Ennepetal. Sie ist quasi Methusalem unter den Ponys. Wenn Frieda im April ihren nächsten Geburtstag feiert, knackt sie den Weltrekord.
Das älteste Pony der Welt hat einen Namen: „Frieda“! Im April feiert die alte Dame von der Shettyhilfe in Meininghausen ihren 56. Geburtstag - und verdrängt damit das bisher älteste jemals registrierte Pony von Platz 1 der Weltrangliste. Denn ebenfalls mit 56 Jahren errang das Shetland-Exmoor-Pony „Sugar Puff“ den Weltrekord. Der Wallach lebte in England und starb 2007.
Schon jetzt dürfte Frieda aus Ennepetal mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das älteste noch lebende Pony weltweit sein. Jedenfalls gibt es keine Hinweise auf ein aktuell noch älteres Pony auf diesem Planeten. Deutschlandweit hält Frieda den Rekord ohnehin schon seit Jahren. Der Verein „Westfälisches Pferdestammbuch“ in Münster bestätigte, dass dort kein älteres Pony gelistet ist.
Bis 2013 galt die Shetty-Stute „Madame Nou“ in Deutschland für lange Zeit als das am längsten lebende Pony: Mit 50 Jahren wäre sie in Menschenalter etwa 150 Jahre alt geworden. Frieda hat also schon bis dato noch mal gut 15 Menschenjahre mehr gelebt als einst „Madame Nou“.
Während Shetlandponys durchschnittlich 40 Jahre alt werden, sticht Frieda mit ihren fast 56 Jahren bereits jetzt unfassbar weit aus der Masse heraus. „Frieda ist zwar langsamer geworden und generell fallen ihr manche Dinge schwerer als früher, aber es geht ihr gut“, berichtet Petra Kruse, Gründerin der „Shettyhilfe“ auf Meininghausen. Dazu zählt auch, dass Frieda aufgrund ihres hohen Alters nur noch eingeweichtes Futter zu sich nehmen kann.
Im April 1968 erblickte die heute schwarz-graue Stute in der DDR das Licht der Welt. 20 bis 30 Jahre war ein Reitbetrieb in Sachsen-Anhalt ihr Zuhause. Dann schienen ihre Tage gezählt. Frieda wurde verkauft. „Bekannte hatten sie von einem Schlachter in Bayern gerettet und aufgepäppelt. Dann fragten sie mich, ob ich Frieda aufnehmen würde“, erzählt Petra Kruse, wie es mit dem Pony weiterging. Seitdem, seit November 2019, wohnt die alte Dame auf dem Gnadenhof.
Das erste Shetlandpony, das seinen Weg zu Petra Kruse fand, war Moritz. „Er kam aus der Not heraus zu mir. Das war aber noch vor der Vereinsgründung“, erklärt die 1. Vorsitzende. Insgesamt befinden sich 16 kleine Ponys und zwei Katzen in der Obhut von Petra Kruse.
Doch nicht alle Ponys gehören zum Verein: „Zwei Shettys von Freunden stehen hier ebenfalls unter“. Die Ponys rettet sie selbst vor dem Schlachter, manche Notfalltiere werden ihr aber auch angeboten. Aktuell müsse sie jedoch die Aufnahme von Neuzugängen stoppen, denn für weitere Tiere sei zu wenig Geld vorhanden.
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Die Hofbesitzerin arbeitet meist allein und in Vollzeit für die Tiere: „Kurz vor Weihnachten ist meine Mitarbeiterin abgesprungen. Mein Mann hilft mir zwar gern, aber einfacher wäre es, wenn wir dabei noch Geld verdienen würden“, erzählt die 54-Jährige nachdenklich. Denn der Gnadenhof ist von Spenden und Patenschaften abhängig. Allein die Aufnahme von Notfalltieren ist mit hohen Kosten verbunden, weil die Ponys tierärztlich behandelt und aufgepäppelt werden müssen. Auch leitete Petra Kruse viele Jahre die Meerschweinchen-Notstation „lacobaye“, doch „mit 220 Meerschweinchen wurde es zu viel und ich konnte sie nicht mehr fortführen.“
Kindergruppen und Sommerfest geplant
Um die Finanzen ein wenig aufzustocken, organisierte die 1. Vorsitzende in der Vergangenheit Kindergruppen, in denen der richtige Umgang mit den Ponys erlernt wurde. „Seit Corona finden die Gruppen nicht mehr statt, aber das möchte ich bald wieder ändern“, sagt Petra Kruse. Die Kinder lernen ein respektvolles Miteinander von Mensch und Pony.
