Hagen.. Das Theater Hagen zeigt Offenbachs Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ als bissige Satire über Klüngelwirtschaft. Die Inszenierung ist bemerkenswert, der Opernchor kann endlich einmal zeigen, was alles in ihm steckt, aber die Produktion hat auch Schwächen.
Heiliges Kanonenrohr! Die Märsche in dieser Operette wollen ständig aus der Reihe tanzen und zu Cancans werden. Das Theater Hagen zeigt jetzt Offenbachs „Die Großherzogin von Gerolstein“ als bissige Satire über Klüngelwirtschaft und Kriegstreiberei. Das Stück ist ausgezeichnet inszeniert, hat aber Längen.
Regisseur Roman Hovenbitzer hat in Hagen bereits viele herausragende Inszenierungen erarbeitet. In der „Großherzogin von Gerolstein“ übersetzt er Offenbachs gepfefferte Veräppelungen ordenrasselnder Dünkelhaftigkeit in drastische sexuelle Anspielungen. Der „Säbel von Papa“ wird da ebenso zum zweideutigen Objekt wie das Riesenrohr des Kleinpanzers, mit dem General Bumm in die Szene rumst. Während nach außen hin Drill herrscht, wird das Personal in Wahrheit von Hormonen gesteuert.
Allen voran die Großherzogin des fiktiven Kleinststaates, der mit der Sprudelstadt nichts zu tun hat. Aus Langeweile mischt sie sich in die Regierungsgeschäfte ein. Um das zu verhindern, brechen Graf Puck und General Bumm einen Krieg vom Zaun. Doch bei der Regimentsparade entdeckt Durchlaucht den knackigen Schützen Fritz und macht ihn gefühlsselig zum General.
Die wunderbare Bühne von Herrmann Feuchter hat zwei Ebenen: Oben befindet sich das gefürchtete großherzogliche Schlafzimmer, das auch zur Folterkammer wird. Und unten weitet sich der öffentliche Raum zur Kaserne, in die man die Soldaten in ihren Spinden rollt. Die Verschwörer Bumm, Puck (Andreas Lettowsky) und Prinz Paul (Richard van Gemert) graben wie außerirdische Chefärzte die Leichen aus dem großherzoglichen Keller.
Mit Herzblut getrommelt
Hovenbitzer interpretiert die Offenbachsche Gesellschaftskritik geistreich aktuell zwischen Seifenoper und Horrormärchen. Auch listige Anspielungen auf die Aufmärsche unserer Zeit fehlen nicht, denn die Gerolsteiner Fahne ist demonstrativ schwarz-gelb, und die Truppen werden von einem Maskottchen angefeuert. Entzückend ist der Einfall, eine kleine Militärkapelle auf die Bühne zu stellen, die mit Herzblut bläst und trommelt und damit unter anderem den Verschwörern den letzten Nerv raubt.
100 Jahre Theater Hagen
Trotzdem kann dieses Ideenfeuerwerk nicht überspielen, dass das Stück Längen hat. Die werden besonders offenbar, weil zwischen Orchestergraben und Bühne keine Funken sprühen. Kapellmeister Steffen Müller-Gabriel versucht zwar mit den Hagener Philharmonikern, die prickelnden Rhythmen und das raffinierte Kolorit der Partitur zum Zünden zu bringen, das gelingt aber zu selten, meistens ist der Dirigent damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass alle bei ihm bleiben – und so verschleppt er dann die Tempi.
Der Opernchor zeigt, was in ihm steckt
Der Opernchor wird von Hovenbitzer sehr geschickt geführt und kann endlich einmal zeigen, was alles in ihm steckt. Solistisch war die Premiere allerdings von Pech überschattet. Tenor Jeffery Krueger ist erkrankt und hat deshalb den Fritz nur dargestellt, während William Saetre als Einspringer aus dem Graben sang. Dagmar Hesse ist eine Großherzogin mit kampflustig eingehängter Handtasche und einem Krokodil für besondere Fälle an der Leine. Die Sopranistin führt ihre Stimme gut und entwickelt schöne Töne, aber die Partie mit ihren rasenden, großen Sprüngen und Verzierungen ist nicht wirklich ihr Fach.
Rainer Zaun sieht als General Bumm (Und piff, paff, puff, taratata-kawumm) aus wie der Wachtmeister Dimpfelmoser in Shorts. Der Hagener Bassbariton setzt sich mit seinem überwältigenden komischen Talent für die Rolle ein – und mit seiner großen Gesangskunst. Wenn Zauns Bumm unter Marschklängen dann doch wie an unsichtbaren Fäden gezogen das Bein zum Cancan ausschlagen lässt, hat das genau den scharfen und doppelbödigen Witz, den eine Offenbach-Operette braucht.
Rainer Zaun singt übrigens als einziger textverständlich. Da „Die Großherzogin von Gerolstein“ nicht so bekannt ist, wären hier in jedem Fall Übertitel angebracht.
Wieder am: 18., 25. Januar, 3., 15., 24. Februar.
Karten: 02331 / 2073218; 02331 / 2075777 oder im Internet: www.theater.hagen.de