Hemer. . Sie wollen doch nur ihre Ruhe. Mehr nicht. Tagtäglich schlängelt sich vor ihren Häusern in der Märkischen Straße eine nicht enden wollende Blechlawine über die Bundesstraße 7. Die Menschen an der Märkischen Straße in Hemer hoffen seit 40 Jahren auf den Lückenschluss der A 46.

Kurz hinter der Autobahnauffahrt Hemer. Oder kurz davor, wie man es nimmt: Das Verkehrsaufkommen ist in beide Richtungen gleich hoch. Seit 40 Jahren wird den Anwohnern der A46-Lückenschluss versprochen. Langsam wollen die lärm- und schmutzgeplagten Menschen keine Ruhe mehr geben.

Eine schwierige Recherche: Der Reporter hat sein Auto gegenüber Haus-Nr. 85 auf dem Parkstreifen abgestellt und versucht, die B7 zu überqueren. Er kommt sich vor wie ein Zuschauer in der Mitte des Tennisplatzes. Sein Kopf bewegt sich hin und her, dann entdeckt er die Auto-Lücke. Nach einer Minute.

„Bei dem Lärm versteht man sowieso nichts“

Es kann deutlich länger dauern, sagt Ilona Schlüter, die mit Nachbarn auf dem Bürgersteig steht und auf die schwierige Wohnsituation an der dicht befahrenen Straße aufmerksam machen möchte. „Wir sind vergessen worden.“ Sie wollen sich Gehör verschaffen - was nicht so einfach ist, wenn man sein eigenes Wort kaum versteht. Ihr Ehemann, erzählt Ilona Schlüter, habe sich immer eine Gegensprechanlage an der Haustür gewünscht. ­Irgendwann hat er sie angebracht. „Das hätte er sich schenken können. Bei dem Lärm versteht man sowieso nichts.“

Ein Hoffnungsschimmer

Die Bewohner der Häuser 71 bis 85 wollten ihren Ohren nicht trauen, als kürzlich gemeldet wurde, dass NRW-Verkehrsminister Groschek im September zu einem runden Tisch zum A46-Lückenschluss einladen will. Ein Hoffnungsschimmer für die Leidtragenden in einer im wahrsten Sinne des Wortes verfahrenen Situation?

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Kommt der Lückenschluss zwischen Hemer und Neheim, der das hohe Verkehrsaufkommen auf der Märkischen Straße eindämmen und das Schweigen vieler PS-Hämmer unmittelbar vor den Haustüren bedeuten könnte? „Ich hoffe, das ist kein Wahlkampfgetöse“, sagt Annett Tremmel. Nachbarin Sabine Müller ergänzt: „Vielleicht wird die Politik doch mal hellhörig.“ Und Ilona Schlüter sagt: „Es muss eine Lösung gefunden werden. Das hält man nicht aus. Man wird krank.“

Viele Häuser an der Märkischen Straße sind seit Generationen in Familienbesitz. Die Nachbarschaft ist zu einer Schicksalsgemeinschaft im Kampf gegen Lärm und Dreck geworden. Resi Tremmel (71) hat kurz die Runde auf dem Bürgersteig verlassen, ist in ihr Haus gegangen und kommt mit einem Putzlappen zurück. Mit dem hat sie die Fensterbank gewischt. Zu Demonstrationszwecken. „Eigentlich ist das sinnlos“, sagt sie. Der Lappen ist pechschwarz, vom Gummiabrieb der Reifen und von den Abgasen.

Schwieriges Lüften

„Um halb 5 ist der Verkehr schon im vollen Gange“, erzählt Manfred Neuhaus. „Ich weiß auch ohne Uhr immer, wie spät es ist.“ Gelüftet wird in seinem Haus zwischen halb 1 und halb 5.

Kopfschütteln, das ist die vorherrschende Körperbewegung an diesem Spätnachmittag an der Märkischen Straße in Hemer. Ilona Schlüter spricht von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, von der physischen Belastung durch Abgase und Lärm, von Schlafproblemen und der Unmöglichkeit, bei offenen Fenstern zur Straße Fernsehen zu schauen. „Unsere Fahrzeuge vor den Häusern geben uns zumindest ein Gefühl des Schutzes“, sagt sie und blickt auf den schmalen Parkstreifen neben dem schmalen Bürgersteig.

Gefahren am Straßenrand

„Wir mussten häufiger schon ­erleben, dass Fahrten bei überhöhter Geschwindigkeit auf den Grundstücken der Anwohner endeten.“ Dass die Pkw-Spiegel immer mal wieder abgefahren werden und im Winter immer mal wieder Fahrzeuge in die abgestellten Wagen schliddern, versteht sich von selbst.

Schulkinder stehen bisweilen 15 Minuten auf der Insel bei der ­Bushaltestelle, bevor sie die Straße überqueren können. Anna Müller (10) bittet per Handy ihre Mutter um Hilfestellung beim Überqueren der Straße, wenn sie mal mit ­Freundinnen zum Spielen den ­nahen Wald aufsucht. Morgen ­beginnen die Ferien. Ihre Mutter Sabine (44) hat nur einen Wunsch für eine Urlaubsreise: „Es muss ­ruhig sein.“