Leipzig/Drolshagen. Die Agentur für Sprunginnovationen soll mit viel Steuergeld bahnbrechende Erfindungen fördern. Chef ist der Sauerländer Rafael Laguna.

Die größte Windkraftanlage der Welt soll Ende dieses Jahres in Deutschland ans Netz gehen. Rund 380 Meter hoch wird dieses Riesenrad sein, das der mittlerweile 93-jährige Ingenieur Horst Bendix entwickelt hat. Der Leipziger hat die Statik bisheriger Windräder dabei vom Kopf auf die Füße gedacht. Klingt sehr einfach. Dennoch hat bisher noch niemand gewagt, ein Windrad in dieser Größenordnung zu bauen.

Rafael Laguna ist im Sauerland aufgewachsen. 2019 wurde der heute 59-Jährige Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen.
Rafael Laguna ist im Sauerland aufgewachsen. 2019 wurde der heute 59-Jährige Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen. © SPRIN-D | SPRIN-D

„Das Hochwindrad sieht ziemlich harmlos aus, aber wenn es funktioniert, können wir den Energieertrag vervierfachen und sind grundlastfähig“, sagt Rafael Laguna. Der 59-Jährige ist Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, kurz Sprind, die 2019 gegründet wurde, um bahnbrechende Ideen zu fördern, die das Zeug haben, die Welt zu verändern - vorzugsweise am Wirtschaftsstandort Deutschland.

Rafael de Laguna ist gebürtiger Leipziger, im Sauerland bei Drolshagen aufgewachsen und in der Region als Unternehmer unter anderem mit der Olper Software-Schmiede Open-Xchange (OX) erfolgreich unterwegs gewesen. Gemeinsam mit Frank Hoberg formte Laguna die Olper Firma zum größten unabhängigen E-Mail-Anbieter der Welt, ehe er zum Gründungsdirektor für Sprind berufen wurde.

Eine Milliarde Euro stellte der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bis 2030 als Innovationskapital bei der Vorstellung der Idee im Jahr 2018 in Aussicht, um dafür zu sorgen, dass kluge Köpfe mit ihren genialen Ideen in Deutschland so gefördert werden, dass ihre Innovationen hier nachhaltig für Wertschöpfung sorgen.

Ich war in gewisser Weise auch naiv.
Rafael Laguna

Seit 2020 ist die Agentur am Start. Die Bilanz nach vier Jahren: Mit der zugesicherten Milliarde verteilt auf zehn Jahre wurde es nichts. Allerdings flossen bislang durchaus dreistellige Millionenbeträge an Steuergeldern, damit die Agentur für Sprunginnovationen womöglich geniale Erfinder mit ihren Innovationen aufspüren und fördern konnte. Mittlerweile arbeiten bei Sprind 60 Leute. Etwa 1700 Projekte wurden unter die Lupe genommen. Verschiedene Wettbewerbe zu verschiedenen Themen wie Energiespeicherung, neue Computerkonzepte oder Medizinprodukte wurden initiiert. Einhundert Ideen wurden bislang finanziert, 13 davon sind Großfinanzierungen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. „Hier sind wir auch beteiligt und können als Agentur profitieren“, sagt Laguna. Es wurden Tochtergesellschaften wie die Beventum GmbH gegründet, die das größte Windkraftrad der Welt auf den Weg bringen will. Es wäre die erste Umsetzung einer Sprunginnovation mit Marktreife. Funktioniert das Höhen-Windkraftrad auch als Produkt am Markt, spült dies Geld in die ansonsten staatlich gefüllte Kasse der Agentur für Sprunginnovationen, um schließlich weitere neue Ideen zu fördern.

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Bahnbrechende Erfindungen der Güteklasse „Smartphone“ am Fließband im Sprint bei Sprind zu produzieren, hatte wohl niemand erwartet. „Künstliche Intelligenz hat auch 65 Jahre gebraucht, der Laser 60 Jahre“, verweist Rafael Laguna darauf, dass manche Idee eben ihre Zeit brauche. Allerdings sind die Erwartungen an den Sauerländer und sein Team weiter hoch. Spätestens, seitdem das Sprind-Freiheitsgesetz am 30. Dezember in Kraft getreten ist. „Sprind soll künftig schneller und flexibler handeln können, auch finanziell“, erklärte die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger dazu im Bundestag.

Gefühlt mehr Start-up als Behörde

Mehr als 200 Millionen Euro dürften dafür allein in diesem Jahr zur Verfügung stehen, schätzt Sprind-Direktor Rafael Laguna, der sich rückblickend möglicherweise manches wohl unkomplizierter vorgestellt hätte. „Ich war ja auch in gewisser Weise naiv“, sagt Laguna im Gespräch mit dieser Zeitung. „Wir sind ein Reallabor, es fühlt sich vielmehr nach Start-up an als nach Behörde“, bleibt er optimistisch.

Das Beispiel Höhen-Windrad könnte sogar die Debatte um den Windkraftausbau an Land in seiner alten Heimat im Sauerland befrieden. Vorzugsweise aufgestellt in bestehenden Windparks, könnte das vom Leipziger Ingenieur Horst Bendix erdachte Windkraftwerk die Zahl der benötigten Windräder und Flächen reduzieren und trotz der riesigen Ausmaße das Landschaftsbild schonen. Im Gegensatz zur bisher üblichen Bauweise, werden die Bendix-Windräder Gittermasttürme sein, ähnlich wie Hochspannungsmasten. Das bedeute weniger Windwiderstand und moderatere optische Beeinträchtigung. Der Erfinder hätte das erste Höhen-Windrad gerne in seiner Heimat Leipzig gesehen. Ende dieses Jahres soll das größte Windrad der Welt nun aber in Klettwitz im südlichen Brandenburg in der Lausitz den Betrieb aufnehmen. Im früheren Braunkohlerevier ist Platz. Ein 300 Meter hoher Windmessmast wurde im Mai vergangenen Jahres vom Ingenieurbüro Gicon dort bereits installiert, um die Anforderungen an solche Masten in der Praxis zu erforschen. Offenbar mit Erfolg.

„Manche Projekte werden zehn bis zwanzig Jahre brauchen. Welche etwas werden, wissen wir vorher nicht“, sagt Rafael Laguna mit Blick auf die von ihm und dem 60-köpfigen Team aufgespürten und noch aufzuspürenden Sprunginnovationen, die mithilfe der Agentur tatsächlich die Welt verändern - könnten.