Hagen. Seit dem 1. Januar gelten wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer in Restaurants. Steigen jetzt die Preise? Fünf Gastronomen erzählen.
Am zweiten Tag des neuen Jahres ist es im Sauerland stürmisch und regnerisch. Ein Wetter, bei dem man besser im Haus bleibt. Und doch bricht Andreas Deimann vom gleichnamigen Fünf-Sterne-Hotel in Schmallenberg-Winkhausen um 12 Uhr mittags wie geplant zur Wanderung mit Gästen auf. Allen Stürmen zum Trotz. Es könnte sinnbildlich für die Gastro-Szene sein, die wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 noch schwierigeren Zeiten entgegensieht.
Um die Gastronomie während der Pandemie zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Danach wurde die Regelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Damit ist jetzt Schluss, zu einer Zeit, die bereits von vielen Kostenerhöhungen in allen Lebensbereichen geprägt ist.
Essen wird bis zu 15 Prozent teurer
„Es wird gnadenlos draufgelegt“, sagt Ralf Hedtmann vom Bistro Papillon in Gevelsberg über die Mehrwertsteuersteigerung. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Preise zu erhöhen. Wenn er bei einem Gericht für zehn Euro zuvor 70 Cent Mehrwertsteuer zahlen musste, sind es jetzt 1,90 Euro, erklärt der Gevelsberger.
Und es ist nicht nur das: Da die allgemeinen Lebenshaltungskosten gestiegen sind, müssen auch Hedtmann und seine Angestellten mehr verdienen, um diese zu decken. Aktuell arbeite er an neuen Speisekarten – lässt aber erstmal nur ein paar drucken. Denn: Wenn zum Sommer höhere Mautgebühren anfallen, befürchtet er, dass er sich nochmals gezwungen sieht, die Preise anzuheben. „Das ist nicht das Ende der Fahnenstange“, vermutet Hedtmann.
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Wie viel teurer ein Besuch für seine Gäste zukünftig werden wird, das kann er noch nicht konkret sagen. Er rechne zurzeit mit einer Preiserhöhung von 12 bis 15 Prozent. An der Qualität werde er nicht sparen, betont Hedtmann, und er wird „keine kleineren Portionen oder Scheinangebote“ anbieten. Aber: „Die Preissteigerung könnte kürzere Öffnungszeiten zur Folge haben“, vermutet der Gastronom.
Auch im Café Erste Sahne in Herdecke werden bald höhere Preise auf der Speisekarte stehen. „Wir werden erhöhen müssen“, sagt Betreiberin Karin Schumacher mit Blick auf die gestiegenen Kosten. Im Laufe des Monats werde sie die Speisekarten austauschen, die konkreten Preise kann sie noch nicht sagen, sie rechnet aber mit einem Anstieg um die zehn Prozent: „Das sind schon einige Prozente, ein paar Tausend Euro mehr im Monat, die ich umsetzen muss“, erklärt sie. Und weiter: „Es ist nicht nur die Mehrwertsteuer, sondern auch die Löhne, Krankenkassen, Strom und Lebensmittel“, zählt sie auf.
Verständnis bei den Gästen
Karin Schumacher hat bereits einige Gäste auf die Preissteigerung aufmerksam gemacht. Und ist auf viel Verständnis gestoßen. „Ich würde das am liebsten lassen, aber sonst müssen wir schließen“, sagt sie. Aber auch die Gastronomin selbst hat Verständnis für die wieder angehobene Mehrwertsteuer: „Die sieben Prozent waren gut und notwendig in der Pandemie, aber nun müssen die Steuern auch wieder hereinkommen.“
Der Hagener Wirt Mike Henning dagegen will die Preise in seinem „Strandhaus“ am Hengsteysee nicht anheben: „Wenn wir uns gegen den allgemeinen Trend in der Branche stellen, die Preise zu erhöhen, könnte uns das einen Zulauf an Gästen bringen“, sagt er und spricht von einer „Offensive“. Auch, um sein gegenwärtiges Personal zu halten und um über den Winter zu kommen: „Wir leben eher vom Sommergeschäft, schauen im Winter vornehmlich darauf, die Verluste in Grenzen zu halten.“
Ohnehin sieht Henning derzeit wenig gastronomische Betriebe, die Geld verdienten – was sich im Umgang mit der Mehrwertsteuererhöhung auswirken könnte: „Ich befürchte, dass es manche dazu verleiten könnte, Einnahmen schwarz zu verbuchen.“
Auch im Restaurant des Landgasthofs Schneider in Schmallenberg-Westfeld sollen die Preise zunächst nicht angehoben werden. Das Jägerschnitzel mit Pommes wird weiter für um die 17 Euro angeboten. „Wir warten die ersten drei Monate des Jahres erst einmal ab und schauen, ob wir dann wegen der steigenden Energie- und Fixkosten nachkalkulieren müssen“, sagt Ingo Schneider, der Chef. Aber: „Falls es dann nötig ist, werden die Kosten ganz sensibel an unsere Gäste weitergegeben.“
Ingo Schneider bleibt guter Dinge, dass insbesondere im Sauerland die „alteingesessenen Betriebe mit gesundem Eigenkapital“ auch diese neuerliche Belastung überleben werden. „Ich könnte mir eher vorstellen, dass es für Betriebe in Städten mit hohen Lokalmieten schwerer wird.“ Was Schneider für fatal hielte: „Wenn Restaurants an der Qualität und der Menge der Speisen auf den Tellern sparen, geht das ganz bestimmt nach hinten los. Die Gäste merken das.“
Das Wohl der Gäste geht auch dem Fünf-Sterne-Hotel Deimann mit dem derzeit einzigen Restaurant im Sauerland mit einem Michelin-Stern über alles. Und doch: „Nach dem Plus um 12 Prozent bei der Mehrwertsteuer und mit Blick auf die hohe Inflationsrate und die Lkw-Maut, die Lieferanten an uns weitergeben dürften, müssten die Preise im Grunde um knapp unter 20 Prozent ansteigen“, sagt Andreas Deimann.
Kreative Lösungen nötig
Man könne allerdings nicht alles an die Kunden weitergeben: „Die Gastronomen werden kreative Lösungen finden: Das eine Gericht wird um 10 Prozent teurer, das andere um 15. Das würde bei einem Steak, das bislang für 30 Euro angeboten wird, ein Plus um 4,50 Euro bedeuten.“
Im Laufe des Januars will man bei den Deimanns neu kalkulieren. Es ist kein leichtes Unterfangen: „Alle Betriebe spüren die Konsumzurückhaltung in der Bevölkerung. Es wird zwar nicht am Urlaub gespart, aber im Urlaub, indem weniger verzehrt wird“, sagt Andreas Deimann. Er befürchtet, dass kleinere Betriebe die Mehrwertsteueranhebung noch mehr spüren als die gehobene Gastronomie: „Das Gasthaussterben wird womöglich noch einmal beschleunigt.“