haben auch gefragt, warum andere Familien häufig in den Urlaub fahren und wir nicht. Wir haben ihnen vermittelt, dass es uns wichtiger ist, dass immer einer bei den Kindern bleibt und Zeit für sie hat. Als Erwachsene zeigen sie uns jetzt, wie dankbar sie dafür waren. In solchen Momenten weiß ich: Es war die richtige Entscheidung.
Interessant finde ich, dass ich mich für diesen Entschluss oft rechtfertigen musste. Ich werde mit Aussagen konfrontiert wie: „Was soll aus deinen Kindern mal werden, wenn du ihnen immer alles abnimmst?“
Ich habe versucht, meine Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen. Da hat doch das eine nichts mit dem anderen zu tun. Mein Mann und ich haben unseren Kindern immer Gleichberechtigung vorgelebt. Das hat sie geprägt.
Vorurteile sind an der Tagesordnung
„Nett“ ist auch die Aussage mancher Menschen, dass ich mir auf Kosten unserer Gesellschaft ein schönes Leben mache. Das entlockt mir nur noch ein Lächeln.
Als Hausfrau leiste ich viel Arbeit, die von Umstehenden als selbstverständlich angesehen oder gar nicht wahrgenommen wird – wie die Pflege meiner Eltern. Meine Arbeit als Hausfrau wird nicht entlohnt, aber ist sie deshalb weniger wert? Es fehlt einfach die Anerkennung.
Mein Mann hat mich immer unterstützt und sich mit mir um unsere drei Kinder gekümmert. So konnte ich mich auch bei der katholischen Frauengemeinschaft engagieren. 2003 habe ich den Vorsitz im Dekanat angeboten bekommen.
Ich wusste nicht, ob ich dieses Amt annehmen sollte. Unsere Jüngste war erst drei Jahre alt. Aber ich habe diese Chance genutzt. Eine Zeit, die ich nicht mehr missen möchte! Ich habe sehr viel gelernt im Umgang mit Menschen, das Organisieren und so vieles mehr.
Berufseinstieg sollte möglich sein
Von den Bildungsangeboten des Verbands profitiere ich heute noch: Nach 22 Jahren als Hausfrau bin ich wieder zurück in den Beruf gegangen. Ich habe mich auf eine Stellenausschreibung der Stadt Netphen für einen Job beworben, der meinem alten sehr ähnlich war.
Vor allem auf Drängen meines Mannes, der sagte: „Bewirb dich doch und schau mal, wie weit du kommst.“ Ich wurde wirklich zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Zum Schluss musste ich jedoch die Karten auf den Tisch legen und sagen, dass ich aufgrund der Pflege meiner Mutter nur eine gewissen Stundenzahl arbeiten könnte.
Die Stelle habe ich nicht bekommen. Aber nach fünf Wochen kam ein Anruf und ein Angebot für eine andere Stelle mit weniger Stunden und flexibler Arbeitszeit. Ein Sechser im Lotto!
Ich bin so dankbar, dass mein Arbeitgeber mir die Chance gegeben hat, wieder in den Beruf einzusteigen. Ich arbeite gerne. Das sollte für jede Hausfrau möglich sein und man sollte uns nicht unterschätzen: Nach fünf Jahren im Job bin ich mittlerweile Leiterin des Familienbüros.