Siegen. Privaten Transportfirmen wie der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein fehlen Fördergelder in dreistelliger Millionenhöhe. Die Hintergründe.
Tagelang war der Güterverkehr auf der Schiene durch den Streik der Lokführergewerkschaft GDL mit dem scheinbar unerbittlichen Claus Weselsky an der Spitze ziemlich lahmgelegt. Schnee von gestern. Christian Betchen, Geschäftsführer der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein (KSW) bleibt dennoch auf dem Baum. Das hat aber nichts mit dem kurz vor der Rente stehenden Arbeiterführer aus Sachsen zu tun, sondern mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), der dem privaten Schienengüterverkehr Millionen Euro an Fördermitteln gestrichen hat.
Statt, wie angekündigt und im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschrieben, den Schienengüterverkehr zu fördern und den Marktanteil am Gesamtgütertransport von heute 20 auf 25 Prozent im Jahr 2030 durch Milliardenunterstützung vom Bund auszubauen, werden die nicht-staatlichen Unternehmen finanziell belastet. „Die Trassenförderung wurde im Dezember über Nacht und ohne Vorwarnung gekappt“, echauffiert sich der KSW-Chef. Die Privatbahnen zahlen analog zur Lkw-Maut ebenfalls für jeden Kilometer Trasse, den sie nutzen, eine Gebühr. Die Trassenförderung entlastete Unternehmen wie die KSW bislang, um konkurrenzfähiger zur Straße zu sein.
Die Kappung ist eine Folge des riesigen Haushaltslochs, das sich im Bundesetat auftat, nachdem das Bundesverfassungsgericht Mitte November vergangenen Jahres die Verschiebung von rund 60 Milliarden Euro aus Corona-Hilfsmitteln in den Klima- und Transformationsfonds für verfassungswidrig erklärt hatte.
121 Millionen Euro Förderung gestrichen
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sieht bereits existenzielle Probleme auf einige Unternehmen des Schienengüterverkehrs zurollen. Zwar gibt es inzwischen wieder Trassenförderung, allerdings erheblich weniger als bisher. Statt rund 350 Millionen Zuschuss stünden nur noch 229 Millionen Euro zur Verfügung. 121 Millionen Euro oder 35 Prozent weniger Entlastung.
Bei der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein fehlen dadurch laut Geschäftsführer Betchen in diesem Jahr sechsstellige Beträge, die eigentlich in Modernisierungen gesteckt werden sollten, um die eigene Güterbahn konkurrenzfähiger zu machen. Zumal auch andere Millionen-Förderprogramme für die Schiene wie Schnee im Frühling zusammengeschmolzen sind.
Das Ministerium verweist darauf, dass die Trassenförderung eine Entlastung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Coronapandemie gewesen sei, die ursprünglich ohnehin 2023 hätte auslaufen sollen. Erst das Wissing-Ministerium habe sich dafür eingesetzt, das Programm bis zum Ende der Legislatur, also 2025, fortzuführen. Mit dem Haushaltsloch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts habe man im Bundesverkehrsministerium nicht gerechnet. „Wir müssen damit umgehen, dass weniger Geld da ist“, erklärt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage dieser Zeitung.
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Die verbliebenen Milliarden werden demnach mit Priorität in die Erneuerung des rund 35.000 Kilometer umfassenden bundeseigenen Schienennetzes gesteckt. Motto: Trassenförderung nutzt nichts, wenn das Netz nicht befahrbar ist. Dies gilt natürlich auch für die etwa 5200 Kilometer Schiene, die in privater Hand sind. Hier wurde das vergleichsweise ohnehin übersichtliche Förderprogramm allerdings von 73,5 Millionen Euro auf rund 27 Millionen Euro zurückgefahren.
Ein Lichtblick scheint auf den ersten Blick die angekündigte Förderung von sogenannten Einzelwagenverkehren zu sein. Es geht um Transporte, bei denen nicht ein kompletter Zug von A nach B fährt, sondern einzelne Waggons bei Unternehmen eingesammelt werden. Das ist aufwendig und entsprechend kostenintensiv. Ein laut Ministeriumssprecher sogar weitgehend defizitärer Geschäftsbereich, den zu 80 Prozent bisher die DB Cargo abwickele - die also entsprechend wohl auch am meisten von der neuen Förderung profitieren dürfte. 380 Millionen Euro sollen in diesem Jahr fließen. „Die neue Förderrichtlinie soll 2024 starten“, so der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums.
Nächste Preiserhöhung für Trassennutzung angekündigt
Die KSW ist eine von rund einhundert Firmen in Deutschland, die Güter über die Schiene transportiert und nicht zur Deutschen Bahn gehört. Der KSW gehören 26 Kilometer Strecke. Jährlich transportiert das Unternehmen nach eigenen Angaben rund eine Million Tonnen über die Schiene. Viele der rund einhundert von Förderkürzungen betroffenen Unternehmen sind in kommunaler Hand, wie die KSW, die ein Tochterunternehmen des Kreises Siegen-Wittgenstein ist. Dazu gehören kleine, wie beispielsweise die Hafenbahnen in Dortmund oder Essen, die jeweils unter dem Dach der Stadtwerke fahren, oder eben größere, wie die KSW, die in der industriestarken und von maroder Infrastruktur gebeutelten Region Südwestfalen unterwegs ist. Hier soll auch der Containerterminal in Kreuztal zu einer Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene sorgen. Allerdings wird dies nur passieren können, wenn die Branche einigermaßen konkurrenzfähige Preise bieten kann. Dafür gab es die kostendämpfende Trassenpreisförderung.
Kritik gibt es auch an der zum Jahreswechsel neu gegründeten Bahngesellschaft „DB InfraGo“, der laut Ministerium „gemeinwohlorientierten“ Gesellschaft, die auch für das DB-Schienennetz verantwortlich ist und den Ausbau des Güterverkehrs auf der Schiene vorantreiben soll. Eine der ersten Amtshandlungen sei die Ankündigung von Preiserhöhungen für die Nutzung der Trassen gewesen, bemerkt KSW-Chef Christian Betchen: „In unserer Branche heißt die neue Gesellschaft schon DB InfraNoGo.“