Arnsberg. Wiehern, stampfen und springen – Kinder reiten auf Steckenpferden wie auf echten Pferden und werden dafür von Reitsportlern belächelt.
„Abteilung im Arbeitstempo Trab“, ruft Trainerin Michaela Potthoff den Befehl an ihre Schützlinge durch die große Reithalle vom Zucht-, Reit- und Fahrverein (ZRFV) Voßwinkel. Kaum hat sie den Satz ausgesprochen, ziehen die Kinder das Tempo an. Dabei sitzen sie jedoch nicht auf Pferden, sondern auf ihren Hobby Horses – zu Deutsch: Steckenpferde. Die Trendsportart kommt aus Finnland. Sie findet seit mehreren Jahren auch in Deutschland immer mehr Begeisterung, einige Reitsportvereine haben die Sportart nun auch in ihr Trainingsprogramm aufgenommen.
Reiten auf Steckenpferden: kreativ und anstrengend
Es ist kalt in der Arnsberger Reithalle. Auf der einen Seite dreht eine Reiterin mit ihrem Pferd ihre Bahnen, auf der anderen hat die Trainerin Michaela Potthoff schon ein Dressurviereck und einen Sprungparcours aufgebaut. Doch während Michaela Potthoff mit dem Trainingsbeginn wartet, sind ihre Schützlinge nicht so geduldig: Mit ihren Horses laufen sie den Parcours schon ab, laufen über das Dressurfeld oder springen über die Hindernisse. Kurz darauf fängt das Training an: zuerst mit Dressuraufgaben, dann geht es ans Stil- und danach ans Zeitspringen. Die Kriterien sind analog zum Reiten, Michaela Potthoff achtet darauf, dass die Haltung der Kinder korrekt ist, die Hufschlagfiguren – also die festgelegten Wege, die ein Reiter innerhalb des Dressurfeldes reiten kann – ordentlich ausgeführt und die Befehle richtig umgesetzt werden – nur, dass die Figuren von den Kindern ausgeführt werden. Die Beine mimen die Bewegungen des Pferds, der Oberkörper die der Reiterin.
Schon nach wenigen Minuten sind die Wangen der Kinder gerötet, der Atem geht schwerer, aber an eine Pause ist nicht zu denken, der Spaß ist den Kindern deutlich anzusehen. „Der Sport wird sicherlich auch belächelt, aber man kann hier viel erarbeiten, was für den Reitsport nützlich ist“, sagt Michaela Potthoff. „Wenn ich reite, habe ich zusätzlich noch das Pferd, das ich unter Kontrolle haben muss“, erklärt sie. Beim Hobby Horsing können die Kinder die Figuren und Regeln auf dem Platz in Ruhe lernen, und wenn sie dann auf ein Pferd steigen, kennen sie die Grundlagen schon.
Die meisten Kinder reiten schon auf echten Pferden, wenige andere nicht, sagt Potthoff. So wie die 12-jährige Cara. Sie reitet, hat wegen ihrer kleinen Schwester anfangs beim Hobby Horse-Training nur zugeguckt, seit einigen Monaten trainiert sie selbst mit. Was ihr an dem Sport so sehr gefällt? „Dass ich kreativ sein kann.“ Die Ausrüstung – Trense und Zügel – für ihr Hobby Horse Karuso hat die 12-Jährige selbst gebastelt. Karuso sei eine Kreuzung aus einem Oldenburger und Hannoveraner, erklärt sie. Ihre beste Freundin habe nun auch mit dem Sport angefangen, so Cara. Ihre anderen Freunde würden nicht viel von dem Sport halten, negative Kommentare dazu höre sie aber nicht.
Zum Ende des Trainings steht das Zeitspringen auf dem Plan, dabei müssen die Kinder so schnell wie möglich den Sprungparcours überwinden. Dabei können sie diesmal Dinge wie die richtige Handhaltung oder den richtigen Galopp ignorieren. Diese Disziplin gefällt der siebenjährigen Luise und ihrem Horse Starlight am besten. Irgendwann, erzählt sie, will sie auch auf einem echten Pferd den Sprungparcours absolvieren.
Anders die elfjährige Finja. Sie ist mal geritten, will jetzt nur noch Hobby Horsing machen. Warum? „Weil ich da mehr ich sein kann“, sagt sie. Auch ihre Lieblingsdisziplin ist das Springen, sie springt am liebsten hoch: weit über einen Meter sei sie schon gesprungen.
Immer wieder hört man die Kinder lachen, sie wiehern mit ihren Horses oder stampfen auf den sandigen Boden, wenn sie ungeduldig werden. „Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt“, sagt Michaela Potthoff. Auch nach dem Training ist die Motivation der Kinder nicht abgeflaut. Viele blieben noch länger, springen und laufen, wie sie Lust haben, so die Trainerin.
Hobby Horsing sorgt für Kritik unter Reitsportlern
Das Steckenpferdreiten sei bei vielen Reitsportlern nicht sehr hoch angesehen, so Kirsten Neitemeier, Ausbildungsbeauftragte beim Pferdesport Sauerland e.V. „Viele sagen: Die sollen richtig reiten“, fügt sie hinzu. Sie selbst vertritt eine andere Meinung: „Es ist doch egal, was die Kinder machen. Hauptsache, sie bewegen sich und haben Spaß.“ Hobby Horsing sei nicht nur eine sehr anstrengende Sportart, sondern dadurch würden die Kinder dadurch auch Koordination und Fürsorge lernen. Schließlich kümmerten sie sich liebevoll um ihre Horses, auch wenn es keine echten Pferde seien, so Neitemeier.
„Es ist auch eine Chance, die Kinder in den Reitsport zu führen“, sagt sie, und das sei auch eines der Ziele hinter der Sportart. „Hobby Horsing bildet eine Brücke zum Reitsport, ist eine Vorbereitung darauf“, erklärt Neitemeier. Verglichen mit dem durchaus teuren Reitsport sei Hobby Horsing außerdem günstig. „Es braucht nicht viel fürs Hobby Horsing, keine teure Ausrüstung oder großen Aufwand. Jeder kann sofort starten“, so Kirsten Neitemeier.
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Auch Thomas Ungruhe, Leiter der Abteilung Pferdesportentwicklung bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), sieht die Chance, durch die Trendsportart junge Kinder für den Reitsport zu begeistern. „Die Nachfrage nach Reitunterricht von Kindern ist größer als das Angebot. Hobby Horsing ist eine Möglichkeit, Kinder nicht nur auf eine Warteliste zu setzen, sondern ihnen schon ein Angebot zu machen, sich in der Nähe echter Pferde spielerisch mit dem Pferd zu beschäftigen“, so Ungruhe. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung weiß, dass Hobby Horsing unter einigen Pferdesportlern kontrovers diskutiert werde. Der Grund für die Kritik? „Es wird befürchtet, dass die Kinder beim Hobby Horsing bleiben, statt zum Pferdesport zu wechseln.“
Ungewisse Zukunft der Trendsportart
Wie die Zukunft für die Trendsportart aussieht, kann Michaela Potthoff nicht genau einschätzen. „Ich glaube schon, dass es sich etabliert. Man merkt, dass sich was in den Vereinen tut und die Kinder Spaß daran haben.“ Wie groß die Nachfrage in Zukunft sein wird, kann sie nicht absehen. Seit Anfang des Jahres ist Hobby Horsing Teil der Wettbewerbsordnung, ein Regelwerk der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. „Damit ist eine Basis geschaffen, um Meisterschaften und Turniere durchzuführen“, erklärt Michaela Potthoff und freut sich, dass dieser Schritt nun gegangen wurde.