Ebenfalls ist ein Sommerfest geplant, bei der die Ponyschützerin gern mit Kindern eine „Quadrille“ aufführen möchte: eine Choreografie zu Musik, bei der verschiedene Hufschlagfiguren und Gangarten gezeigt werden. „Die Kinder hatten damals die Mähnen der Ponys eingeflochten und die Pferde herausgeputzt. Das war toll“, erinnert sich Petra Kruse und lächelt. Auch fertige sie „Amigurumi“ selbst an: „Das sind kleine, gehäkelte Tiere, die ich zum Verkauf anbiete. Ich sage den Leuten: Gib das, was du dafür geben möchtest. Manche geben 5, manche 50 Euro“.
Zudem darf Petra Kruse jedes Jahr zur Weihnachtszeit in einem Raiffeisen-Markt einen Wunschbaum aufstellen. „Um Weihnachten fahre ich dann dahin und hole die gesammelten Spenden ab“, berichtet die Tierschützerin. Dadurch konnten ihr, den Tieren, und dem Hof das ein oder andere Mal bereits geholfen werden.
Seit etwa 25 bis 30 Jahren hat Petra Kruse den Hof in Meininghausen gepachtet. Bevor sie und ihr Mann das Gestüt zum offenen Stall umfunktioniert haben, war er ein Reitplatz. „In meiner Jugend hatte ich ein eigenes Pferd und war schon immer als Einstellerin in diesem Stall aktiv“, erinnert sich die Pferdeliebhaberin. Wenn sie an die einzelnen Geschichten denkt, die jedes einzelne Pony zu erzählen hätte, wird es Petra Kruse ganz anders. „Manche Schlachtbetriebe witterten einfach nur das Geld und verkauften mir ihre kranken Tiere.“ Auch manche Veterinärämter, mit denen die engagierte Frau zu tun hatte, legten ein Verhalten an den Tag, das sie nicht nachvollziehen könne.
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Amtstierarzt schätzt Alter falsch ein
Wie die Ponys Anna und Alf auf das Gestüt kamen, ist eine der Geschichten, die die 54-Jährige über ein Veterinäramt berichten kann: Nach Tagen in einem Transporter fand man die beiden Shetlandponys. Ein Amtstierarzt untersuchte die Tiere. Er meinte, Alf sei ein Wallach und zwölf Jahre alt, Anna hingegen sechs Jahre alt. Letztendlich stellte sich heraus, dass beide Ponys erst das dritte Lebensjahr erreicht hatten und Alf ein Hengst war. Anhand des Gebisses erkenne man das Alter von Pferden, betont Petra Kruse.
„Wie ich es mir schon fast dachte, war Anna trächtig“, sagt die Tierschützerin, und vier Monate später wurde die kleine Annabell geboren. Weil die Mutter das Kleine nicht annahm, musste es erst als Flaschenkind groß gezogen werden. Dann nahm Shetty Frederike das Fohlen plötzlich als ihres an. „Das war so schön und ich habe mich so gefreut! Das erlebt man nicht alle Tage“, sagt Petra Kruse. Annabell hat ebenfalls wie Frieda im April Geburtstag. Das Nesthäkchen wird dann vier Jahre jung.
Der Tierliebhaberin ist es wichtig, den Vierbeinern eine Stimme zu geben. Auf das, was sie seit 2016 mit ihrem Verein erreicht hat, ist sie stolz: „Jedes Shetty hat es verdient, für es zu kämpfen“, ist sich Petra Kruse sicher. So wie für Frieda, der alten Pony-Dame, die bereits jetzt ein Fall für die Geschichtsbücher ist. Sollte sie es bis April und noch darüber hinaus schaffen, wäre Frieda das älteste Pony, das jemals gelebt hat.